Ich finde sie äußerst unangenehm, die Harnblasen-Untersuchung. Über
einen Katheter wird die Blase mit Flüssigkeit gefüllt, um die Druckverhältnisse zu untersuchen. Da die Harnblase über den untersten Bereich des Rückenmarks mit Nervenimpulsen versorgt wird, gibt es bei jeder Nervenschädigung im Rücken automatisch Probleme mit der Blase. In meinem Fall zieht sich der Blasenmuskel zu stark und zu unkontrolliert zusammen, so dass in der Blase ein zu hoher Druck entsteht. In der Folge
kann Urin in die Nieren zurückgestaut werden, was diese überhaupt nicht
lustig finden.
Um das unkontrollierte Verkrampfen der Blasenmuskulatur zu verringern, bekomme ich Oxybutinin. Wie viele andere Querschnittgelähmte. Das habe ich bisher gut vertragen und das ist in der Dosierung auch korrekt, fand der Urologe. Doch er meinte, dass er mir bei meiner Inkontinenz weiterhelfen könnte. Bisher ist es so, dass ich kaum Kontrolle über meine Blase habe. Sobald ich merke, dass ich pinkeln muss, brauche ich sofort eine Toilette. Wenn ich mich dann noch intensiv bewege oder bestimmte Muskeln anspanne (zum Beispiel beim Transfer), gibt es kein Halten mehr. Das bedeutet: Außerhalb der eigenen
vier Wände brauche ich Pampers.
Davon könnte er mich befreien, meinte der Urologe. Eine Tablette mit Namen „Mictonorm“ soll mir dabei helfen. Sie soll die Miktion (als die Harnentleerung) normalisieren. Sagt ja schon der Name. Und was soll ich sagen? Es verändert was. Trotz intensivem Harndrang passiert zunächst nichts. Nichts läuft ungefragt aus. Eine deutliche Wirkung.
Aber wie jede Verbesserung hat auch diese eine Kehrseite: Wenn ich dann auf Klo sitze, kommt nur noch ein Teil dessen raus, was in der Blase ist. Der Rest, etwa 150 ml, bleibt drin. Die Blase wird nie ganz leer, „Restharn“ nennt das der Fachmann. Im Klartext heißt das: Ich muss
die Blase über einen Katheter entleeren, der hierfür kurzzeitig durch die Harnröhre eingeführt und danach sofort wieder entfernt wird.
Auch damit könnte ich leben. Wie viele andere Rollstuhlfahrer und Rollstuhlfahrerinnen, die vierstündiges Kathetern einem ständigen Windeltragen vorziehen. Womit ich aber nicht leben kann, ist, dass ich nun bereits Harndrang verspüre, wenn die Blase gerade mal halb voll ist.
Das nervt ziemlich, wenn man ständig denkt, man muss auf die Toilette. Und dieser Harndrang verändert sich auch nicht, wenn die Blase voller wird. Irgendwann ist sie so voll, dass sie wieder überläuft. Kurzum: Mictonorm erreicht bei mir zwar, dass ich meinen Urin eine längere Zeit halten kann, führt aber zu einem fast ständigen Harndrang. Und dazu, dass ich mich kathetern muss, was vorher nicht der Fall war. Und dazu, dass ich nicht mehr weiß, wann ich nun wirklich auf die Toilette muss.
Das fand auch der Urologe nicht gut und meinte, dass dann Oxybutinin erhöht werden muss. Das haben wir nun zwei Tage ausprobiert, mit dem Ergebnis, dass zwar der permanente Harndrang weg ist, dafür bleibt aber der Restharn und ich werde wieder nass, allerdings ohne das zu merken. Und ich bekomme von der hohen Oxybutinin-Dosis einen trockenen Mund.
Soviel zum Thema „Tablette für mehr Normalität“. Ich nehme nun wieder
die Oxybutinin-Dosierung, mit der ich anfangs am besten klar gekommen bin, muss mich nicht mehr kathetern, habe keinen Restharn mehr – dafür aber einen stets zu langen Weg zur Toilette, solange ich nicht zu Hause bin.