Prolog

Jule ist 15 Jahre alt und wohnt zusammen mit ihren Eltern in einem kleinen Einfamilienhaus im Hamburger Stadtteil Lurup. Sie ist ein ganz normales Mädchen, besucht das Gymnasium, liebt Pferde über alles und muss sich eigentlich über nichts ernsthaft Sorgen machen. Bis an einem warmen Tag kurz vor den Sommerferien, an dem sie sich mit ein paar Freundinnen zum Schwimmen verabredet hat. Nur schnell nach Hause, etwas essen, dann sofort ins Freibad. Auf dem Fußweg von der Schule nach Hause wird Jule von einem Linksabbieger erfasst und lebensgefährlich verletzt.

Jule wird noch am Unfallort in ein künstliches Koma versetzt und kommt mit einem Rettungshubschrauber in eine Spezialklinik. Dort diagnostizieren die Ärzte mehrere schwere Verletzungen, unter anderem am Kopf, im Bauchraum, an der Lunge, am Herz sowie diverse offene und geschlossene Knochenfrakturen. Der Schock: Auch die Wirbelsäule hat etwas abbekommen. Im Lendenbereich sind drei Wirbelkörper komplett zertrümmert, Knochenfragmente haben sich in das Rückenmark gebohrt – Jule ist querschnittgelähmt. Wochenlang liegt sie auf der Intensivstation, fast zwei Monate im künstlichen Koma. Es folgen diverse Operationen und eine mühsame Reha. Verschiedene Komplikationen verhindern immer wieder den schnellen Therapiefortschritt.

Jule ist verzweifelt, die Eltern sind in ihrem Schock völlig überfordert und zerbrechen zusehends an dem Schicksal ihrer Tochter. In ihrer Ohnmacht gelingt es ihnen nicht, einen gemeinsamen Weg mit ihrer Tochter zu finden. Der Vater beginnt zu trinken, die Mutter wird psychisch krank. Und auch ihre bisherigen Freunde wenden sich ab – zu groß sind plötzlich die Berührungsängste. Jule steht völlig alleine vor dem Nichts. Sie kann nicht mehr laufen, hat keine Familie mehr, keine Freunde. Sie verbringt einen Tag nach dem nächsten in einem Krankenhaus, wird gewaschen, kann nicht alleine auf die Toilette, hat Schmerzen und sieht keinen Sinn mehr in ihrem Leben. Auf die Empfehlung ihrer Psychologin beginnt sie, Tagebuch zu schreiben. Online. Vom Bett aus, mit einer Hand, an einem Touchscreen. Und plötzlich gibt es Menschen, die ihr über das Internet Mut machen. Die sich für ihr Schicksal interessieren. Und vor allem dafür, wie sie ihr Schicksal meistert.

Jule lässt sich mitreißen, findet Anschluss bei anderen Rollstuhlfahrern. Und plötzlich lernt sie ein völlig neues Leben kennen. Erfährt Liebe, Wärme, Zuneigung und findet die richtige Position für den kritischen Blick auf sich selbst. Ehrgeizig, zielstrebig und mit ungeheurer Kraft beißt sich die zierliche Frau durch einen Urwald voller ungeahnter Hindernisse. Sie macht ihren Führerschein, beginnt Paratriathlon und entwickelt sich vom perspektivlosen Opfer, das die Krankenschwestern einmal mehr als maulige Stinkesocke bezeichnet haben, zu einer starken Persönlichkeit. Nach fast einem Jahr wird Jule aus dem Krankenhaus entlassen und startet in eine nie gekannte Freiheit.

„Aus dem Leben einer Stinkesocke“ ist ein ungewöhnliches Internetblog, das dem Leser einen beispiellos unverblümten Einblick in das Leben einer jungen Frau mit Querschnittlähmung gewährt. Manchmal möchte man vor Verzweiflung schreien, wenn man die Ungerechtigkeiten liest, die ihr widerfahren. Manchmal möchte man vor Scham im Boden versinken, wenn man in den Spiegel blickt, den sie den gehenden Mitmenschen vorhält. Manchmal möchte man vor Freude weinen. Faszinierend, spannend und einmalig beschrieben fesselt Jule ihre Leser von der ersten bis zur letzten Seite. 

Auszeichnungen

Bestes Deutsches Blog 2012

Wikipedia Jule Stinkesocke (Langform: Jules Blog – Aus dem Leben einer Stinkesocke) ist der Name eines mittlerweile inaktiven Weblogs.

Jule Stinkesocke
Webtagebuch
Sprachen Deutsch
Artikel > 1000
Online Jan. 2009 – 2. Apr. 2023
(aktualisiert Apr. 2023)

Jule Stinkesocke (Langform: Jules Blog – Aus dem Leben einer Stinkesocke) war der Name eines Weblogs, das 2023 als Realfake enttarnt wurde. Es berichtete ab 2009 über das Leben der angeblich nach einem Unfall querschnittsgelähmten Hamburgerin Julia Gothe (geboren 1992) und ihren Alltag.[1] Nachdem der Blog mehrere Preise erhalten hatte, wurde er am 2. April 2023 ohne Ankündigung gelöscht. Es waren Vorwürfe laut geworden waren, dass die Identität frei erfunden sei. Der Twitter-Account mit rund 69.000 Followern ging zwei Tage später offline.

Hintergrund

Julia Gothe war laut Weblog mit 15 Jahren bei einem Unfall lebensgefährlich verletzt worden. Zurück blieb eine Querschnittslähmung. Das Führen des Blogs sollte, nach dieser Version, von einer Psychotherapeutin im Krankenhaus empfohlen worden sein, ursprünglich mit dem Ziel, ihre medizinische Rehabilitation zu unterstützen. Später habe sie studiert und sei Kinderärztin geworden.[2] In den ersten vier Jahren hatte Gothe keine Angaben zur Urheberschaft im Blog, erst 2013 wurde ein Impressum erstellt,[3] in dem bis 2023 ein im Rollstuhl sitzender Mann, der sich als Vorsitzender für einen inklusiven Sportverein in Hamburg engagiert, genannt wurde, erst als Vertretungsberechtigter, ab 2016 als inhaltlich verantwortlicher Anbieter.

Julia Gothe wollte nach den Angaben im Blog mit Vorurteilen aufräumen. Auf dem Blog wurden beispielsweise 50 Sätze aufgelistet, die sie schon „mehr als einmal“ von Wildfremden gehört haben wollte und beantwortet einige „Klassiker-Fragen“, z. B. wie sie es schaffe, sich auf die Toilette umzusetzen und sich zeitgleich die Hose runter zu ziehen.[1] Später schrieb Gothe über ihre Karriere als Ärztin sowie ihre Pflegetochter im Teenageralter, die ebenfalls auf einen Rollstuhl angewiesen sei.[3]

Aufmerksamkeit erreichte das Blog, als es mit 65.000 Stimmen zum besten deutschsprachigen Blog 2012[4][5] des Best-of-the-Blog-Awards (The BOBs) der Deutschen Welle gewählt wurde. Kurz darauf porträtierte das Magazin der Aktion Mensch Menschen. das magazin Gothe mit ihrem Blog als „Mutmacher“.[6] Der Twitter-Account hatte bis zu 70.000 Follower.[7]

Aufdeckung

Anfang April 2023 veröffentlichte ein anonymer Nutzer auf Twitter Screenshots der australischen Pornodarstellerin Kylie Harris neben denen von Jules Profilbild mit dem Kommentar „Juchu! @JuleStinkesocke kann stehen und gehen!“[3][2] Eines der Bilder der Pornodarstellerin ist bis auf Farbgestaltung und eine Spiegelung identisch mit dem Profilbild.[3] Die Medien griffen diese Vorwürfe auf und fanden weitere Hinweise für die Fiktionalität des Accounts. Nachdem die Vorwürfe öffentlich wurden, wandte sich die Person hinter dem Account in einer Stellungnahme an ihre Follower, in dem sie noch einmal bekräftigte über ihre „realen Erlebnisse“ als „querschnittsgelähmte Frau“ zu schreiben. Jedoch sei der Name nicht real, ausschließlich der „inhaltliche Kern dessen, was [die Nutzerin] schreibe, ist real.“[3]

Als Betreiber der Twitter-Konten von Jule und auch ihrer Pflegetochter Helena sowie des Weblogs wird der Inhaber des Webspace[8] und gleichzeitig Administrator des Weblogs vermutet, der beim Aktion-Mensch-Artikel als Vermittler fungiert hat. Auch er betreibe einen Twitter-Account und habe sehr oft mit den beiden anderen Twitter-Konten interagiert. Auch einzelne Bilder würden sich ähneln, z. B. Aufnahmen von einem Ostseestrand. Er sei ferner Begünstigter eines Spendenaufrufs von Jule für ein neues Auto bei Twitter gewesen. Der Administrator bestritt über seine Anwälte, die Inhalte selbst verfasst zu haben, lehnte darüber hinaus aber eine Stellungnahme ab.[9] Weblog und Social-Media-Kanäle der angeblichen Autorin sind seither gelöscht bzw. unerreichbar.[8][9]

Julia Probst kritisierte in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen diesen und andere Fake-Accounts, da sie „wichtige Sichtbarkeit [bündeln würde], die dann anderen wirklich wichtigen und echten Accounts fehlt. Die ganze Geschichte [sei] sehr bitter, weil das Vertrauen in die Accounts gesunken ist und sinken wird, die wirklich authentisch und aus eigener Hand aus ihrem Leben als Mensch mit Behinderung berichten.“[10]

Auszeichnungen

Einzelnachweise

  1. a b „Der Rollstuhl bedeutet Freiheit für mich“, Die Welt (dpa), 10. Juli 2014
  2. a b Pornobild-Skandal um preisgekrönte Bloggerin, T-Online vom 4. April 2023.
  3. a b c d e Lea Weinmann, Veronika Wulf: Alles nur geklaut? In: Süddeutsche Zeitung. 81 (6./7. April 2023), S. 8 (sueddeutsche.de).
  4. Gewinner 2012. In: The BOBs. 12. Mai 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. Mai 2013; abgerufen am 12. Mai 2013.
  5. a b Exil-Iraner gewinnt Blog-Award (Pressemitteilung). In: Deutsche Welle (www.dw.com). 2. Mai 2012, archiviert vom Original am 19. Februar 2022; abgerufen am 9. April 2023.
  6. Archiv Ausgabe 1/2013. In: Menschen – das Magazin. 12. Mai 2013, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. Mai 2013; abgerufen am 12. Mai 2013.
  7. Steffi Unsleber: Fake Accounts: "Wenn Realfakes vor der Enttarnung stehen, versterben sie häufig". In: ZEIT Online. 6. April 2023, abgerufen am 9. April 2023.
  8. a b Oliver Klein: Ist die Bloggerin Jule Stinkesocke nur Fake? ZDF heute, 5. April 2023, abgerufen am 5. April 2023.
  9. a b Der Fall "Jule Stinkesocke", Der Standard vom 6. April 2023.
  10. Felix Gnoyke: Fall "Jule Stinkesocke": "Arbeit von Aktivisten für Klicks mit Füßen getreten". In: Augsburger Allgemeine. Abgerufen am 9. April 2023.

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