Man muss schon gehörig einen an der Klatsche haben, um sich bei Windstärke 6 in einer Fleece-Jacke in einen Strandkorb zu setzen. Cathleen, Sofie, Frank und ich hatten jeder mindestens zwei an der Klatsche. Aber wisst ihr was? Wenn man wegen einer körperlichen Behinderung schon seine 100% im Behindertenausweis hat, macht sich der Dachschaden auch nicht mehr bemerkbar. Mehr als Vollklatsche geht eben nicht.
Und so interessierten uns die Gedanken der vorbeiziehenden Leute auch
nur sekundär. Obwohl wir uns sie ausgemalt haben. „Oh, die haben nur einmal pro Jahr Ausgang und nun ist das Wetter schlecht.“ Oder: „Die wissen es nicht besser.“
Frühmorgens sind wir mit Frank aufgebrochen, kamen gegen 10 Uhr in Haffkrug (Ostsee) an, mieteten uns zwei Strandkörbe, drehten sie mit dem
Rücken zur Hauptwindrichtung und packten uns hinein. Sofie hatte Kartoffelsalat und Würstchen für das Mittagessen mit, Frank baute uns erstmal einen Sandwall, dann spielten wir Uno. Es war nur genial. Der Wind blies den feinen Sand überall hin, aber gegen Mittag kam die Sonne hinter den Wolken zum Vorschein und man konnte sogar im T-Shirt sitzen.
Kurz vor Abfahrt wagten wir dann das Abenteuer: Strandbesuch ohne wenigstens einmal im Wasser gewesen zu sein, ging gar nicht. Sagte Frank. Und fing an, sich Badesachen anzuziehen. Cathleen und Sofie sagten, sie würden mitkommen. Und ich? Ich hatte Angst. Ich fürchtete, an meine Grenzen zu kommen. Das Wasser hatte enormen Wellengang. Ich hatte zwar einen Badeanzug dabei, hätte mich aber am liebsten irgendwo auf einer Toilette umgezogen, wenn überhaupt. Ich wollte weder Spielverderber noch Angsthase sein. Aber ich wusste nicht, ob ich das wagen sollte.
Sofie begann, sich umzuziehen. Ich trödelte mutwillig. Wühlte in meiner Tasche, tat so, als würde mein Handy mir gerade etwas wichtiges mitteilen wollen. Erstmal schauen, wie das bei den „Profis“ aussieht. Ja, ich schäme mich für mein fehlendes Selbstvertrauen. Ein unauffälliger Blick zu Sofie … keine Pampers. „Ich glaube, ich will doch
nicht mit schwimmen“, dachte ich mir so. Aber Cathleen war meine Rettung. Ich wartete einen Moment, ob irgendwelche Kommentare kommen würden, die mich, wären sie an mich gerichtet, sicher zum Heulen gebracht hätten. Nein, sie kamen nicht. Keiner glotzte. Ich machte meine
Hose auf…
Ich bin da sehr sensibel. Ich weiß sofort, wann jemand mir zuliebe schauspielt und sich seine Kommentare verkneift oder absichtlich so tut,
als wäre alles normal, obgleich er sich gerade an meiner Andersartigkeit gedanklich gestoßen hat. Hier hatte ich dieses Gefühl nicht. Es schien mir, und das ist bei meinen „neuen“ Freunden Gold wert,
eine ehrliche tiefgründige Akzeptanz da zu sein: Ich muss mich nicht verstellen, um gemocht und ernst genommen zu werden.
Auf dem Hintern sitzend robbten wir das kurze Stück durch den Sand. Die beiden „Profis“ warnten mich vor einer von mir beinahe unterschätzten Gefahr: Scharfkantige Steine und Muscheln können die gefühllose Haut der Beine erheblich verletzen. Und dann schwappte eine große Welle bis zu meiner Brust hoch. Ich kreischte laut, so kalt war das Wasser. Auch Frank, Sofie und Cathleen hatten einen Riesenspaß. Wir saßen in den Wellen und überließen dem Meer, den Wellen das Spiel mit uns. Ich musste mich schon gut abstützen, um nicht umgeworfen zu werden.
Schwimmen wollte niemand wirklich, dafür waren der Wind und die Wellen zu stark. Irgendwann wurde es kalt und wir robbten auf dem Hintern sitzend durch den feinen Sand wieder zu unseren Strandkörben zurück. Wir sahen aus wie panierte Schnitzel. Frank legte Handtücher in die Strandkörbe und meinte: Am besten so in der Sonne trocknen lassen. Dann geht der Sand am besten ab. Ich kuschelte mich mit Cathleen in einen Strandkorb, Sofie und Frank saßen neben uns in dem anderen. Und plötzlich kam die Sonne hinter den Wolken hervor und es wurde richtig schön warm.
Gerade komme ich aus der Dusche. Den feinen Sand vom Strand habe ich,
obwohl ich mich intensiv abgerubbelt hatte, noch überall gefunden. In den Ohren, in der Nase, in den Haaren, überall. Auf den Fliesen lag eine
richtige Sandschicht. Ich hoffe, ich bin alles losgeworden. Es war ein super schöner Tag!