Cathleen war gestern mit Sofie bei einem Sozialarbeiter vom Jugendamt, um mit ihm zu besprechen, ob es eine Alternative wäre, wenn sie wieder in Hamburg zur Schule geht, also einen Neuanfang startet auf einer Gesamtschule (statt noch ein Jahr auf ein Sonderschul-Internat zu gehen), dabei in unserer WG wohnt und von einem ambulanten sozialtherapeutischen Dienst drei- bis fünfmal pro Woche betreut wird.
Ich war nicht dabei, ich bekam die Story aber von Sofie und später auch nochmal von Cathleen erzählt. Zuerst hatte der Sozialarbeiter wohl den Termin verschwitzt, den er so kurzfristig erst noch zugesagt hatte, dann war er wohl von vornherein gleich dagegen. Sofie meinte, er könnte auch bewusst diese Position eingenommen haben, um sich von Cathleen überzeugen zu lassen, also um zu merken, wie ernst es ihr wirklich ist. Interessante Theorie.
Cathleen war wohl hartnäckig genug, denn am Ende kam heraus: Cathleen
wohnt ab nächsten Montag für 5 Tage zur Probe in unserer WG. Sie bekommt täglich Besuch von einem Sozialarbeiter oder einer Sozialarbeiterin von einer Einrichtung. In der Zeit geht sie probeweise auch auf eine Gesamtschule in Eppendorf. Am Montag darauf trifft man sich erneut und bespricht, wie es weitergeht.
Ich bin sehr gespannt, aber ehrlich gesagt auch sehr zwiespältig. Cathleen ist noch zwei Jahre jünger als ich – und bei mir fragen die Leute schon, ob ich nicht zu jung bin, um von zu Hause auszuziehen. Andererseits: So groß ist der Unterschied zwischen WG mit Betreuung und Internat auch nicht. Und Cathleen ist sehr selbständig. Und ich würde mich sehr freuen, wenn sie hier einziehen würde.
In der Schule habe ich heute meinen ersten richtigen Tag miterlebt. Und auch gleich mein erstes Negativ-Erlebnis. Ich fuhr durch einen Gang,
hatte eine leere Papiertüte von meinen zwei Brötchen auf dem Schoß, wollte in den Klassenraum und spätestens dort diese Papiertüte in den Müll werfen. Ich war bisher noch an keinem Mülleimer vorbei gekommen. Vor mir ging ein Lehrer, dem urplötzlich einfiel, dass er was vergessen hatte. Er drehte sich mitten im Gehen auf dem Absatz um. Ich musste scharf bremsen, um ihn nicht umzufahren. Dabei fiel die zusammengeknüllte Brötchentüte auf die Erde. Er blubbert mich an: „Egal ob Sie behindert sind oder nicht – Müll wird hier nicht einfach hingeworfen. Auch wenn Sie neu sind, sollten Sie das wissen.“ Ja nee, is
klar. Nächstes Mal halte ich die Tüte fest und fahr ihm so richtig in die Hacken. Ich hoffe, dass ich diese Lehrkraft nicht irgendwo selbst im
Unterricht habe.
Ansonsten hatten wir heute zwei Stunden lang unseren Pädagogik-Lehrer
von gestern und zwei Stunden Statistik. Merke: „Wenn man an einem Reh zuerst links vorbeischießt und dann rechts, dann ist es durchschnittlich
tot!“ Muhaha.