Solange kein Schnee liegt, kann man mit einem Rollstuhl prima draußen fahren. Wegen geringen Temperaturen oder ein bißchen Regen von oben den Sport in die Halle und dort womöglich auch noch auf die Rolle (Ergometer) zu verlegen, ist reine Bequemlichkeit. Vor allem, wenn man sich bewegt, sich gut aufwärmt und die richtigen Klamotten anzieht, spricht nichts gegen Training an der frischen Luft.
Fast nichts. Als wir am Samstag mit Simone, Yvonne, Cathleen, Nadine, Kristina, Merle und Tatjana zum Straßentraining aufbrachen, kam im Radio eine Unwetterwarnung. Gewarnt wurde vor einer Sturmflut. Naja, in der Elbe baden wollten wir nicht und stürmisches Wetter muss nicht negativ sein. Als Hamburger Deern liebe ich es, wenn mir frischer Wind um die Nase weht. Schauerartiger Regen muss einen auch nicht aus dem Stuhl werfen, solange man nicht stehen bleibt und auskühlt und hinterher eine warme Dusche hat. Also los!
Es war meine Lieblingsstrecke. Die, auf der ich zum ersten Mal überhaupt in meinem Leben ein Straßentraining mitgemacht hatte. Vom Stadtrand über die Elbchaussee zum Volkspark. Soll ich sagen, dass wir nicht mal bis zur Elbchaussee gekommen sind? Als wir starteten, trieb der Wind dunkle Wolken in rasender Geschwindigkeit vor dem Vollmond vorbei. Eine gespenstische Atmosphäre. Wir kamen gerade den ersten steilen Berg hoch, waren vielleicht 10 Minuten unterwegs, dann begann es zu regnen. Erst nur mäßig, dann jedoch schlagartig so stark, dass man nicht mehr die Hand vor Augen sehen konnte. An Weiterfahren war überhaupt nicht mehr zu denken. Man sah selbst im Scheinwerferlicht des Begleitfahrzeuges nicht mehr, wo die Straße weiterging. Das Wasser kam uns auf der abschüssigen Straße wie ein Sturzbach entgegen. Wir hielten am rechten Straßenrand hintereinander. Ich kam mir vor wie unter einer voll aufgedrehten Dusche. Tatjana kam aus dem Auto, schob einen nach dem anderen rückwärts zur Autotür und hob die Leute aus den Stühlen in den Bus. Ich war komplett durchnässt. Der Wind wehte den Regen durch die offene Seitentür in den Bus. Sowas habe ich noch nicht erlebt.
Simone rief ihren Vater an. Weit konnte er schließlich noch nicht sein. Nach etwa 10 Minuten war der Wolkenbruch vorüber. An eine Fortsetzung des Trainings war nicht mehr zu denken. In den Rollstühlen stand das Regenwasser, wir waren klitschnass und froren trotz Heizung. Simones Vater kam nach etwa 20 Minuten dazu. Da auch er nur höchstens vier Stühle in seinen Bus bekommt, wollte er bei den Sportstühlen warten, bis Tatjana uns in die Halle zum Duschen und Umziehen gefahren hat und wieder zurück kommt. Auf der Fahrt in die Halle gerieten wir erneut in das Unwetter – einige Straßen standen knöcheltief unter Wasser und der Scheibenwischer war auf höchster Stufe bei Tempo 25 komplett überfordert. Etliche Fahrzeuge standen mit Warnblinklicht am rechten Straßenrand und waren einfach stehen geblieben.
In der Halle angekommen habe ich mindestens 15 Minuten versucht, unter der Dusche warm zu werden. Allerdings wurde das Wasser mal wieder nicht richtig heiß und ging vor allem alle 10 Sekunden aus. Nun verzögerte sich die Fahrt nach Hause auch noch, weil Tatjana ein zweites Mal los musste und die Stühle abholen musste. Sie war entsprechend genervt. Als Cathleen, Simone und ich um halb 5 endlich bei mir zu Hause waren, haben wir uns die Badewanne einlaufen lassen. Nach jeweils gut 10 Minuten war allen wieder einigermaßen warm. Dazu noch ein heißer Tee – und von draußen lief das Wasser bereits schon wieder an den Fenstern hinab. Aber nicht tropfenweise, sondern in Bächen.
Und so konnten wir von unserer Strecke nur träumen.