In Hamburg ist wieder DOM! So heißt das größte Volksfest des Nordens im Stadtteil St. Pauli in der Nähe der Reeperbahn. Grund genug für Simone, Cathleen, Sofie, Frank und mich, diesem Volksfest mal wieder
einen Besuch abzustatten. Eigentlich wollten Lina und Liam auch dabei sein, haben es sich aber kurzfristig doch noch anders überlegen müssen, da die Eltern von Liam unangemeldet zu Besuch kamen und erwarteten, dass
die beiden mit ihnen in der WG bleiben.
„Was wollen Rollstuhlfahrer auf einem Volksfest?“ könnte man denken und in der Tat hört man diese Frage auch manchmal. So oder so ähnlich. Da kann die Musik aus den Karussells noch so laut sein. Es ist schon richtig, in viele Fahrgeschäfte möchte ich gar nicht rein. Ich kann weder meinen Rumpf noch meine gelähmten Beine aktiv anspannen, würde also nur von den Sicherheitsbügeln gehalten werden. Das macht keinen Spaß, sich so durchschütteln zu lassen und immer Angst zu haben, dass sich die Füße irgendwo verklemmen oder man mit dem Kopf irgendwo gegenschlägt.
Aber: Es gibt durchaus auch Fahrgeschäfte, da macht es Spaß. Es gibt ein Kettenkarussell, das sich in dreißig Metern Höhe dreht. Absolut geiler Ausblick dort oben, nur etwas kalt. Aber man kann sich ja warm anziehen. Autoscooter mit rollstuhlgerechtem Zugang ist auch vorhanden und wird natürlich schamlos ausgenutzt. Einige andere Karussels gehen ebenfalls mit Hilfe durch das Personal, so zum Beispiel auch mein absoluter Favorit, die Frisbee. Eine Schiffschaukel, bei der aber kein Schiff schaukelt, sondern eine Drehscheibe. Es dreht und schaukelt also zur gleichen Zeit. Nervenkitzel pur.
Insgesamt muss man sagen: Das Hilfspersonal an den einzelnen Karussels versteht zwar meistens kein Wort Deutsch, ist aber hilfsbereit
ohne Ende. Zieht einen die Stufen hoch oder trägt einen sogar – so freundlich erlebt man das nicht immer. Gerade im Bereich St. Pauli erlebt man ja auch oft sehr krasse Dinge. So blieb auch dieser Tag nicht
ohne Erlebnis der besonderen Art: Während wir am so genannten Dom-Eck eine Bratwurst futterten, ging eine obdachlose Flaschensammlerin an uns vorbei und versetzte Sofie ohne jede Vorwarnung und ohne jeden Grund, quasi im Vorbeigehen, einen Handkantenschlag ins Genick. Lachte und ging
weiter. Wir waren so perplex, dass wir drei, vier Sekunden brauchten, um überhaupt zu reagieren. Die Frau ging einfach weiter. Hier ist man als Rollstuhlfahrer nun doch im Nachteil: Die anderen Leute interessierten sich nicht für die Sache, sondern gingen schnell weiter, und die Polizei war nicht in greifbarer Nähe. Es ist ohnehin fraglich, was die hätte ausrichten können. Sofie ist jedenfalls nicht ernsthaft verletzt. Glück im Unglück und ein kleiner Schreck an einem sonst gelungenen Tag.