Ein Nein zur Therapie

Ich habe mich inzwischen mit meiner Psychologin darauf geeinigt, mich aus der Therapie meiner Mutter komplett herauszuhalten. Das heißt: Ich werde sie weder besuchen, noch an Familien- oder Mutter-Kind-Therapien teilnehmen. Wir haben fast eine Stunde lang nur darüber geredet, ob ich das tun sollte oder nicht. Letztlich kristallisierte sich das immer mehr heraus, was ich schon von Anfang an dachte: Ich möchte meinen zukünftigen Weg nicht zusammen mit meiner Mutter gehen.

Es ist letztlich eine sehr schwere Entscheidung und es ist mit Sicherheit keine lang-, sondern eher eine mittelfristige. Diese mittelfristige Entscheidung musste aber sein, denn nur mit kurzfristigen
Ausreden oder neuen Hoffnungen von einer Woche auf die nächste hätte meine Mutter nicht leben können. Es ist aber wichtig, dass sie weiß, woran sie ist.

Ich habe mich so entschieden, weil ich der Überzeugung bin, dass ich meiner Mutter nicht helfen werde, wenn ich an ihrer Therapie teilnehme oder sie regelmäßig besuche. Ob ich dabei bin oder nicht – der Schlüssel
zum Erfolg und zum Fortschritt ihrer Therapie liegt anderswo. Ich bin überzeugt, dass sie auch ohne mich ihr Problem auf bestmögliche Weise löst und es auch mit mir ungelöst lassen könnte. Der Weg ohne mich ist sicher ein anderer und vielleicht auch anfangs ein schwierigerer. Aber es gibt einen Weg.

Auf der anderen Seite bin ich nach über einem Jahr intensiver Therapie heute an einer Stelle meines Weges, wo die ersten Freunde zu mir sagen: „Die Stinkesocke macht ihr Ding inzwischen. Am Anfang dachte ich noch: Na, ob sie das wirklich schon alles so verkraftet hat? Oder ob
da noch der herbe Rückschlag kommt? Aber nun bin ich zuversichtlich, dass sie sich in ihrem Umfeld und in ihrem Leben wohl fühlt.“

Ich bin mir relativ sicher, dass ich auf einem guten Weg bin. Ich bin
mir relativ sicher, dass mich die üblichen Dinge des Alltags, und seien
sie noch so chaotisch, nicht einfach aus der Bahn werfen. Ich sehe nicht die Gefahr, in ein tiefes Loch zu stürzen. Ich sehe im Moment auch
kein Potential für eine handfeste Krise. Sicher, wer weiß, wann ich den
ersten Trennungsschmerz verkraften muss, wann ich einen fetten Harnwegsinfekt, eine fette Druckstelle oder andere heftige Komplikationen bekomme oder was sonst noch so alles passiert? Aber ich denke eben, ich bin auf einem guten Weg.

Ich bin mir aber ebenso relativ sicher, dass eine Therapie mit meiner
Mutter mich von diesem Weg abbringen könnte. Sie vertritt, sei es durch
ihre Überzeugung, sei es durch ihre Krankheit, Ansichten, die ich nicht
teilen kann und nicht teilen möchte, die sich aber auch nicht verdrängen oder klären lassen. Sie hätte die Kraft, mein jetziges Leben in Unordnung zu bringen.

Damit meine ich nicht, dass ich mich nicht mit meiner Behinderung, meinem Leben, meinen Einschränkungen auseinandersetzen möchte. Ich meine
damit, dass ich für mich einen Zugang zu meinem neuen Leben gefunden habe, den sie (genauso wie mein Vater) bisher immer in Frage, ins Lächerliche oder ins Unglaubwürdige gezogen hat. Ich müsste am Ende vermutlich für meine eigene Existenz argumentieren. Die
Kraft habe ich nicht. Und das ist der Punkt, an dem ich egoistisch genug bin, meiner Mutter den Wunsch nach Besuch und gemeinsamer Therapie
ihrer Erkrankung abzuschlagen.

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