Alles nicht geklaut

„Ich glaub, es geht schon wieder los! Das darf doch wohl nicht wahr sein…“ *sing*

Sandra hat mich heute morgen als dumme Schlabberfotze bezeichnet. Natürlich so, dass es niemand mitbekommt. Ich habe nichts gemacht. Weder bewusst einen Anlass geliefert, noch darauf in irgendeiner Form reagiert. Mal sehen, wie das weiter geht. Sie kann es anscheinend nicht sein lassen und spielt definitiv mit ihrem Schulplatz. Es ist einfach nur erbärmlich.

Da die letzte Doppelstunde ausfiel, konnte ich schon sehr früh wieder nach Hause. Mit 11 Punkten aus der Chemieklausur in der Tasche. Bin ich gut?

Der frühe Schulschluss war aber ganz gut, da Mittwoch ja bekanntlich Großkampftag ist. Erst Gerätetraining, dann Physiotherapie, anschließend noch Schwimmtraining. Lässt sich leider nicht anders legen, allerdings sagt mein behandelnder Arzt aus der Klinik, dass das nicht problematisch ist, da es beim Gerätetraining ja nicht um ein Leistungstraining geht, sondern lediglich um einen Ausgleich der einseitigen Belastung – unter therapeutischer Aufsicht. Also besteht keine Gefahr, irgendetwas zu überanstrengen.

Irgendwo in meinem Schrank fand ich dann auch noch dunkelblaue Baumwoll-Leggings. Die neue Physiotherapeutin, mein kleiner Kampfzwerg, hat ja einen Leggings-Faible. Damit man die Beine sieht. Als ich das Ding zu Hause anprobierte, schließlich hatte ich das Jahre lang nicht mehr an, merkte ich: Am Hintern und an den Beinen zu kurz. Sagt mal, werde ich dicker? Oder wachse ich noch? Unten gucken fünf Zentimeter meiner Storchenbeine raus, das muss ja nun wirklich nicht sein. Ich hatte ja durch die ausgefallenen Stunden genug Zeit, noch ein kurzes Shopping einzuschieben.

Ein großes Sportwarenhaus liegt direkt am Hamburger Hauptbahnhof. Eine Person an der Kasse, ansonsten kein Personal weit und breit. Endlose Schlange. Am Aufzug stehen Hinweisschilder, allerdings steht nicht drauf, was man wo bekommt, sondern welche Hersteller in welchen Etagen zu finden sind. Und dann sind doch tatsächlich alle Klamotten nach Herstellern sortiert. Und ich habe aus meiner Sitzposition null Überblick, sehe immer nur die nächsten drei Kleiderständer.

Dann fand ich endlich doch noch eine Mitarbeiterin, die hinter einer Stahltür heraus kam. „Entschuldigung, wo finde ich Leggings?“ – „Haben wir nicht.“ – „Wie… keine Leggings?“ – „Nö. Wir haben so Longtights. Wofür wollen Sie die haben?“ – „Äh, was meinen Sie?“ Ich stand etwas auf dem Schlauch. Zum Anziehen wollte ich die haben, nicht zum Fensterputzen. Ich verstand die Frage nicht.

„Ja, wofür brauchen Sie die? Zum Laufen?“ – Äh, was? Wenn Sie welche haben, mit denen ich wieder laufen kann, kaufe ich Ihnen gleich 10 Stück davon ab. Sowas blödes. „Ähm, nee, eher so für Gerätetraining.“ – „Ah ja, da haben wir einmal hier unten welche von Firma A, die sind hier, und sonst im 1. OG welche von Firma B und im 5. OG von Firma C.“ – „Sind die nach Firmen getrennt?“ – „Ja. Jede Firma hat hier ihre Ausstellfläche.“ Kein Wunder, dass die Kette pleite geht, wenn der Kunde für eine Hose durch drei verschiedene Etagen toben muss.

„Die gehen ja gerade bis zum Schienbein. Ich suche schon welche, die bis zum Knöchel gehen.“ – „Sie meinen Acht-Achtel-Hosen. Dieses sind Sieben-Achtel-Hosen. Schauen Sie mal, die haben wir hier. Diese würde Ihnen gut stehen.“ – „119 Euro? Das sind irgendwie 100 zu viel.“ – „Ja, die sind so teuer.“ – „Nee, ich suche wirklich was ganz einfaches.“ – „Sowas gibt es nicht.“ – „Sie meinen, Sie haben sowas nicht. Kann ich mir gar nicht vorstellen, Sie werden doch über 6 Etagen noch irgendwo andere Hosen haben.“ – „Ja, dann müssen Sie mal im 1. und im 5. schauen, ob da noch was ist, was Ihnen besser gefällt.“

Nö. Aber im dritten Obergeschoss waren so Tanz- und Fitness-Klamotten. Und da fand ich dann auch eine schwarze Leggings für stolze 24,95 Euro. Ich nahm dann auch gleich noch einen auf 30 Euro runtergesetzten Marken-Schwimmanzug mit, bezahlte brav an der Kasse, verzichtete auf die Tüte und stopfte das Zeug in meinen Rucksack. Und dann bloß raus hier.

Als ich endlich unten ankam, fuhr ich auf dem direkten Weg zum Ausgang Mönckebergstraße. Der ist dichter am Bahnhof, so dass ich nicht durch den ganzen Schnee musste, dafür musste ich aber noch einmal quer durch den Laden. Es geht bergab, so dass man mit dem Rollstuhl auch ein wenig schneller wird. Als ich die Tür erreichte, merkte ich, wie ein Typ im blauen Pullover hinter mir her rannte. Er überholte mich und ich dachte, er wollte mir die Tür aufhalten. Das wäre doch aber nicht nötig gewesen. Fehlanzeige. Er stellte sich mir in den Weg. Ich schaute etwas dumm aus der Wäsche. „Guten Tag, kann es sein, dass Sie vergessen haben zu bezahlen?“

„Bitte?“ Ich überlegte eine Sekunde. „Nein, kann nicht sein. Ich habe bezahlt.“ – „Kann ich mal bitte in Ihren Rucksack reinschauen?“ In meinen Pampers wühlen? Nö. „Sie können meinen Kassenbon sehen.“ – „Nee, ich möchte in den Rucksack schauen. Den haben Sie geöffnet.“ – „Ja, um die bezahlte Ware darin zu verstauen.“ – „Haben Sie was zu verbergen?“ – „Ja.“ – „Gut, dann rufe ich jetzt die Polizei.“ – „Ja, dann machen Sie das.“ – „Gut, dann kommen Sie jetzt mit in mein Büro.“ – „Nö. Wenn Sie die Polizei rufen wollen, dann machen Sie das, ich warte hier solange, ansonsten fahre ich jetzt weiter.“ – „Nee, Sie kommen mit in mein Büro.“ – „Nix. Ich gehe nicht mit Ihnen in irgendwelche Büros. Darf ich mal Ihren Ausweis sehen?“

Stinkesocke zitterte am ganzen Körper, versuchte aber, sich nichts anmerken zu lassen und möglichst cool zu bleiben. „So, entweder Sie kommen jetzt freiwillig mit ins Büro oder ich schiebe Sie dorthin.“ – „Flossen weg!“ – „Sie verhalten sich super verdächtig.“ – „Zeigen Sie mir Ihren Ausweis und rufen Sie eine Verkäuferin, dann darf die von mir aus hier an Ort und Stelle in den Rucksack schauen.“ Der Typ schüttelte den Kopf. „Sie kommen jetzt erstmal mit ins Büro, da rufen wir eine Mitarbeiterin als Zeugin dazu. Wir machen hier keine Show im Laden.“

Die Rettung! Vor der Tür durch die Fußgängerzone schlenderte eine Fußstreife. Der Typ stand mit dem Rücken zur Glastür. Ich fuhr langsam einige Zentimeter zurück, dann mit Anlauf zum Türflügel rechts neben ihm. Es gelang mir, die Tür aufzustoßen. Der Typ öffnete auch seine Tür, stellte sich mich sofort wieder in den Weg. Ich brüllte in Richtung der Fußstreife: „Entschuldigung, können Sie mir mal bitte helfen?“ Die beiden hatten mich gehört, schauten, kamen auf mich zu. „Wie können wir Ihnen helfen?“

„Der Typ hier behauptet, er sei Ladendetektiv und ich hätte geklaut. Ich soll in sein Büro kommen, er will meinen Rucksack durchsuchen, ich darf nicht weiterfahren. Er hat keinen Ausweis und ich habe nicht geklaut.“ – „Okay, ich weiß, dass der Herr hier als Detektiv angestellt ist.“ sagte der eine Polizist. Die Polizistin sagte: „Haben Sie denn sehen können, dass die Dame etwas eingesteckt hat?“ Und der Idiot sagt auch noch: „Ja.“

„Das stimmt doch überhaupt nicht“, erwiderte ich.

„Moment mal. Konnten Sie sehen, was das war?“ – „Ja, ein schwarzer Badeanzug.“ – „Ja, den habe ich aber bezahlt. Den Kassenbon habe ich hier, den wollten Sie nicht sehen.“ – „Sie haben einen bezahlt und einen
zweiten so eingesteckt. Das habe ich genau über den Überwachungsmonitor gesehen. Der ist jetzt in Ihrem Rucksack.“ Für einen Moment war ich mir unsicher. Hingen da zwei zusammen? Aber die hätte die Kassiererin doch auseinander gemacht. Nein, das war ein Badeanzug und auf dem Schoß lag auch nichts. Blödsinn.

Die Polizistin sagte: „Okay, dann möchte ich tatsächlich einmal in Ihren Rucksack schauen.“ – „Bitte, wenn es sein muss.“ – „Ach, jetzt doch?“ fragte der Detektiv.

„Ich lasse keine fremden Männer ohne Grund in meiner Unterwäsche und meinen Hygieneartikeln wühlen. Ich habe nichts gestohlen.“ – „Ja ja“, sagte der Detektiv.

„So, sind da irgendwelche spitzen Gegenstände im Rucksack? Irgendwas, woran ich mich verletzen könnte? Spritzen, Messer, andere Waffen?“ fragte die Polizistin. Ich händigte ihr den Rucksack aus und schüttelte den Kopf. Der andere Polizist sagte: „Ich hätte in der Zwischenzeit gerne mal einen Ausweis von Ihnen.“ Ich drückte ihm meinen Ausweis in die Hand. Er fing gleich an, meinen Namen durchzufunken. Na super. Sie holte inzwischen die eingekauften Klamotten raus. „Die sind bezahlt“, sagte der Detektiv. Dann holte sie meine blaue Baumwollhose raus. „Die ist verwaschen“, sagte die Polizistin. Dann kramte sie weiter, holte ein Badehandtuch, einen Kissenbezug und meinen schwarzen Badeanzug raus. Den ich für die Physio und für das Schwimmen hinterher mitgenommen hatte. „Da haben wir ihn doch“, sagte der Detektiv und wollte ihn der Polizistin aus der Hand nehmen.

„Moment mal, ich durchsuche die Tasche.“ Ich sagte: „Das ist meiner. Der ist gebraucht.“ Sie krempelte das Ding auf Links. Guckte den sehr genau an. „Ein Etikett hängt zwar nicht mehr dran, Hygieneschutz auch nicht mehr. Aber der Waschzettel ist nicht ausgeblichen, keine losen Fäden. Ist das wirklich Ihrer?“

Ich nickte. „Riechen Sie mal dran. Der war gerade in der Wäsche.“ – „Der riecht eindeutig nach Persil.“ Sie roch an dem neuen mit Etikett. „Und der nach Chemie. Nee, der ist schonmal gewaschen worden. Ohne Etikett, ohne Hygieneschutz, da würde ich mal der Dame glauben schenken wollen, dass das ihrer ist. Das passt auch zum Handtuch, zum Duschgel im Rucksack.“ – „Ich habe gleich einen Therapietermin im Krankenhaus im Bewegungsbad. Das lässt sich nachprüfen, der ist in zwei Stunden und dorthin werde ich nicht ohne Badeanzug gehen.“

„Pack wieder zusammen den Kram“, sagte der Polizist, der die ganze Zeit daneben stand, zu seiner Kollegin. In der Zwischenzeit liefen alle möglichen Leute an uns vorbei und gafften. Ich sah vermutlich aus wie eine Tomate. Dann bekam ich meinen Rucksack wieder. „Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen“, sagte der Detektiv. Ich antwortete: „Sie können mich mal. Ich weiß nicht, wie Sie steif und fest behaupten können, Sie hätten gesehen, wie ich etwas eingesteckt habe.“ Zu der Streife sagte ich: „Darf ich weiterfahren?“ – „Sie kriegen noch Ihren Ausweis zurück. Einen schönen Tag noch.“ – „Vielen Dank.“

So ein Saftladen! Das war wohl für die nächste Zeit das letzte Mal, dass ich da drin war. Da gehe ich lieber woanders shoppen.

Beim Gerätetraining war alles wie immer, danach sollte ich erst eine Massage bekommen und dann ins Wasser. Okay, dieses Mal in anderer Reihenfolge. Ich erzählte Ronja erstmal von meinem Einkaufserlebnis. Sie
war völlig fassungslos: „Was echt? Ich wüsste gar nicht, was ich machen soll.“ Die Massage war, wie letztes Mal schon, sehr gut. Auch die Physiotherapie im Wasser war gut. Also es bringt auch wirklich was. Ich merke Muskeln, von denen ich gar nicht wusste, dass ich sie einsetzen kann.

Das Schwimmtraining mit dem Verein war dieses Mal eher nicht so spitze. Tatjana hat eine neue Kollegin, die auch Nadine heißt, und alles besser weiß. Die beiden können sich überhaupt nicht leiden, hatte man den Eindruck. Allerdings macht Tatjana das Training sonst immer supergut und lässt sich von Nadine nicht die Butter vom Brot nehmen. Tatjana wollte eine Übung machen und Nadine sagt einfach: „Ich würde gerne etwas anderes machen.“ Hallo? Was für ein Durcheinander! Dann musste sie ständig das Gegenteil von dem machen, was Tatjana angesagt hatte. Ich bin gespannt, wie lange das so weiter geht.

Hinterher wollten wir eigentlich mit einigen Leuten (dieses Mal mit allen Leuten) in den heißen Pool, der war aber geschlossen. Also gingen wir zusammen in das Kinderbecken. Das war zwar nur 60 Zentimeter tief, aber genauso warm. Im Kinderbecken war auch eine große Höhle, in der es regnete. Die Höhle war ziemlich groß, dreißig Leute hätten wohl locker reingepasst, und unter der Decke waren so Wassersprüher wie bei einer Sprinkleranlage. Der feine Nieselregen war aber eher unangenehm, so dass ich da lieber wieder raus wollte. Als dann Jan noch sagte: „Das ist Beckenwasser, was da umgewälzt und nach oben gepumpt wird, kein Frischwasser“, erst recht. Igitt!

Schade. Gemeinsame Knutsch- und Fummelstunde musste leider ausfallen. Dafür sehen wir uns aber am nächsten Wochenende!

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