Heute war wieder Schulschwimmen mit Uschi angesagt. Wissend, dass es vermutlich wieder endlose Diskussionen mit dem Personal über die Behindertendusche gibt, habe ich mich wieder zu Hause bereits so weit präpariert, dass ich nur noch ein paar Klamotten ausziehen und ins Wasser springen muss, aber dennoch wollte ich unbedingt nochmal dieses Thema ansprechen.
Man holte mir sogar extra den Chef des Hauses. Es gäbe einen Vertrag mit der Stadt, nach dem die Schwimmgruppen in den Schulen uneingeschränkten Zugriff auf die rollstuhlgerechten Einrichtungen der Schwimmhalle haben müssten. Uneingeschränkt hieße, dass diese Einrichtungen während des Schulschwimmens für den üblichen Besucher gesperrt seien. Es soll halt nicht passieren, dass behinderte Schüler erstmal eine halbe Stunde warten müssten, bevor irgendwelche Omas die Behindertenumkleide verlassen, und damit jede Woche eine Ausrede hätten,
um nicht am Schwimmunterricht teilzunehmen. Das kann ich ja auch irgendwie verstehen.
Ich versuchte ihm dann zu erklären, dass in der Zeit, in der ich schwimme, kein weiterer behinderter Schüler am Schulschwimmen teilnehme.
Vielmehr sei ich eine behinderte Schülerin einer Schulschwimmgruppe, würde lediglich deshalb privat zahlen, weil ein Attest besagt, dass ich nicht offiziell am Schulschwimmen teilnehmen soll, sondern allenfalls privat. Dass ich zu dem Kurs gehöre und dass ich daran teilnehme, könne ihm meine Sportlehrerin bestätigen. Ich fragte, ob man sich nicht darauf
einigen könne, dass ich die behindertengerechten Einrichtungen nutze, solange kein anderer Bedarf hat. Damit meine ich: Sobald ein Lehrer sagt, dass sie das brauchen, räume ich sofort das Feld.
Nein, das ginge einfach nicht. Wenn ich geschlossen mit der Schulklasse und ohne Eintrittskarte reingehen würde, wäre das kein Problem, so sei das nicht möglich. Und auch der vorgeschlagene Kompromiss sei nicht machbar. Wenn sich nämlich überraschend herausstellt, dass in der nächsten Woche eine der drei Schulen einen behinderten Schüler mitbringt, sei die Kabine bereits belegt, weil man erst hinterher mit mir sprechen könnte. Man könnte mich dann ja nicht nackt auf den Flur scheuchen. Gleichzeitig müsste er dann aber seinen Vorgesetzten erklären, warum er es mir erlaubt hätte. Das wolle er einfach nicht. Und damit ist die Diskussion beendet – und er möchte auch
nicht, dass ich nach dem Schwimmen dort dusche. Entweder komme ich als normaler Badegast damit klar, dass die behindertengerechten Einrichtungen nicht zur Verfügung stünden (ich solle es so betrachten, als wären sie gar nicht da), oder ich könne eben nicht schwimmen.
Uschi sagt, dass auch sie keine Chance sehe, da sie nicht Chefin in der Schwimmhalle sei und der tatsächliche Chef der Schwimmhalle nicht mit sich reden ließe. Nun wäre da natürlich noch die Idee, bei meinem Leistungs- und Rententräger anzurufen und zu fragen, ob es nicht eine Chance gibt, den Schwimmunterricht aus der Berechnung der Stunden komplett herauszunehmen, denn das ist ja eigentlich keine zusätzliche Arbeitsbelastung, sondern eher Entspannung. Aber Frank meinte, ich sollte bloß die Finger davon lassen. Das würde keinen Erfolg haben und man wecke damit nur schlafende Hunde. Am Ende käme irgendein anderer Bürokrat auf die Idee und wertet meine privat organisierte und privat bezahlte Schwimmstunde (so, wie es jetzt ist) als Schulunterricht und mache mir Probleme.
Frank rät mir eher dazu, herauszufinden, ob diese Schwimmhallen-Unternehmen von der Stadt öffentliche Mittel bekommt oder bekommen hat. Einerseits dafür, dass es für die Hamburger Bürger eine öffentliche Einrichtung (Sportstätte, Freizeitbad) betreibt, andererseits für den behindertengerechten Aus- oder Umbau. Die Stelle, die solche Mittel bewilligt, hat an solchen Schilderungen in der Regel ein Interesse. Frank bezweifelt, dass die wissen, dass die Einrichtung nur außerhalb von Schul- (und womöglich Vereins-) Schwimmen rollstuhlgerecht ist. Die Senatsbeauftragte für die Belange behinderter Menschen könnte hier sicherlich weiterhelfen. Man müsse nur aufpassen, dass der Schuss nicht nach hinten losgehe: Immerhin hat man mir vor Betreten des Bades deutlich gesagt, dass die Einrichtungen nicht zur Verfügung stehen. Das darf also eindeutig weder mein Vorwurf noch deren Ausrede sein.
Vorerst bleibt es aber auch in und nach Woche 2 dabei: Die einzige Schülerin im Rollstuhl zieht sich auf dem Gang um, während die rollstuhlgerechte Umkleidekabine mit rollstuhlgerechter Dusche und rollstuhlgerechtem WC aus bürokratischen Gründen leer stehen muss. In Einzel- oder Gruppenumkleidekabinen komme ich nicht rein, da die Türen zu schmal sind, in den Duschraum komme ich zwar, könnte mich dort aber nur auf dem Fußboden sitzend duschen, sozusagen Hand-in-Hand mit den Fußpilzen, und in den Toilettenraum komme ich ebenfalls, nicht aber in die einzelnen Kabinen.
Ich bin mal gespannt, wann sich der erste darüber aufregt, dass ich quasi ungeduscht ins Becken springe. „Quasi“, denn eine Stunde davor dusche ich ja zu Hause. Schön wäre allerdings, auch nach dem Schwimmen die Chlorbrühe abwaschen und nicht nur abtrocknen zu können. Aber vermutlich hat die Behinderte einfach mal wieder zu hohe Ansprüche. Soll sie sich doch freuen, dass sie überhaupt in die Halle darf und mitschwimmen kann. Ist ja schließlich nicht selbstverständlich.
Es ist mal wieder ein typisches Beispiel für eine vermeidbare Barriere. Kein behinderter Mensch, der zumindest die Hälfte seiner Tassen im Schrank hat, wird verlangen, unsinnig viel Geld für den barrierefreien Ausbau alter Gebäude oder andere unverhältnismäßige Maßnahmen auszugeben. Ich habe kein Problem, einen Lastenaufzug oder einen Lieferanteneingang zu benutzen, mich auf der Straße vom Apotheker bedienen zu lassen oder einen Umweg in Kauf zu nehmen, weil in eine vor 100 Jahren erbaute denkmalgeschützte U-Bahn-Station kein Aufzug eingebaut werden kann. Aber so ein kompromissloser Bürokratismus kotzt mich an.