„Wie sollten sich deiner Meinung nach die Fußgänger gegenüber den Rollis verhalten? Wie soll man den Spagat zwischen aufdringlichem Betütteln und blankem Ignorieren machen?“
Ja, es ist mal wieder Zeit, Leserbriefe zu beantworten. Nein, ich möchte nicht überheblich wirken. Aber bei 30.000 Besuchern bleibt schonmal der eine oder andere Kommentar hängen (die ich auch immer sehr gerne lese, auch wenn ich nicht immer alles nochmal kommentiere) – und auch die eine oder andere Zuschrift per Mail. Manches beantworte ich direkt, manches möchte ich auch nicht beantworten, manchmal fehlt mir auch die Zeit, manches ist mir zu intim. Auf wieder anderes weiß ich vielleicht auch gar keine Antwort. Oder ich freue mich einfach nur drüber, dass mein Blog auf manche Menschen eine positive Wirkung hat (was mir schon sehr oft geschrieben worden ist – eine Motivation, immer weiter zu schreiben).
Um die eingangs gestellte Frage aus meiner Sicht zu beantworten, sollte man sich vielleicht vergegenwärtigen, dass es zwischen Aufdringlichkeit und Ignoranz noch viele andere Abstufungen gibt. Ich möchte nicht als Behinderte behandelt werden, sondern als Mensch. Wenn es also einen Punkt gibt, an den der Fußgänger anknüpft, sollte er sich erstmal fragen, ob er hier einen Menschen ansprechen möchte oder einen Behinderten. Möchte der Fußgänger einen Behinderten ansprechen, sollte er es lieber gleich vergessen. Das geht meistens schief.
Einem wildfremden Menschen erzählst du auch nicht, dass du schonmal sechs Wochen in einem Rollstuhl sitzen musstest, weil du einen Bandscheibenschaden hattest oder ein Gipsbein. Auch nicht, dass du bei einem Unfall fast schonmal eine Querschnittlähmung bekommen hättest und auch nicht, dass dein Opa im Krieg beide Beine verloren und deswegen in einem Rollstuhl gesessen hat. Ich will es auch nicht hören. Ich komme mir dann immer vor wie dein Psychiater.
Wenn es so aussieht, als wenn ich Hilfe brauche, sieht es meistens nur so aus, weil dir das, was ich da gerade tue oder vorhabe, unbekannt ist oder unvorstellbar erscheint. Wenn ich Hilfe brauche, frage ich dich. Ich nehme Blickkontakt zu dir auf und schaue dir in deine Augen. Ich erkenne an deinem Blick sofort, ob ich dich ansprechen möchte oder nicht und ob du mir helfen wirst oder nicht. Oft genug habe ich Hilfe benötigt und oft genug habe ich Menschen vergeblich angesprochen. Es ist
wie beim Autofahren: Irgendwann weiß man, dass man gleich übersehen wird, dass der Nebenmann gleich die Fahrspur wechselt oder ähnliches. Genauso weiß ich, ob ich dich ansprechen kann oder lieber nicht. Also vertraue einfach darauf, dass ich im Alltag alleine klar komme und hilf mir, wenn ich dich um Hilfe bitte.
Ich finde es jedoch, das nur nebenbei noch bemerkt, 1000 Mal besser, wenn jemand fragt, bevor er zupackt. Gerade beim Überfahren des Zwischenraums zwischen Bahnsteig und S-Bahn kann es fatal sein, wenn mich jemand einfach anfasst. Wenn ich mit den Vorderrädern des Rollstuhls mit Schwung zwischen Bahnsteig und Zug gerate, passiert nichts wirklich schlimmes – aber der Rollstuhl bleibt dort hängen und ich falle mit dem Kopf voraus in die Bahn. Das passiert nicht, wenn ich die Vorderräder vorher anhebe. Das geht aber nicht, wenn in dem Moment jemand unerwartet oder ungefragt von hinten schiebt.
Insgesamt möchte ich sagen: Ich möchte keine Aufdringlichkeit. Aber auch keine blanke Ignoranz. Und keinen Spagat. Ich möchte lediglich auf meine freundliche Bitte eine freundliche und ehrliche Antwort.