Wegen Überfüllung entlassen

Seit heute nachmittag bin ich wieder zu Hause. Eigentlich habe ich noch mit mindestens einer weiteren Woche Klinikaufenthalt gerechnet und geplant war es auch anders, aber ich denke, unter den möglichen Alternativen ist es die beste.

Es begann damit, dass heute morgen gegen 8.50 Uhr der Rettungshubschrauber (in der Querschnittszene auch als „Schaschlikbomber“ bezeichnet) auf seinem Landeplatz rund 200 Meter von meinem Bett entfernt landete. Das macht der zwar rund zehn Mal pro Tag, und den Lärm, der dabei entsteht, hört man irgendwann nicht mehr – aber diese „Lieferung“ kam von einer Hamburger Kupferhütte und brachte einen Patienten mit schwersten Brandverletzungen.

Eine Stunde später hieß es, dass ich mein Bett räumen müsste. Nicht, weil das Brandopfer dort rein sollte, sondern weil von der Station der Schwerbrandverletzten der Zwölfte von Zwölfen in dieses Bett sollte, damit das erste Bett für den Typen aus dem Hubschrauber frei wird. Und da ich ohnehin an letzter Stelle stand, was diese Luftbetten anging, war
ich nun diejenige, die eine Woche früher als geplant auf einem Sonntag ihr Bett räumen musste, damit die (schätzungsweise) 20 Leute, die außer mir in solchen Betten lagen, ihr Bett behalten durften.

Zuerst hieß es, ich würde in eine andere Hamburger Klinik verlegt werden, in der es auch solche Betten gibt. Dann wusste man, dass es dort
keine freien Betten gab. Dann wollte man mich nach in die Unikliniken nach Lübeck und nach Kiel verlegen, dann in den Friederikenstift nach Hannover. Dort waren jedoch auch nirgendwo freie Spezialbetten. Dann sagte der Arzt, dass es auch möglich wäre, mich in ein Bett zu verlegen,
das eine spezielle Matratze habe, die ein Wundliegen von ohnehin geschädigten Hautpartien zwar nicht annähernd so gut verhindere wie dieses Luftkissenbett, aber zusammen mit ständiger Umlagerung wäre das zumindest „verantwortbar“. Man kümmere sich.

Dann wurde ich auf eine andere Station verlegt, wo man ein solches „anderes“ Bett hatte. Das war zwar nicht mehr angewärmt, aber dafür auch
nicht mehr so laut. Bei dieser Matratze liegt man auf Tausenden zehn Zentimeter hohen luftgefüllten und miteinander verbundenen Noppen, die sich exakt an den Körper anpassen und nicht mehr permanent brummen, sondern nur noch beim Umdrehen quietschen und zischen. Allerdings war ich die fünfte Person in einem Vierbettzimmer. Wenn jemand der vier anderen Leute aus dem Raum musste, mussten die Betten im Raum hin und her geschoben werden. Und irgendeiner musste ständig raus.

Dann hieß es, man würde sich darum kümmern, dass ich eine solche Matratze nach Hause bekäme. Wenn ich darauf achte, dass ich mich wirklich alle zwei Stunden drehe und sofort wiederkomme, wenn es schlechter werden würde, könnte man es verantworten, mich zu entlassen. Nichts lieber als das. Ich sprach das mit meiner WG ab. Und gegen 16.30 Uhr kam heute ein Typ aus Rendsburg, der diese Matratze anlieferte. Kurz
danach wurde ich dann mit einem Krankenwagen von einem Fahrer und einem
übergewichtigen Sanitäter, dessen nackter Bauch zwischen weißem Hemd und Hose hervorschaute, nach Hause gebracht.

Nun soll ich im Bett bleiben, mich alle zwei Stunden drehen, um die verbrühten Stellen zu entlasten (die allerdings schon viel besser aussehen als vor einer Woche) und darf ab Mittwoch für eine halbe Stunde
aufstehen. Das soll dann alle drei Tage um eine halbe Stunde erhöht werden. Die nächsten 10 Tage tägliche Kontrolle durch den Hausarzt – ich
muss erstmal rausfinden, ob meine Hausärztin überhaupt hierher fährt, da sie ja auf der anderen Seite von Hamburg ihre Praxis hat. Da muss ich
morgen mal telefonieren. An Schule ist in den nächsten vier Wochen erstmal nicht zu denken. Schöne Scheiße… aber wenigstens bin ich wieder in meinen eigenen vier Wänden und kann ausschlafen. Auch wenn alle zwei Stunden wecken und neu lagern bestimmt nicht entspannt ist.

Die Leutis aus der WG waren jedenfalls alle sehr lieb zu mir. Die haben nicht nur die Matratze angenommen und sich mit dem Typen von diesem Notdienst aus Rendsburg abgekaspert, sondern auch schon mein Bett
bezogen, mir hier alles mögliche ans Bett gebracht, Obst, Abendessen – auch wenn im Krankenhaus alle sehr nett waren, vergleichen kann man es natürlich nicht.

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