Es ist Jana, die sich aktuell sehr für den frei gewordenen WG-Platz bei uns interessiert. Seit Lina und Liam, wie hier
schon berichtet, quasi „Hals über Kopf“ ausgezogen sind, würde sie, da sie sich mit den verbliebenen vier Leuten sehr gut versteht, gerne bei uns einziehen. Ich kenne sie jetzt seit rund einem Dreivierteljahr, Sofie und Frank kennen sie schon etwas länger. Sie wohnt jetzt in einer Wohnung, die sie eher durch Zufall bekommen hat – eine an Muskelschwund erkrankte Tochter ihres Vermieters ist verstorben, woraufhin er diese Wohnung an Jana vermietet hatte.
Zuerst meinte er, er würde mit der Vermietung kein Geld verdienen wollen, sondern er freue sich, dass er die komplett rollstuhlgerechte Wohnung zweckmäßig vermieten könne, doch dann wollte er plötzlich 50% mehr Miete. Da das ja nicht so ohne weiteres geht, schließlich gibt es ja so etwas wie Gesetze, hat Jana das abgelehnt. Seitdem macht er ihr nur noch Schwierigkeiten. Sie ist ständig in Aufregung, weil er wieder irgendetwas ausheckt. Beweisen kann sie natürlich nie, dass der Vermieter dahinter steckt, aber in letzter Zeit fällt in ihrer Wohnung unnatürlich oft der Strom aus, so dass der AB nicht geht, der Gefrierschrank auftaut und ähnliche Scherze. Komisch ist nur, dass der Strom immer einige Minuten, bevor sie wiedergekommt, wieder geht. Das sieht sie an einem digitalen Wecker, der in dem Moment bei 0.00 Uhr anfängt zu zählen und blinkend die Minuten anzeigt, die vergangen sind, seit wieder Strom da ist. Und das sind meistens einstellige Zahlen…
Mal ist ihr Auto eingesaut, mal ist ihr Handbike, das im Flur steht, ohne Luft, mal uriniert einer in ihren Briefkasten, mal sind die Pflanzen, die vor ihrer Tür stehen, kaputtgebrochen – irgendwas ist immer. Nun will sie, wie gesagt, bei uns einziehen. Von mir aus darf sie das herzlich gerne, und wenn sie das Zimmer, in dem sonst zwei Personen wohnen, alleine bezahlen kann, wird sich auch unser Vermieter nicht querstellen. Allerdings dürfen noch die Behörden mitsprechen.
Ja, ganz richtig gelesen, sie muss das Bezirksamt um Erlaubnis fragen. Weil es sich um rollstuhlgerechten Wohnraum handelt und dieser in Hamburg Mangelware ist, darf der nur mit Zustimmung der Behörde vergeben werden. Vorher muss Jana nachweisen, dass sie wirklich diesen Wohnraum benötigt.
Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass ein Vermieter, der öffentliche Mittel bekommen hat, um Wohnungen rollstuhlgerecht zu machen, nur in Rücksprache mit dieser Behörde an Rollstuhlfahrer vermieten darf. Dass man so also sicherstellt, dass nicht irgendwer in eine teuer umgebaute Wohnung zieht, sondern derjenige, der auch wirklich diese Umbauten braucht (wie unterfahrbare Spüle und Herd, ebenerdige Dusche, breitere Türen, Aufzug, …). Kurios wird es aber, wenn es der Behörde nicht reicht, den amtlichen Schwerbehindertenausweis vorgelegt zu bekommen, in dem ja steht, ob jemand Rollstuhlfahrer ist. Nein, das reicht nicht, der Hausarzt muss das auch noch einmal schriftlich bestätigen. Das Attest geht dann zum Gesundheitsamt, das lädt zu einer amtsärztlichen Untersuchung (sofern man nicht nach Aktenlage beurteilen kann) und bestätigt das alles. Und dann muss man noch glaubhaft machen, warum man in seiner bisherigen Wohnung nicht mehr weiter wohnen kann. Und dafür zählen ausschließlich medizinische Gründe.
Bei Jana ist es so, dass die Hausärztin (zufällig dieselbe wie bei mir) sehr ausführlich geschrieben hat, dass Jana in einer Wohngemeinschaft mit anderen behinderten Menschen, die sich gegenseitig unterstützen, sehr viel besser aufgehoben wäre. Das reicht dem Amt, sagt der Sachbearbeiter. Und kassiert 17 Euro Gebührenpauschale plus 74 Euro für die ärztliche Stellungnahme des Gesundheitsamtes. Zusammen mit den 15 Euro Attestgebühren beim Hausarzt hat Jana bereits über 100 Euro auf den Tisch legen müssen, um überhaupt erstmal die Berechtigung zu bekommen, in eine rollstuhlgerechte Wohnung einziehen zu dürfen.
Wäre ausreichend rollstuhlgerechter Wohnraum in Hamburg vorhanden, wären nicht nur dessen Preise angemessen, sondern dann wäre auch dieses Verwaltungsverfahren überflüssig. Doch bis dahin zahlen Rollstuhlfahrer, die in Hamburg eine Wohnung suchen, doppelt. Die hohe Miete und das Verwaltungsverfahren. Naja, irgendeiner muss ja schließlich dafür aufkommen, dass man in einer Welt voller Barrieren lebt.