So eine Scheiße! Im wahrsten Sinne des Wortes. Wenn ein Blogeintrag
schon so beginnt, sollten sich sanfte Gemüter gewarnt fühlen.
Wie immer, mit schönen Grüßen von Herrn Murphy, ging es am Freitag abends los: Ich bekam Bauchschmerzen, die ich sonst höchstens Mal im Zusammenhang mit meiner Regel bekomme, und zwar so heftig, dass ich mich
am liebsten hingelegt hätte. Da meine Regel noch nicht wieder dran war und ich vor allem auch seit Einnahme der Pille keine Regelschmerzen mehr
hatte (vorher auch nur selten, aber seitdem noch gar nicht wieder), wurde mir ziemlich schnell klar, dass das etwas anderes sein musste. Ich
saß gerade mit einigen „wichtigen“ Leuten aus dem Sportverein beim Essen in einem Restaurant, hatte vor einer Stunde einen Fleischspieß, grüne Bohnen und Kartoffeln gegessen und muss wohl irgendetwas nicht vertragen haben. Vermute ich.
Ein rolligerechtes Klo gab es dort nicht, ich wollte nur noch möglichst schnell nach Hause. Also verabschiedete ich mich mit den Worten, dass es mir nicht so gut ginge. Eine ältere Frau, die zu der Runde gehörte, Fußgängerin, wollte mich noch mit dem Auto nach Hause fahren, nachdem sie hörte, dass ich mit dem Handbike gekommen war, aber das wollte ich partout nicht. Die 7 Kilometer sind mit dem Handbike (nein, nicht das Rennbike, mit dem wir trainieren, sondern ein Vorspannbike für den Alltagsrolli) eigentlich ein Klacks. Aber mit Bauchschmerzen …
War das eine Tortur! Ich hab echt gelitten. Nein, es hat mich nicht umgebracht und es gibt wirklich schlimmeres, aber es war echt eine Quälerei. Ein paar Mal bin ich stehen geblieben und habe die Hände auf den Bauch gehalten, da es so irre weh tat. Ich drücke mich seit vier Absätzen darum, zu schreiben, dass ich zuerst noch überlegt habe, mich eine Stunde lang auf irgendein öffentliches Klo zu setzen, wobei ich heute froh bin, es nicht getan zu haben. Von dessen Sauberkeit mal abgesehen, hätte es nichts gebracht. Entsprechend froh war ich, an der frischen Luft zu radeln und nicht in einem Auto oder Bus zu sitzen. Nein, wirklich nicht appetitlich. Aber mein Blog ist ja bekannt für unverblümte Darstellungen.
Der Weg ging zu Hause direkt unter die Dusche. Zum Glück ist nichts ausgelaufen, sondern wirklich alles in der Windel geblieben. Meine schlimmsten Befürchtungen haben sich nicht bestätigt. Zwei Mülltüten, eine Rolle Papiertücher, Einmalhandschuhe, warmes Wasser – so eine Querschnittlähmung kann echt eklig sein.
Von der Dusche bin ich direkt aufs Klo und von dort die nächste Stunde nicht mehr runter gekommen. Ich war alleine zu Hause, die anderen
waren alle unterwegs. Als ich endlich dachte, es sei vorbei, lag ich kaum im Bett, als es wieder los ging. Um es kurz zu machen: Als Querschnitt sollte man möglichst keine Medikamente nehmen, die die Darmtätigkeit verlangsamen (Loperamid etc.). So etwas kann schnell zu heftigen Vestopfungen führen. Aber ohne hatte das hier absolut keinen Sinn mehr.
Morgens um fünf saß ich immer noch auf dem Klo (woher kam das alles?!), hatte die Höchstdosis Loperamid erreicht und war so erschöpft,
dass ich mich über den Haltegriff lehnte und auf der Stelle hätte einschlafen können. Am liebsten hätte ich mir eine Pampers angezogen und
mich zwei Stunden schlafen gelegt, aber das hätte mir meine Haut mit Sicherheit richtig übel genommen. Also döste ich auf dem Klo vor mich hin.
Um halb sieben startete ich noch einen Versuch, war aber nach einer Viertelstunde wieder unter der Dusche und anschließend wieder auf dem Klo. Um halb acht rief ich meine Hausärztin auf dem Handy an. Sie sagte,
ich könne dort jederzeit anrufen; wenn sie schläft oder nicht erreichbar ist, ist es lautlos gestellt. Sie ging ran. Das war so eine Erleichterung, dass ich ihr so richtig schön peinlich etwas vorgeheult habe. Ich war so erschöpft und fertig nach der Nacht … naja.
Um fünf Minuten vor Acht klingelte sie an der Tür. Hausbesuch am Samstagmorgen. Wie unangenehm. Ich sollte mich auf mein Bett auf eine Zelltoffunterlage legen und als erstes tastete und hörte sie nicht etwa meinen Bauch ab, sondern maß meinen Blutdruck. Noch während ich da lag, ging das wieder los. An Peinlichkeit kaum zu überbieten, aber was soll man machen, wenn man das nicht kontrollieren kann. Obwohl ich zwischendurch literweise Wasser und Tee getrunken habe, um nicht völlig zu dehydrieren, meinte sie, ich hätte einen extremen Flüssigkeitsmangel.
Ob ich merken würde, dass mein Plus rast. Ich war halt aufgeregt!?
Sie legte mir eine Infusion, und nicht nur, dass sie die Tropfgeschwindigkeit auf volle Pulle stellte, sondern sie klettete zusätzlich noch die Blutdruckmanschette um den Beutel und pumpte sie auf, um mehr Druck auf die Infusion zu erzeugen. Ich bekam auch irgendwelche Medikamente über die Kanüle gespritzt. Dann sagte sie, sie würde mich gerne in ein Krankenhaus einweisen, für ein bis zwei Nächte. Das sei ihr zu heikel. Sie ließ überhaupt nicht zu, dass ich widersprach, sondern rief gleich über ihr Handy einen Krankenwagen. Das hatte mir gerade noch gefehlt. Sie sagte, mein Kreislauf mache ihr mehr Sorgen als der Zirkus in meinem Bauch. Das sei „eklig, aber harmlos“.
Keine zehn Minuten später standen zwei Leute mit allen möglichen Geräten in der Hand und Rucksäcken auf dem Rücken in der Tür. Und dann nahm das Schicksal seinen Lauf: Herr Wichtig und Herr Oberwichtig mussten sich mit meiner Hausärztin duellieren. Als sie sich kurz vorstellte, meinte der eine von ihnen: „Ah, engagiert am Samstagmorgen.“
In ohrenbetäubender Lautstärke (bin ich eine alte, schwerhörige Oma?) sagte er: „Dann messen wir mal Ihren Blutdruck, nä?!“ Dann schaute er auf die Infusion, die zweite lief gerade durch, auch mit Blutdruckmanschette, aber wohl nicht mehr so schnell wie die erste, und sagte: „Was ist das denn hier für eine abenteuerliche Konstruktion? Das muss ich mal eben abmachen, sonst kann ich keinen Blutdruck messen.“
Woraufhin meine Ärztin sagte: „Lassen Sie das bitte dran, die Patientin braucht dringend Flüssigkeit. Blutdruck ist 70 zu 50, Puls über 150. Ich schlage vor, Sie holen die Trage und dann fahren wir gemeinsam ins Krankenhaus.“ – Antwort des jüngeren Sanitäters, ich schätze, Anfang 20: „Nee, junge Frau, die Organisation des Rettungsdienstes liegt bei uns. Sie sind keine ausgebildete Notärztin, wenn mich nicht alles täuscht. Oder?“ – Ich fand es völlig daneben und es ist echt nicht das erste Mal, dass ich solche Erfahrungen mit dem Rettungsdienst mache. Meine Hausärztin murmelte nur: „Ich glaube, Sie haben nicht alle Tassen im Schrank.“ – Ich musste grinsen. Dann wandte sie sich an den anderen der beiden Männer und sagte: „Ich schlage vor, das EKG anzuschließen. Und die Patientin sollte zeitnah Sauerstoff bekommen.“ – Der antwortete: „Ja, machen wir gleich im Wagen. Erstmal Blutdruck messen.“
Woraufhin meine Hausärztin zum Handy griff und erneut anrief: „Doch, die sind soeben eingetroffen. Die sind allerdings absolut unkooperativ und wollten gerade meine Infusion ziehen. Die Patientin hat einen ausgeprägten Volumenmangel. Schicken Sie bitte den Notarzt nach.“ – Der Sanitäter fuhr sie an: „Was soll das denn jetzt?“ – „Sie haben es
nicht im Griff. Ich will hier keine Diskussionen vor der Patientin. Der
Puls ist über 150 und der Blutdruck 70 zu 50.“ Sie deutete auf meinen Hals. Keine Ahnung, was man da sah. „Sehen Sie das? Das müsste reichen. Und jetzt geben Sie mal Gas, damit da das EKG rankommt und fahren Sie sich wieder runter. Sie sind professioneller Rettungsdienst.“
Ich wurde auf die Trage verlegt, mitsamt meiner Zellstoffunterlage, zugedeckt, zum Auto geschoben. Es war arschkalt draußen. Hinten durch die Tür eingeladen, die letzten Zentimeter gingen sogar elektrisch, die Infusion mit der Blutdruckmanschette lag auf meinem Bauch und die Manschette hatten die natürlich abgefummelt. Irgendwie war mir ganz recht, dass da noch ein Arzt hinzu kam, ich war sehr verunsichert. Mir ging es relativ gut, aber ich war mir auch nicht sicher, wie stabil mein
Kreislauf war. Ich hatte ständig das Bedürfnis, mich zu räkeln und zu strecken, und immer wenn ich das tat, sah ich Sterne. Im Liegen. Irgendwas war da wirklich nicht in Ordnung. Gerade als der Sanitäter eine Klappe in der Decke geöffnet hatte, um dort meine Infusion wieder anzuhängen, ging die Seitentür auf, ein Typ kam rein, stellte sich vor, er käme vom AK Altona, was mir fehlen würde.
Ich erzählte ihm von meinem Querschnitt, von meiner Nacht auf dem Klo
und dass ich heute morgen meine Hausärztin angerufen hätte. Die stand draußen. Er drehte sich zu ihr um: „Wie kommen Sie auf einen Schock?“ – Ich war irritiert. Schock?! Sie warf mit einigen Fachwörtern um sich, die ich nicht verstand. Dann schaute er die Sanitäter an: „Und wieso dann noch kein EKG dran? Junge, Junge.“ Innerhalb von 30 Sekunden war ich komplett verkabelt. Bekam einen Sauerstoffschlauch unter die Nase. Meine Hausärztin lehnte in der Tür und schaute sich das kopfschüttelnd an. Der Arzt fragte mich: „Geht es Ihnen schon besser? Bekommen Sie jetzt besser Luft?“ – Ich hatte nie Probleme, Luft zu bekommen, aber egal. Ich nickte einfach. Und pupste schön die Liege voll.
Die Fahrt ging mit Lalülala direkt in die Notaufnahme des AK Altona. Ich wurde schön durchgeschaukelt. Meine Hausärztin kam nicht mit. Der Arzt saß mir gegenüber und schrieb. Als wir endlich ankamen, wurde ich in einen Raum geschoben, auf eine andere Liege gehoben, bekam noch eine Infusion. Ich ließ das alles nur noch mit mir machen. Hin und wieder fragten sie was, dann machten sie mich sauber, dann deckten sie mich zu,
dann wieder auf, dann zapften sie mir Blut ab, dann sollte ich irgendwas bitteres in einem Schnapsglas trinken und irgendwann bin ich eingeschlafen. Als ich aufwachte, war es später Nachmittag. Man hatte mir einen Dauerkatheter gelegt, ich lag auf einer Zellstoffunterlage, die aber sauber war, ich hatte ein Krankenhaus-Nachthemd an und mehr weiß ich nicht. Dann habe ich noch einmal geschlafen bis morgens um fünf.
Seit heute morgen bin ich wieder zu Hause. Man tippt auf eine allergische Reaktion auf die grünen Bohnen. Der Stuhl sei untersucht worden, das Blut auch, es gab keine Anzeichen auf eine Lebensmittelvergiftung oder irgendwelche Keime oder sonstwas, was da nicht reingehört. Absolut merkwürdig. Meine Hausärztin habe ich vorhin angerufen, sie sagte, ich soll mich nächstes Mal vorher ins Krankenhaus fahren lassen. Und erstmal auf grüne Bohnen verzichten. Im Moment habe ich noch sehr viel Luft im Bauch, aber alles andere ist wieder normal. Ich muss nun schauen, wann sich mein Darm wieder auf einen normalen Rhythmus einstellt. Das kann einige Tage bis Wochen dauern. So ein Mist,
ich hatte das so gut im Griff.