Dass ich im Moment so wenig schreibe, liegt nicht etwa daran, dass ich nicht mehr schreiben mag. Im Gegenteil. Ich mag sehr gerne schreiben, ich möchte auch sehr gerne schreiben, aber ich kann nicht. Es ist ein technisches Problem – und einfach nur zum Heulen. Aber der Reihe nach.
Aus der alten Wohnung sind wir inzwischen komplett raus. Es hat sich ein Nachmieter gefunden, der die Wohnung so übernehmen wollte, wie sie war und für etliches noch Abstand zahlen wollte. Ohne dass wir danach gefragt haben. Da um den Monatsersten der Aufzug wieder funktionierte, sind wir dann mit der gesamten alten WG einigermaßen Hals über Kopf ausgezogen, haben alle Sachen rübertransportiert, waren pausenlos beschäftigt. Inzwischen ist der Aufzug wieder defekt, ich bin bei einer Freundin untergekommen, ich möchte es nicht kommentieren. Angeblich soll morgen das Ersatzteil beschafft sein.
Jedenfalls gibt es in meinem neuen Zimmer noch kein Internet. Das soll bis Ende August bereit stehen. Gleichzeitig gibt es dort aber weder Handyempfang (wegen der dicken Mauern) und somit auch kein mobiles Internet, noch funktionierendes Wireless LAN noch sonst irgendwas. Kabelanschluss funktioniert auch noch nicht, das bedeutet: Ich bin zur Zeit völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Kein Telefon, kein Internet, kein Fernsehen – und rein und raus komme ich zur Zeit auch nicht.
Was gute Voraussetzungen sind, denn seit 25. Juli mache ich offiziell ein Pflegepraktikum in einer Wohneinrichtigung für Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen. Aber dazu schreibe ich noch einen eigenen Text. Jedenfalls muss ich jetzt täglich sicherstellen, dass ich überhaupt dorthin gelange. Und das geht am besten, indem ich überhaupt nicht zu Hause schlafe. Sagenhafte Zustände sind das.
Aber erstmal muss ich noch unbedingt darüber schreiben, dass ich Markus abgeschossen habe. Genau 14 Tage nach unserem Streit habe ich Schluss gemacht. Nicht, weil er an dem Wochenende zu viele Hormone hatte. Nicht, weil er eindeutig schwanzgesteuert agierte. Nicht, weil er Dinge von mir verlangte, die nicht jeder von seiner Freundin verlangt. Nicht, weil er mein „Nein“ nicht akzeptieren wollte und nicht, weil er sich wie ein kleines Kind verhalten hat. Sondern weil in einem klärenden Gespräch herauskam, dass er mir von vornherein nur die halbe Wahrheit erzählt hat. Was bedeutet, dass er auf einer Halbwahrheit (= Lüge) eine Beziehung aufgebaut hat.
Er finde Behinderungen sexy. Ja, genau diese Sorte. Er möge Frauen (ja, Plural), die unvollkommen oder eingeschränkt sind und sich dadurch von der Allgemeinheit abheben. Er hasse die Profillosigkeit, in der wir uns alltäglich bewegen. Er möge seine Umwelt nicht, in der niemand eine Persönlichkeit habe. Er finde es erotisch, wenn ich Stärke zeigen würde. Stärke zeige ich dadurch, dass ich Dinge beherrsche, die andere Frauen in meinem Alter nicht beherrschen. Rollstuhlfahren, Windeln anziehen, auf dem Arsch durch den Sand rutschen, mir ohne Beinmuskelbetätigung Schuhe anziehen, mir im Liegen eine Hose anziehen … Auf die Frage, ob die Person, die körperliche Hülle denn beliebig austauschbar seien, antwortete er zunächst mit einem „Nein“, auf weiteres Nachfragen dann aber mit einem „im Prinzip schon“, nur hätte ich ein gewisses Extra. Ganz ehrlich? Dafür bin ich mir zu schade und so wenig bin ich nicht wert, dass ich mich darauf reduzieren lassen möchte.
Ich hatte es mal befürchtet, einige Menschen haben mich gewarnt, auch schon einzelne Leser meines Blogs – nun ist es amtlich. Ich war mit jemandem zusammen, der in erster Linie meine Behinderung anziehend fand.
Es hat mir geholfen, die letzte Unsicherheit zu überwinden, ob ich mir so eine Beziehung vorstellen könnte: Ich kann es nicht. Und es war nicht so schlimm wie befürchtet – ich habe zum Schluss nicht mal geheult. Ich
hatte es irgendwie schon erwartet, es baute sich in unserem letzten Gespräch nach und nach so auf und irgendwie wurde er mir immer unsympatischer und ich war am Ende froh, dass er mir einen Grund lieferte, bei dem ich hinterher nicht bereuen würde, dass ich Schluss gemacht hatte.
Er zieht übrigens nicht bei uns ein. Er hatte nämlich noch keinen Mietvertrag unterschrieben. Was er mir auch anders erzählt hatte. Aber angeblich wusste er es noch nicht so genau und so endgültig. Frank meinte, eine Vertragsausfertigung hatte er bereits bekommen, aber er hat sie nicht zurückgeschickt. Die Reservierung des Zimmers hat Frank inzwischen storniert: Kein Raum für Amelotatisten.