Es ist noch nicht lange her, als ich einen Grundriss von unserer neuen Wohnung / unserem neuen Wohnprojekt ins Netz stellte und mit Blick auf die ständig ausfallenden Aufzüge angemerkt wurde, es sei leichtfertig, Menschen mit Behinderung in einem Haus wohnen zu lassen, aus dem sie sich bei Feuer nicht aus eigenem Antrieb retten könnten.
Das wurde bereits umfangreich diskutiert und letztlich wissen alle, die hier wohnen, worauf sie sich einlassen. Nämlich dass sie im Brandfall im Zweifel von außen gerettet werden müssen. Ob man das besser hinbekommt, weiß ich nicht. Bestimmt, wenn man nicht inmitten Hamburgs dichter Bebauung eine Wohnung sucht, wenn man nicht so viele Rollstuhlfahrer unterbringen will oder wenn das Haus ohnehin am Hang liegt. Sicherlich gibt es auch teure Möglichkeiten, irgendwelche Rampen zu realisieren, da bin ich aber überfragt. Ich weiß allerdings, dass in einer Hamburger Bildungseinrichtung, in der Rollstuhlfahrer und Gehbehinderte auf 14 Geschosse verteilt sind, eine Notrutsche im Treppenhaus eingebaut wurde, die hier bei uns auch zur Debatte stand, allerdings von der Feuerwehr als wenig effektiv abgelehnt wurde. Das Haus ist hinsichtlich des Brandschutzes als vorbildlich gelobt und fotografiert worden und direkt Gegenstand bei einer entsprechenden Fachtagung in der nächsten Woche in Frankfurt.
Warum ich davon schreibe? Weil es aktuell auch ein absolutes Negativbeispiel gibt. Ja, es ist einfach, etwas anhand krasser Beispiele zu relativeren und nein, ich bin kein Fan davon. Ich weiß noch genau, wie ich ausgerastet bin, als mir im Krankenhaus jemand sagte, ich solle mich freuen, dass ich lebe. Andererseits: Will man seinen Standort bestimmen, braucht man manchmal den Blick aus dem Fenster. Und der geht in den Hamburger Stadtteil Bergedorf, wo Anfang dieses Monats ein weiteres Wohnprojekt eröffnet worden ist: 28 Barrierefreie Wohnungen (in Hamburg herrscht enormer Bedarf) waren sofort vermietet. Unter anderem auch an vier Leute, die ich vom Sport kenne.
Dort wurden die Müllcontainer in eine Holzhütte (3×3 Meter Grundfläche) gestellt, die Holzhütte direkt an der Wand unter einer Balkonreihe befestigt und diese Holzhütte auch noch genau dort hingestellt, wo der Fluchtweg aus dem Gebäude führte. Knapp zwei Wochen ist es jetzt her, als es dort zum GAU kam: Jemand hat die Papiermülltonne in dem Holzhaus mutwillig angesteckt. Das Holzhaus brannte in wenigen Minuten lichterloh, die Flammen schlugen sofort in die darüber liegenden Wohnungen, an der wärmegedämmten Fassade hoch bis unter das Dach. Innerhalb weniger Minuten waren sämtliche Hausflure dicht verqualmt. Die Bewohner wurden im Schlaf überrascht. In den Treppenhäusern und Hausfluren gab es, genauso wie in den Wohnzimmern, in die die Flammen durch geplatzte Fensterscheiben und Balkontüren schlugen, keine Rauchmelder. Sie waren nicht vorgeschrieben. In den Treppenhäusern und Hausfluren gab es keine Brandabschnitte. Auch sie waren nicht vorgeschrieben. Ob die Holzhütte direkt an der Fassade gebaut werden durfte und direkt dort, wo der Notausgang ins Freie führt, prüfe das Bauamt zur Zeit. Fakt ist, dass sich kein Rollifahrer aus eigener Kraft retten konnte, weil es am Notausgang so heiß war, dass drei Stockwerke höher noch die Lampen an den Wänden geschmolzen sind.
Ein Drittel der Bewohner kam mit Verdacht auf Rauchgasvergiftungen ins Krankenhaus, alle anderen blieben unverletzt. Dass es keine Opfer gab, ist nur auf den schnellen Einsatz von Feuerwehr und Polizei zurückzuführen: Der erste Streifenwagen sei bereits zwei Minuten nach der ersten Alarmierung vor Ort gewesen, der erste Löschzug von der zweieinhalb Kilometer entfernten Wache kurz darauf. Die Feuerwehr bekam den Brand unter Kontrolle, bevor er unter das Dach kriechen konnte, allerdings war die Verqualmung des Gebäudes so stark, dass sämtliche Wohnungen evakuiert werden mussten. Insgesamt waren über 80 Rettungskräfte vor Ort.
Und worüber schreibt die Presse? Nicht über ein barrierefreies Wohnhaus, sondern über ein Heim für Menschen mit geistiger Behinderung. Und während das eine Blatt rätselt, ob deren Bewohner vielleicht selbst heiße Grillkohle in den Abfallkübel gefüllt haben, stellt das andere in Ermangelung eines passenden Bildes eine alte Aufnahme von einem brennenden Schweinestall dazu. Was soll uns das sagen? Die behinderten Schweine haben ihr gerade mal vier Wochen altes Haus mit Grillkohle versehentlich angezündet? Oder die Feuerwehr musste die quiekenden Ferkel aus dem brennenden Stall holen, weil sie selbst nicht ins Freie liefen? Manchmal kann man nur mit dem Kopf schütteln.
Zum Glück ist nicht mehr passiert. Aber das ganze war wohl buchstäblich eine sehr heiße Kiste. Ich bin froh, dass niemand ernsthaft verletzt wurde (oder noch schlimmer) und hoffe natürlich, dass uns hier so etwas niemals passieren wird.