Endlich wieder Internet

Endlich habe ich zu Hause wieder Internet. Heute um 16.00 Uhr konnte ich erstmals meinen PC wieder in Betrieb nehmen und bekam spontan
rund 300 Mails… Das meiste ist Müll, aber bei einigen Mails wird der eine oder andere sich schon überlegt haben, ob ich mit ihm/ihr nicht mehr schreiben möchte oder ob ich zu viel um die Ohren habe, um zu antworten. Oder ob es mir schlecht geht. – Nein, schlecht geht es mir nicht.

Mir geht es gut. Ich vermisse den Sommer (der sich vor dem Norden offenbar versteckt hat), hoffe auf ein paar schöne Tage im September, bin nach wie vor mit meinem Umzug beschäftigt (habe das aber inzwischen
so gut wie abgeschlossen) und hoffe, dass die Aufzüge weiterhin das tun, was sie inzwischen seit über einer Woche durchgehend tun: Funktionieren. Man hat einen Hardwarefehler gefunden, der zu regelmäßigen Problemen mit der Software führte, nachdem vier Figuren der
Firma einen ganzen Vormittag lang in den Schächten herumgeturnt sind. Irgendetwas hatte zu viel Spiel, weil die Feder einer Spannrolle gebrochen war – den Fehler fand man, als man alles andere ausschließen konnte und es nur noch daran liegen konnte. Dafür musste man aber alles mögliche zerlegen, so dass die Leute entsprechend begeistert waren.

Inzwischen befinde ich mich auch schon in der letzten Woche meines Praktikums, bald heißt es: Abschied nehmen. Auch wenn ich mir sicher bin, dass ich Maria das eine oder andere Mal besuchen werde, so viel Zeit wie im Moment werde ich für sie nicht mehr haben. Ich war inzwischen mit ihr Schwimmen. Nicht in einer Schwimmhalle (ich wollte erst fragen, ob ich mit ihr im Krankenhaus ins Therapiebecken darf, wenn
das mal frei ist, habe mich dann aber aus verschiedenen Gründen dagegen
entschieden), sondern draußen, zusammen mit Cathleen. Meine „Kollegen“ aus ihrer Wohngruppe hatten sehr große Bedenken, konnten sich damit aber
zuletzt nicht durchsetzen, da sich Maria beim Wohngruppenleiter einen Gesprächstermin holte und ihm erklärte, dass sie volljährig ist und nicht unter Betreuung steht. Insofern dürfe sie selbst entscheiden, ob sie draußen baden geht oder nicht – und sei es noch so absurd aus seiner
Sicht. Dem konnte er am Ende nichts entgegen setzen, er habe aber mehrmals an ihre Vernunft appelliert.

Wir waren mit ihr am Badesee, haben uns einen Tag ausgesucht, der zwar warm, aber bewölkt war, so dass nicht viele Leute vor Ort waren. Für alle Fälle hatte Cathleen ihren Neo mit, aber Maria wollte ohne ins Wasser und hat letztlich auch nicht übermäßig gefroren, obwohl das Wasser recht kalt war. Wir haben die mindestens 20 Hilfsangebote der anderen Badegäste konsequent abgelehnt, haben uns die Zeit genommen, die
wir brauchten, hatten für sie einen aufblasbaren Schwimmkragen mit, denn sie kann sich selbst nicht aufrichten oder aufrecht halten oder überhaupt irgendwas koordinieren und Cathleen und ich brauchen teilweise
beide Hände für uns selbst. Oder anders ausgedrückt: Wir mussten sie ein paar Mal für einen Moment loslassen, um mit uns selbst klar zu kommen und da wäre sie ohne Schwimmkragen abgesoffen. Aber als wir alle drin waren, konnte das Ding weg, sie hat sich entspannt auf das Wasser gelegt, ein bißchen mit den Armen herumgepaddelt, sich ziehen lassen, uns nassgespritzt, mindestens drei Liter Seewasser gesoffen und als wir wieder raus waren, kam doch tatsächlich noch die Sonne hinter den Wolken
hervor, so dass wir uns auf dem Sand trocknen lassen konnten und dann auch noch für alle drei eine Pommes und eine Currywurst besorgten. Ich glaube, ich muss nicht erwähnen, ob es ihr gefallen hat.

Als wir Maria in einem Stück, ohne Schrammen und bleibende Schäden zu
Hause ins Bett gepackt hatten, sagte ein „Kollege“ zu mir, er habe mich
am Anfang für durchgeknallt gehalten, eine Kollegin wollte mich sogar sofort rauswerfen lassen, weil ich nicht „zurechnungsfähig“ sei. Inzwischen denke man etwas anders, aber man halte das, was ich gemacht habe, für eine lobenswerte Ausnahme vom Alltag. Man müsse schon selbst eine Behinderung haben, um sich in Maria hineinversetzen zu können, glaubt er. Ich halte das für eine Ausrede, denn ich kann mich auch nicht
in sie reinversetzen. Ich kann mich bewegen (von den Beinen abgesehen),
ich kann alleine essen, ich kann alleine mit dem Rollstuhl fahren. Ich glaube sofort, dass jemand, der sonst nie mit behinderten Menschen zu tun hat, absolut überfordert wäre, wenn er mit Maria schwimmen gehen sollte. Aber wer, wie die Mitarbeiter dort, mehr als 14 Tage mit ihr zu tun gehabt hat, der muss nur wollen und sich trauen.

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