Im August hatte ich es am Rande in meinem Beitrag „Behinderte Schweine“ erwähnt: Vier Leute aus meinem Sportverein sind in ein barrierefreies Wohnhaus nach Bergedorf gezogen. Im Gegensatz zu unserem Wohnprojekt, zu dem auch das Angebot von Pflege und Assistenz gehört, handelt es sich dort um ein Mehrgenerationenhaus mit Einzelangeboten für ältere Menschen (Kartenspielen, Hausnotruf). Es sind dort auch keine Wohngruppen, sondern einzelne Wohnungen. Allerdings: Gemeinschaftsräume gibt es dort auch. Vielleicht hatte man etwas nettes im Sinn, als man das Haus baute, vielleicht wollte man auch nur eine Marktlücke schließen. Ich weiß es nicht.
Jedenfalls gibt es dort seit dem Einzug vor einem halben Jahr durchweg Ärger, weil Brandschutzauflagen nicht beachtet sein sollen, ein Brandschaden am Gebäude (bei dem Feuer wären fast einige Leute draufgegangen) seit einem halben Jahr nicht behoben wurde, diverse Baumängel noch offen sind … ob so etwas passieren kann und sollte, lasse ich mal dahingestellt. Ich finde nicht. Was mich aber mal wieder maßlos aufregt und was mich vermuten lässt, es ging eher um die Marktlücke als um ein ernsthaftes Projekt, ist ein Artikel in der örtlichen Presse, auf den ich heute über einen Link aufmerksam wurde. In dem Artikel steht mit Bezug auf eine Prüfung durch die Behörden wörtlich: „Weshalb dem Experten nicht auffiel, dass sich Rollstuhlfahrer in dem angeblich barrierefreien Bau nicht bewegen können, da es im gesamten Gebäude nur eine automatisch öffnende Tür gibt, konnte [die Sprecherin] nicht beantworten.“
Unglaublich. Und nun? Ganz einfach: „Wegen der Genehmigung des Gebäudes im sogenannten vereinfachten Prüfverfahren habe man nur begrenzte Handlungsmöglichkeiten. Der Vermieter sei verantwortlich.“ – Und: „Aufseiten der Vermieter ist man sich indessen keiner Schuld bewusst: [Das] Architekturbüro und die bauausführende Firma haben nach den geltenden baurechtlichen Bestimmungen gebaut.“
Das alles gewinnt deshalb an Brisanz, weil sich die ganzen Rollstuhlfahrer auf den Experten verlassen mussten. Grund: Es war nicht möglich, das Gebäude vor Unterzeichnung des Mietvertrages zu besichtigen. In Hamburg herrscht eine solche Knappheit bei barrierefreiem Wohnraum, dass alle Wohnungen schon Monate vor Fertigstellung komplett vermietet waren. Wer wieder ausziehen will, muss mit einer Wartezeit von mehreren Jahren rechnen. Der reinste Wahnsinn.