Es gab ein Fahrzeug, das eignete sich nur sehr schlecht für Menschen mit Behinderungen. Nicht aus technischen Gründen, im Gegenteil Platz und Funktionalität gab es genug, so dass das Auto eigentlich optimal war, insbesondere für Menschen, die im Elektrorollstuhl fahren.
Nein, das Problem war die Namensgebung und die damit verbundene schwierige Vermarktung an eben diese Zielgruppe. Die Rede ist von dem T4, wer nicht weiß, was das ist, möge bitte eine entsprechende Bildersuche bemühen. Nebenbei bemerkt: Inzwischen gibt es den T6.
Aber zurück zum T4: Die Abkürzung „T4“ steht in erster Linie für die Tiergartenstraße 4 in Berlin. Dort befand sich während des Zweiten Weltkriegs die Bürozentrale für die koordinierte Ermordung behinderter Menschen im Deutschen Reich. Mit der Absicht, im Sinne einer „Rassenhygiene“ und einer Höherzüchtung der „arischen Rasse“ unwertes Leben zu vernichten, wurden, von hier gesteuert, „Erb- und Geisteskranke, Behinderte und sozial Unerwünschte“ systematisch ermordet. Die Entscheidungen hierzu wurden nach Aktenlage von als Gutachtern eingesetzten Ärzten gefällt.
Im Jahr 1939 wurde zunächst mit der Tötung von mindestens 5.000 erbkranken und kognitiv oder körperlich beeinträchtigten Säuglingen und Kindern begonnen. Bis 1941 folgte die Ermordung von etwa 70.000 Bewohnern von Heil- und Pflegeanstalten sowie Heimen für Menschen mit Behinderung. Die betroffenen Bewohner der Einrichtungen wurden einzeln begutachtet und in eine von deutschlandweit vier Tötungsanstalten verlegt. Natürlich hat niemand vorher den Zweck der Verlegung erwähnt – offiziell wurden immer Umstrukturierungen oder die unterschiedlichen Auslastungen der Einrichtungen als Gründe vorgeschoben. Der Weg dorthin wurde verschleiert, indem die jeweiligen Menschen zunächst kurzfristig in meist staatliche psychiatrische Krankenhäuser stationär aufgenommen wurden.
Der Weitertransport zu den Tötungsanstalten erfolgte kapazitätsabhängig. Die Ermordung geschah durch Vergasung (Einsperren von bis zu 75 Personen in einem luftdichten „Duschraum“ und 20-minütige Begasung mit giftigem Kohlenmonoxid) sowie durch Vergiftung, gezielter Unterernährung und Unterkühlung sowie Misshandlungen und Hinrichtungen. Die Leichen wurden im Regelfall in den anstaltseigenen Krematorien verbrannt, in an die Anstalten angeschlossenen Standesämtern wurden Todesurkunden mit erfundenen Krankengeschichten für natürliche Todesursachen ausgestellt. Zur weiteren Verschleierung gab es in jeder Anstalt ein Kurierdienstauto eigens für die Aktenverschiebungen zwischen den Anstalten und die Aufgabe der Post beim Postamt in anderen Städten Den Kostenträgern wurden unterdessen Rechnungen für Quartier, Kost und Pflege über Wochen und Monate ausgestellt, obwohl die Personen sofort bei ihrer Ankunft getötet wurden. Die Angehörigen bekamen in der Regel Urnen aus der in den Unterlagen genannten Anstalt zugesandt.
1941 stoppte Hitler die zentrale Ermordung von Menschen mit Behinderungen zunächst, nachdem hauptsächlich Kirchenvertreter und ein Vormundschaftsrichter ahnten, was hier vor sich ging und protestierten. Weitere Menschen mit Behinderungen wurden aber dennoch in den nächsten Jahren in Behindertenheimen dezentral getötet, durch Verhungernlassen oder durch die Gabe tödliche Dosen bestimmter Medikamente. Jüngste Schätzungen gehen von insgesamt über 300.000 Opfern aus.
Am letzten Montag, über 70 Jahre nach diesen Greueltaten, begann mit einer offiziellen Kranzniederlegung der Bau eines Gedenk- und Informationsorts für die Opfer der nationalsozialistischen „Euthanasie“-Morde an jenem Ort, wo damals das Haus Tiergartenstraße 4 stand. Die Bundesregierung hat dafür eine halbe Million Euro bereitgestellt. Sehr froh bin ich, dass wir endlich so weit sind und endlich auch die Ermordung von behinderten Menschen im Deutschen Reich explizit aufarbeiten können. Sehr erstaunt war ich, dass ich persönlich zu dieser Veranstaltung eingeladen wurde. Leider konnte ich das zeitlich nicht unterbringen.
Da ich aber glaube, dass viele Menschen sich das Geschehene nicht vorstellen können und über diese abscheulichen Taten zuvor noch nie etwas gelesen oder gehört haben (ich habe das Thema „Euthanasie“ beispielsweise in der Schule nie gehabt, obwohl der Völkermord an über 6 Millionen Menschen mehrmals thematisiert wurde), finde ich es besonders wichtig, dass sich alle Menschen mit diesem Thema konfrontieren. Es muss einfach für alle Menschen unvorstellbar bleiben, dass eine staatliche Instanz Menschen aussortiert und tötet, zum Beispiel weil sie eine körperliche, seelische oder kognitive Einschränkung haben. Aus diesem Grund halte ich dieses Projekt für besonders wichtig. Es ist allerhöchste Zeit, dass das Unrecht, das diesen Menschen widerfahren ist, auch endlich beim Namen genannt werden kann – und künftig die Auge und die Herzen noch weiter öffnet für ein gleichberechtigtes Miteinander.