Zwei Tage Bayern

Ich bin wieder zurück in Hamburg von einem verlängerten Bayern-Wochenende. Und habe endlich, nach über einem Vierteljahr, meine beiden Halbschwestern Emma und Paula wieder gesehen. Es gibt morgens einen ICE, mit dem ich ohne Umsteigen von Hamburg bis fast vor ihre Haustür fahren kann, und da Emma noch bis 14.00 Uhr arbeiten musste, hatte ich mich zunächst nur mit Paula verabredet. Gemeinsam wollten wir bei einem Eis auf Emma warten und dann zusammen zu einem Badesee fahren. Und wie es der Zufall so will, gab es bereits vorher eine eher drollig Begegnung.

Während wir uns jeweils einen Pappbecher mit zwei Eiskugeln mitgenommen und uns unter einem großen, Schatten spendenden Baum auf den Rasen gesetzt hatten, um eben jene zu löffeln, wurde unsere Aufmerksamkeit auf zwei Leute gelenkt, die sich schräg gegenüber vor einer Bankfiliale zofften. Nicht um ihr Konto, sondern einer der beiden hatte seinen Opel Astra beim Einparken in die hintere linke Tür des VW Passats gelenkt und dort eine nette Beule hinterlassen. Worum es bei dem Streit genau ging, bekam ich nicht richtig mit, dafür war die Entfernung zu groß. Es dauerte jedenfalls nicht lange, bis ein grün-weiß lackierter BMW-Kombi aufkreuzte und Paula sagte: „Ich lach mich schlapp, wenn da jetzt Emma aussteigt. Das könnte durchaus sein.“

Naja, wenn ich schon eine drollige Begegnung ankündige, war ja klar, wer aus dem Auto stieg. Wir beobachteten aus sicherer Entfernung das Treiben. Der Passatfahrer wurde immer ruhiger und versuchte, seine Papiere aus einer klebrigen Plastikhülle zu bekommen, während sich der Astrafahrer, der Verursacher der Beule, immer weiter aufregte. Und dann geschah etwas, was wir erst später, als Emma es uns erklärte, realisier und verstanden haben. Plötzlich ging Emma, die vorher neben dem Mann gestanden hatte, blitzschnell einen Schritt auf ihn zu, drückte ihm ihren ausgestreckten Arm vor den Hals und stieß ihn quasi nach hinten um. Der Mann legte sich der Länge nach rückwärts auf das Parkett, ziemlich unsanft und laut schreiend, wenngleich Emma ihn so halb auffing. Eine Sekunde später saßen Emma und ihre beiden Kollegen auf ihm.

Wie Emma später aufklärte, hatte der Mann ein Messer aus der Tasche geholt und versuchte gerade, es auszuklappen oder zu öffnen oder ähnliches. „Und warum wirfst du den dann zu Boden?“, wollte Paula wissen. – „Naja, das war die sanfteste Möglichkeit, seine Aktion zu beenden. Der Typ war ziemlich aggressiv, und wenn einer in Gegenwart de Polizei ein Messer zieht, dann warte ich bestimmt nicht ab, ob er damit losrennt, es durch die Gegend wirft oder sich selbst in den Bauch rammt.“ – Paula wollte unbedingt gezeigt bekommen, wie sie den Typen so schnell aufs Parkett gelegt hatte. Der Trick war denkbar einfach: Sie stand rechts neben ihm und hatte ihren linken Fuß hinter seine Füße gestellt und ihn gleichzeitig mit ihrem Arm vor seinem Hals zurückgedrängt. Dadurch musste er einen Schritt rückwärts gehen, was aber nicht ging, da dort ihr Fuß stand. So ist er rückwärts gestolpert und ins Fallen gekommen.

„Passiert das häufig, dass einer ein Messer rausholt? Ich dachte immer, Hamburg ist ein heißes Pflaster.“ – „Naja, ich weiß ja nicht, wie oft das in Hamburg passiert, aber hier ist das eher eine Ausnahme. Das einer eins mitführt oder dass wir einem eins abnehmen, das gibt es öfter. Aber rausholen und einsetzen wollen ist eher selten. Zum Glück. Dafür hatte ich aber in der letzten Woche einen, der mir nachts bei einer Ruhestörung vollgekokst mit einem Hammer in der Hand die Wohnungstür geöffnet hat.“

Na klasse. Ob ich das so gut finde, dass sie diesen Job macht?

Als Emma dann später mit gut einer Stunde Verspätung bei uns war, konnten wir endlich zu einem See fahren und schwimmen gehen. Dort trafen wir, eher zufällig, noch zwei Freundinnen von Paula, die sich zu uns auf den Rasen legten. Es war sehr nett. Abends gab es ein drastisches Wärmegewitter mit einer angenehmen kurzfristigen Abkühlung. Wir waren gerade beim Grillen, als das losging, allerdings war der Grill schon so weit, dass man ihn unter ein Carport stellen konnte, während wir uns auf eine überdachte Terrasse setzten.

Nachdem ich nachts total gut geschlafen habe, haben wir am Samstag eine ausgedehnte Radtour gemacht. Ich hatte trotz aller Widrigkeiten mein Vorspannbike im Zug mitgenommen, und auch die Freundin von Paula, die ebenfalls im Rollstuhl sitzt, kam mit ihrem Handbike mit. Wir hatten eine etwas weiter entferntere Badestelle an einem Fluss zum Ziel. Die war fast noch etwas besser, da hier nicht so viele Leute waren. Auch am Samstagabend gab es Gewitter, erneut beim Grillen.

Es waren total tolle drei Tage. Wir haben uns, wie schon bisher sehr gut verstanden und uns viel erzählt und vor allem sehr viel gelacht. Über unseren gemeinsamen Teil der Familie haben wir überhaupt nicht gesprochen, was für mich auch völlig in Ordnung war. Leider war das Wochenende viel zu schnell vorbei: Heute nachmittag fuhr mein Zug zurück nach Hamburg. Gerade so eben noch rechtzeitig vor einem heftigen Unwetter. Nun dauert es nicht mehr lange, bis wir uns im Norden wiedersehen. Ich freue mich schon!

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