Pendelndes Toastbrot

Wie es jenem Doc geht, der letzte Woche übersehen hatte, dass die Patientin nicht am Oxymeter hing, haben wir nicht erfahren. Unser dritter Tag des Praktikums, das wir zur Zeit vorbereitend für das nächste Semester ableisten müssen, war völlig entspannt. Am kuriosesten war eine junge Frau, die auf der Untersuchungsliege lag und meinte, ein pendelndes Stück Brot bringe sie am Samstag über die Notaufnahme in den Behandlungsraum.

Marie: „So, bei Ihnen pendelt was. Dann erzählen Sie mal.“ – „Ich hab heute morgen ein Toast mit Marmelade gegessen. Und einige Stunden später bekam ich Bauchweh. Weil ich öfter Bauchweh habe, habe ich ein Stethoskop zu Hause. Und da habe ich meinen Darm auskultiert und dabei das Brot hier“ – sie zeigte auf eine Stelle knapp unterhalb der untersten Rippe – „wiedergefunden. Genau da, wo die Schmerzen sind. Und es mag komisch klingen, aber es pendelt immer wieder hin und her. Blubb, blubb, blubb“, beschrieb die Patientin.

Marie fragte genauer nach: „Und woher wissen Sie, dass es sich dabei um das Toastbrot von heute morgen handelt? Und nicht vielleicht … sagen wir mal … das Schnitzel von gestern mittag?“

Die Patientin brauste auf: „Wollen Sie mich verarschen?“ – Marie beschwichtigte: „Keineswegs. Ich kann es auch weniger bildlich formulieren: Woran erkennen Sie das Toastbrot in dem Nahrungsbrei?“ – Die Frau antwortete: „Na das hört man doch! Sie vielleicht nicht, Sie sind ja noch nicht fertig, wie man hier lesen kann. Also holen Sie endlich einen echten Arzt, bevor es noch schlimmer wird!“

Die diensthabende Ärztin hörte den Bauch ab, sagte dann: „Das ist ganz eindeutig ein pendelndes Toastbrot. Ich schlage vor, wir geben Ihnen eine Infusion, damit sich der Darm an der Stelle wieder beruhigt. Leider müssen Sie danach auch noch einige Zeit liegen bleiben, weil das Medikament manchmal Kreislaufprobleme macht.“ – Die Ärztin fragte sie nach Operationen und eingenommenen Medikamenten, zog dann aus einer Ampulle mit Kochsalzlösung eine Spritze auf, spritzte sie in einen Beutel Elektrolytlösung, beschriftete den Beutel und legte der Patientin einen Zugang…

Eine Stunde später war alles wieder gut. Kein pendelndes Toastbrot mehr. Die Patientin umarmte die Ärztin und befand, sie sei eine Wunderheilerin. Hinterher erzählte uns die Ärztin, dass die Frau regelmäßig am Wochenende in die Notaufnahme käme und pendelnde Toastbrote im Bauch habe. Man könne ihr widersprechen, dann lege sie für einen Tag den halben Betrieb lahm, man könne ihr auch einfach glauben und die nötigen Schritte einleiten – dann sei sie nach zwei Stunden wieder draußen und für das nächste Vierteljahr therapiert.

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