Doch noch ein Triathlon

„Begleitest du mich auf den Triathlon am Wochenende?“, fragte mich per Mail Lisa.
Ja, jene Lisa, die ich alle fünf Minuten knuddeln könnte. Die oft nicht
merkt, dass sie gerade wieder einen Witz nach dem nächsten reißt, und alle über sie lachen müssen, weil sie so herzerfrischend einfach ist. Keineswegs dumm, sondern einfach einfach. Dass das ein Unterschied ist, merkt der letzte spätestens dann, wenn ich erwähne, dass sie vor einem halben Jahr ihren Führerschein bestanden hat und inzwischen mit einer rund 20 Jahre alten Blechkiste Hamburgs Straßen unsicher macht. Und inzwischen mit ihrem Freund eine eigene Wohnung bewohnt. Ja, Zeiten ändern sich.

Eigentlich habe ich dafür so überhaupt keine Zeit, aber andererseits wäre das die Chance, wenigstens an einem Triathlon in diesem Jahr noch teilzunehmen. Meine Vorbereitung ist nicht optimal, Marie und Cathleen hatten auf gar keinen Fall Zeit – tja. „Die haben zum ersten Mal auch Rollifahrer dabei“, sagte Lisa. Aber es sei alles mit dem Rolli zu machen. Sie habe mit dem Veranstalter telefoniert und es gebe wirklich keinerlei Stufen oder so. Es sei nur ein kleiner Triathlon, man müsste so rund 2 bis 3 Stunden mit dem Auto fahren und … am besten dort auch schlafen.

„Ach, Lisa“, sagte ich. – „Ach, Jule“, sagte Lisa und ich bildete mir
ein, ich konnte am Telefon ihre Wimpern klimpern hören. „Du musst keine
Angst haben, ich werde dich nicht überholen, dafür bin ich viel zu langsam!“ – „So wenig fit, wie ich bin, bist du von vornherein vor mir. Aber das ist nicht mein größtes Problem, sondern ich muss für die Uni noch so viel tun“, antwortete ich. Lisa: „Och bitte. Ich bezahl auch deine Startgebühr und ich nerv auch nicht. Bitte! Alleine traue ich mich
nicht.“

Okay. Lisa. „Ich machs.“ – „Wow, super, grillen wir dann zusammen am Abend davor? Darf ich mit dir in deinem Bus schlafen? Und stellen wir den dann irgendwo hin, wo die Sonne romantisch untergeht?“ – „Was hast du mit mir vor?“ – „Nix, Jule. Nein, echt nicht! Ich guck ja die Sonne an und nicht dich.“ – „Während du mit mir schläfst?“ – „Willst du mit mir schlafen?!“ – „Nein, du hast gerade gesagt, du willst mit mir in meinem Bus schlafen.“ – „Ja, nein, also, … Location, Jule, Location!“ – Na, dann ist ja alles geklärt.

Ich bekam auch noch einmal bestätigt, dass auch Rollstuhlfahrer teilnehmen dürfen und man sich auf uns freue. „Wieviele Anmeldungen von Rollstuhlfahrern liegen Ihnen denn vor?“, fragte ich den Organisator. – „Mit Ihrer sind es jetzt zwei“, ließ er mich wissen. Eine Lisa nehme noch teil, ob ich sie kennen würde…

Nachdem wir am Freitag angereist waren, uns kaum verfahren hatten, wollte der Veranstalter mit uns nochmal alles genauestens besprechen. Wo
geht es los, wo starten wir, kommen wir einen steilen Berg hoch, wo brauchen wir Hilfe, wie kommen wir über die Treppen, … – „Treppen? Ich dachte, da wären keine Stufen!“ – „Ja, sind ja auch nicht, nur zum Schluss geht es drei Stufen hoch zum Sportplatz, wo der Zieleinlauf ist.“ – „Also doch Stufen.“ – „Ja, aber da tragen wir Sie hoch.“ – „Aber
dann sagen Sie doch bitte nicht am Telefon, da wären keine Stufen, wenn
da Stufen sind, über die wir getragen werden müssen.“ – „Macht das einen Unterschied?“ – „Wenn ich Ihnen sage, ich bezahle die Teilnahmegebühr, dann rechnen Sie damit, dass Geld auf dem Konto eingeht. Wenn ich aber in Wirklichkeit drei hochrangige Pressevertreter mitbringe, die über Ihre Veranstaltung berichten, und deshalb davon ausgehe, dass Sie mir die Startgebühr erlassen, ist das was völlig anderes.“ – „Wir haben das aber im Griff!“ – „Ich meine Pressevertreter aber auch! Nein, mal im Ernst, das bestreitet auch niemand und das ist auch sehr nett und ich finde es toll, dass Sie sich so viele Gedanken unseretwegen machen! Nur wenn Sie mich irgendwo reinheben müssen während
des Wettkampfs, würde ich das gerne vorher wissen, wenn ich schon explizit danach frage.“ – „Machen wir nächstes Jahr besser, okay?“ – „Okay.“

„Kommen Sie denn über eine Wiese?“ – „Das kommt auf die Wiese an, würde ich mal sagen.“ – „Naja, die hier“, sagte er und deutete auf einen
Acker mit kniehohem Gras. – „Ausgeschlossen. Da kommen wir keinen Meter
drüber.“ – „Ich dachte, Sie seien Sportler.“ – Ich setzte mich auf eine
daneben stehende Holzbank. „Hier ist mein Stuhl, versuchen Sie, den über die Wiese zu schieben. Ohne jemanden drin ist es einfacher.“ – „Nein, davon habe ich ja keine Ahnung.“ – „Okay, würden Sie mit einem Fahrrad durch das Gras kommen?“ – „Nein. Ach, kann man das ungefähr vergleichen?“ – „Ja, ungefähr.“ – „Dann haben wir noch ein Problem, dann
kommen Sie nämlich auch nicht durch den Sand auf der Laufstrecke.“ – „Wie tief ist der?“ – „Naja, das ist so eine Art Strandabschnitt in der Wechselzone.“ – „Nee, da brauchen wir auch eine andere Lösung.“

Immerhin haben wir das vorher alles noch besprochen und am Ende wurde
improvisiert. Die Rollstuhlfahrer mussten nicht den steilen Hang am Schwimmausstieg hoch. Die mussten auch nicht über den Acker, der schon die Alternative für einen steilen Waldweg war, sondern ein Anwohner öffnete sein Grundstück, so dass wir beide über einen gepflasterten Weg und einmal quer über seine Garagenauffahrt fahren durften. Unsere Wechselzone wurde vom Strand auf einen Parkplatz verlegt. Dann konnte es
ja losgehen. Unsere Rennrollis und Rennbikes konnten in einer Bootshalle eingeschlossen werden, so dass wir unsere Betten herrichten konnten. „Wenn ich mich nachts so drehe, dass ich quer liege, musst du mich einfach wegschieben“, sagte Lisa, die sich inzwischen einen Schlafanzug angezogen hatte, auf dem in bunten Lettern geschrieben stand: „You make me happy!“

„Okay, grillen fällt aus, der Himmel ist auch bewölkt, ich glaube, wir machen schnell Licht aus und Augen zu. Was meinst du?“, fragte sie mich. Ich nickte. Kaum war das Licht aus, fing sie an, über Gott und die
Welt zu erzählen. Ich glaube, ich kenne inzwischen mehr als ihr halbes Leben. „Wollen wir mal schlafen? Das wird morgen bestimmt ein anstrengender Tag.“ – „Ja. Hast du Einschlafmusik?“ – „Spezielle Einschlafmusik nicht, aber wir können ja noch leise einen Moment lang was hören.“ – Ich krabbelte nach vorne, machte das Radio an, ließ die Zufallsfunktion für 30 Minuten ein paar Songs von der Speicherkarte auswählen. Nach dem Sonnenstrahl von Schandmaul schnorchelte Lisa bereits. Bei Jan Delays St. Pauli ging nochmal ein Auge auf. „Heimatmusik“, meinte sie. Und schlief weiter. An „Break My Stride“ erinnere ich mich noch, danach muss auch ich eingeschlafen sein.

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