Ich werde immer besser. Ich habe heute meine fünfte Darmspiegelung hinter mir. Nach wie vor sitzt mir die Professorin fast auf dem Schoß und nach wie vor gibt es einige Patienten, die im Vorfeld ablehnen, dass
ich das Untersuchungsgerät bedienen darf und von ihrer Ärztin gespiegelt werden wollen. Aber es gibt eben auch viele, für die es in Ordnung ist. Und ja, es sitzt wirklich jemand daneben und passt jede Sekunde auf. Und nein, ich bin nicht leichtsinnig, sondern eher viel zu vorsichtig.
Nur um das ins Verhältnis zu setzen: Will ein fertiger Arzt sich nach
seinem Medizinstudium zum Facharzt für Gastroenterologie (Magen-Darm) fortbilden, muss er in der sechsjährigen Ausbildungszeit im Anschluss an
das Studium alleine mindestens 300 solcher Untersuchungen nachweisen können. Also nur Spiegelungen des Dickdarms. Darüber hinaus sind noch rund 1.000 weitere Untersuchungen nachzuweisen, beispielsweise Magenspiegelungen. Die ich noch nie gemacht habe. Also bedeutet „fünf“ hier gar nichts.
Aber es fällt mir wesentlich leichter als beim ersten Mal. Einmal habe ich bereits zusammen mit der Professorin einen Schleimhautpolypen mittels einer Drahtzange entfernen dürfen. Ja, die theoretischen Grundlagen sind natürlich bekannt, aber praktisch sieht das alles noch einmal ganz anders aus. Aber es ist spannend. Und faszinierend.
Es gab rückblickend auf die letzten Jahre auf jeden Fall die eine oder andere Stunde, in der ich überlegt habe, ob Medizin für mich das Richtige ist. Es gibt Momente, in denen blickt man einfach nicht mehr durch. Durch den ganzen Formelsalat, durch die ganzen Parameter, Werte und Begriffe. Die Ansprüche, die das Studium stellt, sind enorm. Ohne intensives Lernen und ohne ständige kritische Selbstbeurteilung und Disziplin schafft man es nicht. Würde ich mal behaupten. Aber so langsam
habe ich das Gefühl, eine solide Basis zu haben, auf die ich mich stützen kann. In dem Sinne, dass ich nicht nur im Nebel stocher, sondern
auch mal richtig liege. Lange hat es gedauert. Lange habe ich allenfalls richtig geraten.
Wie gesagt, bei dieser Untersuchung bin ich keinesfalls sicher. Aber meine Hände zittern nicht mehr. Und der Schweiß läuft auch nicht mehr in
Bächen durch den BH. Und das ist ganz viel wert. Um mir ein wenig mehr zuzutrauen. Ich hätte jedenfalls vor ein paar Jahren nie und nimmer für möglich gehalten, dass ich eines Tages mal selbst ein Endoskop durch einen Darm führe und dabei weiß, wo ich bin und was ich tue. Für den routinierten Doc ist das Pipifax, ich weiß. Aber für mich ist das nach dem schier endlosen Gebüffel (insbesondere während der ersten vier vorklinischen Semester) endlich mal wie ein kleines Früchtchen in einem großen Baum. Und es schmeckt durchaus gut.