Wahnsinn! Es sind 27 Grad im Schatten, der Himmel strahlt in seinem
schönsten Blau, kaum ein Lüftchen weht und das Wasser soll immerhin schon erfrischende 21 Grad haben. „Es sind erstaunlich wenige Leute aus dem letzten Jahr dabei“, dachte ich mir, bevor Philipp darauf bestand, mich an Bord zu tragen. Meinen Rollstuhl brachte Shane höchstpersönlich hinterher. Ich war mir einen Moment lang nicht sicher, ob es sich um dasselbe Boot (um nicht zu sagen: dieselbe Yacht) handelte wie im letzten Jahr, aber ich hatte es wohl zunächst lediglich anders in Erinnerung. Wir bekamen dasselbe Zimmer, das Bett war frisch bezogen, lediglich ein neues großes Panoramafoto einer Mittelmeer-Insel bei Nacht
hing über unserem Bett. Marie hatte seit der Landung unangenehmen Druck
auf den Ohren und bekam den trotz der üblichen Manöver zum Druckausgleich nicht in den Griff. Aber das sollte sich bald geben und dann stand einem zugleich entspannten wie aufregenden Pfingstwochenende nichts mehr im Wege.
Der Kapitän war derselbe wie im letzten Jahr. Er sprach nur englisch und war sehr zurückhaltend, hatte aber, wie ich fand, einen tollen Job. Um das Ungetüm lenken zu dürfen, brauchte man zweifelsohne einen vernünftigen Führerschein. Und eine Köchin war an Bord, jedoch kannten wir ihr Gesicht noch nicht. Ich hätte mir durchaus zugetraut, mich (oder
auch die komplette Gruppe) ein Wochenende lang selbst zu verpflegen, zumal man bei der Wärme draußen sowieso eher wenig isst, aber ich lasse mich natürlich auch in dieser Hinsicht gerne verwöhnen.
Insgesamt war die Veranstaltung mindestens genauso abgehoben wie im letzten Jahr. Absolut ungeeignet für Menschen, die bereits an einem normalen FKK-Strand über den Sittenverfall philosophieren würden, und mindestens genauso ungeeignet für Leute, die nicht „Nein“ sagen können. Philipp brauchte einen Moment, um sich einzugewöhnen, aber dann hatte er
jede Menge Spaß. Ein großer Sonnenschirm auf dem Deck wurde mein Freund
und der Text würde abdriften, wenn ich über nahtlose Bräune und gepflegte Körper weiterschreiben würde. Obwohl mich immer wieder fasziniert, wie schön einige Menschen aussehen.
Von daher greife ich lieber ein paar himmlische Stunden im kristallklaren Wasser über einer großen Sandbank auf, schwärme über herrliche Möglichkeiten, die eine knapp überspülte Badeplattform am Heck
des Bootes bieten und denke wehmütig an den Sternenhimmel zurück und an
den Kitzel, nachts außerhalb des Schlafzimmers erwischt werden zu können. Nein, nicht beim schlafwandeln. Noch ist es nicht soweit, aber Philipp und ich haben uns „heimlich“ verabredet und werden Marie einige Momente alleine lassen. Vielleicht braucht sie auch mal eine halbe Stunde ihre Ruhe vor uns.
Vorher steht für heute abend noch ein Gummitier-Rennen an. Es gibt einige aufblasbare Badeinseln, Schwimmreifen und tierisch geformtes Plastikzeugs und wer am schnellsten damit von der imaginären Start- zur Ziellinie kommt, gewinnt einen Cocktail. Ja, der Einfall mag eher aus einem intellektuellen Tiefdruckgebiet stammen, macht aber nichts, denn auch Unsinn kann Spaß machen. Und Marie und ich freuen sich bereits, nicht wegen der Cocktails, sondern weil der Einsatz der Beine zum Fortkommen aus Gründen der Gleichbehandlung generell verboten wurde. Ich
hoffe, es gibt auch alkoholfreie Cocktails, denn wir werden gewinnen!