Alle Jahre wieder

Draußen sind fast dreißig Grad und drinnen steht der grinsende Alte mit weißem Rauschebart und rotem Mantel. Nee, ich bin nicht in Down Under. Ich kaufe ein. Klopapier. Zum Beispiel. Eine alte Frau schaut mich mit großen Augen an. Starrt. Glotzt. Kommt dichter. Stellt sich betont versehentlich mit ihrem Einkaufswagen in den Weg. Glotzt weiter. Ich glotze zurück und lege den Kopf schief. Das reicht schon, um sie reden zu lassen. Sie deutet auf mein Klopapier und sagt: „Ich hab mal gelesen, dass Querschnittgelähmte gar nicht auf Toilette können.“

Bitte was? Muss ich da noch höflich bleiben? Soll ich darauf überhaupt etwas sagen? Nein und ja. „Sie lesen die falschen Bücher“, blubber ich zurück, schiebe meinen Rollstuhl an und nutze den Schwung, um ihren Einkaufswagen zur Seite zu schieben. Die Frau antwortet: „Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber das stand tatsächlich jüngst in der [Illustrierte mit Kochrezepten, Königen, Promiskandalen, Lebenstipps, Horoskop und jeder Menge Anzeigen für Treppenlifte, E-Scooter, Inkontinenzvorlagen und Nahrungsergänzungsmittel].“ – „Versuchen Sie es mal mit dem Knigge.“ – Sie will irgendwas erwidern, ich fahre ihr mit einem „Schönen Tag noch“ in die Parade. Blöde Schrippe!

Ob da nun stand, dass Querschnittgelähmte oft Möglichkeiten brauchen, um sich beim Transfer auf die Toilette festzuhalten und deshalb viele Toiletten nicht nutzen können, oder ob da stand, dass einige Leute beim Abführen so lange brauchen, dass sie sich auf der Klobrille wund sitzen würden und deswegen das lieber in Seitenlage auf dem Bett (natürlich auf einer großen Zellstoffunterlage) machen, weiß ich nicht. Ist aber auch egal. Ich kacke auf Klo und muss das im Supermarkt wohl keinem erklären. Auch nicht, wenn ich Toilettenpapier kaufen möchte. Falls es jemanden interessiert: Ich nehme immer das Dreilagige. Mit dem Umwelt-Engel. Und ich benutze es nur von einer Seite. Auch wenn Umweltschüter beidseitige Benutzung vorschlagen – der Erfolg liegt schließlich auf der Hand.

Zurück zum grinsenden Alten mit weißem Rauschebart und rotem Mantel: Dass sie die Lebkuchenherzen und Christstollen bereits Ende August in die Regale räumen, nervt mich jedes Jahr. Da kann man vielleicht noch akzeptieren, wenn einige länger etwas von der Vorweihnachtszeit haben möchten und diese Süßwaren gerne auch länger als nur in der Adventszeit genießen wollen. Dass nun aber im August schon die Schoko-Weihnachtsmänner dazugestellt werden, finde ich daneben. Und ich will das gar nicht sachlich begründen. Ich bin emotional und verbinde den Weihnachtsmann mit schönen Kindheitserinnerungen, Schnee, Ruhe, Frieden, geschmückten Tannenbäumen und dem Weihnachtsfest. Und das ist einfach noch nicht dran.

Schlagwörter:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert