Ich habe zu Weihnachten von Maries Eltern eine Winterjacke geschenkt bekommen. Genauso wie Marie. Worüber ich mich sehr gefreut habe. Genauso wie Marie. Marie und ich haben jeweils dem anderen traditionell einen neuen Badeanzug geschenkt. Vielleicht schaffen wir es ab Sommer ja, mal wieder regelmäßig gemeinsam zu trainieren.
Von meinen Kolleginnen und Kollegen der letzten Station habe ich ein T-Shirt bekommen, auf dem steht: „Ich habe es mit Laufen versucht, aber es hat mir nicht gefallen.“ – Soll witzig sein (ich schreib es extra dazu, weil bisher alle nur müde gegrinst haben). Mal sehen, vielleicht steht demnächst mal wieder ein Ölwechsel oder eine Renovierung an, dann hätte ich auf jeden Fall schon mal die passende Kleidung.
Und von Schatzi? Ein Flausch-Onesie-Overall zum Loungen in dunkelrot, mit Flauschkapuze (diese jedoch zum Glück ohne Plüschohren). Der fühlt sich auf jeden Fall gut an. Einziger Nachteil ist natürlich, dass man zum Pinkeln obenrum erstmal alles ausziehen muss. Und einen Gutschein (keinen selbstgemachten, sondern einen offiziellen) von einem Sauna-Klub. Ja, richtig gelesen, keine Eintrittskarte für eine Therme (wohin ich sonst rollen würde, wenn ich nicht gerade bei und mit Marie im Garten saunieren kann), sondern er möchte mit mir in einen Sauna-Klub.
Ich habe natürlich erstmal weder Contenance noch Continence verloren, sondern mich nur überrascht gezeigt und ihn gefragt, was genau dort passiert. Er hat mir dann mit einem gewissen Funkeln in den Augen erzählt, dass er sich im Internet und telefonisch informiert hat, dass dort ausschließlich Paare hingehen (als Einzelperson kommt man nicht hinein), und dass es dort nicht nur eine Sauna-, sondern auch eine Badelandschaft mit märchenhaften Grotten, Whirlpools und Relaxräumen sowie einem großen Garten geben soll. Attraktiv ist aus seiner Sicht, dass man dort miteinander nicht nur küssen darf, was, so sind seine Worte, im Wasser gerade für Menschen mit eingeschränkter Mobilität vielleicht noch die eine oder andere ungeahnte Möglichkeit bietet. Und nein, Partnertausch sei nicht zwingend vorgesehen.
Ich bin mir noch nicht so ganz sicher, ob ich das wirklich will, habe das Geschenk aber erstmal als „spannend“ angenommen. Ich werde in den nächsten Tagen dazu noch ein wenig recherchieren…
Über Silvester bekommen wir von Marie und einer Freundin Besuch. Wir sind zur Zeit an der Ostsee und lassen uns den viel zu warmen Wind um die Nase pusten. Am morgigen letzten Tag des Jahres wollen wir Fondue machen, und entsprechend hatte ich für heute bereits Fleisch und Baguettes vorbestellt. Um elf Uhr sollte beides zum Abholen bereit sein, anschließend wollte ich Marie und Freundin vom Bahnhof der nächsten größeren Stadt abholen (nachdem Marie derzeit kein eigenes Auto hat – ein neues ist noch nicht ausgeliefert und bei ihrem alten hat das Automatikgetriebe bei 260.000 km den Geist aufgegeben).
Ich kam also gegen kurz vor zwölf Uhr bei der Fleischerei an und fragte nach meinem vorbestellten Fondue-Fleisch. Nein, das sei noch nicht fertig, man wollte es heute morgen frisch schneiden, aber es sei zu viel los gewesen. Ob ich es in etwa einer Stunde abholen könnte, wollte man wissen. An der Bedientheke arbeiteten drei Leute die anstehenden Kunden ab, etwa zehn warteten, im hinteren Teil des Raums lag auf einer Arbeitsplatte ein großes Stück Schweinefleisch, ich hätte es als nur bedingt sachkundige Person für die Oberschale, also ein Teilstück des Schinkens, gehalten. Das Stück Fleisch lag auf einem Schneidebrett und dieses Schneidebrett bedeckte den Namen „Müller“ auf einem Stück Papier so, dass man nur „Müll“ lesen konnte – was mir spontan ins Auge fiel.
Also erst zum Bahnhof und anschließend das Fleisch abholen. Dafür aber jetzt noch schnell zum Bäcker. Dort hieß es: „Also, wenn Sie um zwölf Uhr kommen, eine Stunde vor Ladenschluss, dann müssen Sie damit rechnen, dass keine Baguette-Brote mehr da sind.“ – „Deswegen hatte ich ja extra vorbestellt.“ – „Ja, aber nicht mehr um zwölf. Da haben wir die noch nicht abgeholten Vorbestellungen auch mit abverkauft.“ – „Ich hatte aber bereits bezahlt. Und hätte jetzt gerne meine Ware.“ – „Bei wem haben Sie das bezahlt?“ – „Bei Ihrer Kollegin. Etwa Eins-Sechzig groß, blond, blaue Brille.“ – „Haben Sie denn einen Beleg bekommen?“ – „Ja, Moment … hier.“ – „Das ist ein Kassenbon über drei Baguette-Brote. Die haben Sie an dem Tag gekauft.“ – „Jetzt ist es aber genug! Sie haben
es verpeilt, dann wäre es wohl das Mindeste, sich zu entschuldigen.“ – „Sie kommen nicht von hier, oder? Das hört man. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag und einen guten Rutsch“, sagte sie und hielt mir die Tür auf.
Okay, das war das letzte Mal, dass ich dort etwas gekauft habe. So eine blöde Schrippe! Da ich in den nächsten zwei bis drei Wochen dort nicht wieder hinfahre, lohnt es sich vermutlich auch nicht mehr, sich die Kollegin mit der blauen Brille zur Brust zu nehmen. In dem Ort, in dem meine Ostsee-Wohnung steht, gibt es gar keinen Bäcker, und in diesem nächsten Nachbarort zum Glück gleich drei. Ein Wechsel ist also angezeigt.
Marie und ihre Freundin kamen pünktlich mit dem Zug an. Die Freundin, die Fußgängerin ist, kümmerte sich um das Verladen unserer Rollstühle in den Kofferraum, was gerade bei zwei Rollstuhlfahrerinnen im selben Auto eine Erleichterung ist. Zur Fleischerei wollte sie auch schnell reinlaufen, aber ich wollte unbedingt dabei sein. Aus Gründen. Tatsächlich lag das Stück Fleisch dort immer noch genauso wie vor einer Stunde. Ungekühlt, ungeschützt, immer noch ein Teil des Namens auf dem Papier verdeckend. Mein Fondue-Fleisch war noch nicht fertig. Immerhin wollte man jetzt aber beginnen, es zu schneiden – und zwar aus diesem Stück Fleisch, das dort seit über einer Stunde ungekühlt auf der Arbeitsplatte lag.
„Moment mal bitte! Das Fleisch liegt da jetzt seit über einer Stunde bei Zimmertemperatur auf Ihrer Arbeitsplatte. Daraus möchte ich kein Fonduefleisch geschnitten haben.“ – „Das hab ich vor zwei Minuten aus der Kühlung geholt.“ – „Und wieder genauso auf das Stück Papier gelegt wie vor einer Stunde?“ – „Das weiß ich nicht, aber das habe ich eben gerade erst aus der Kühlung geholt.“ – „Okay, dann schneiden Sie bitte die ersten Stücke ab, füllen sie in die Tüte und lassen mich die Tüte bitte einmal anfassen.“ – „Wozu das denn?“ – „Ich möchte mich gerne davon überzeugen, dass das Fleisch in der Kühlung war, denn ich habe das anders wahrgenommen.“ – „Ich kann auch ein neues Stück aus der Kühlung holen, damit habe ich doch gar kein Problem!“ – „Sie brauchen mir doch nur einmal zu zeigen, dass das aktuelle Stück dort kalt ist.“
Konnte er wohl nicht. Er holte ein neues Stück. Worüber ich gar nicht nachdenken möchte. Als er die Verpackung öffnete, lief die gesamte darin enthaltene Flüssigkeit einmal quer über einen Leitz-Ordner mit Zetteln drin, der ebenfalls offen rumlag. Neben dem offenen Stück Fleisch. Was für eine Sauerei, im wahrsten Sinne des Wortes. Und ich möchte wetten, dass er das warme Stück Fleisch anschließend wieder in die Kühlung packt, sobald ich weg bin. Jedenfalls begann er nun damit, dünne Scheiben aus dieser frischen Oberschale zu schneiden. „Nur noch einmal zur Sicherheit: Ich wollte Fondue-Fleisch.“ – „Ist das keins?“ – „Das sind eher dünne Schnitzel. Vielleicht für Raclette. Fondue ist das mit der Gabel und dem heißen Topf.“ – „Ah, entschuldigen Sie, jetzt habe
ich tatsächlich an Raclette gedacht. Aber Sie können das ja noch durchschneiden.“
Ich ließ ihn stehen und rollte ohne ein weiteres Wort nach draußen. Irgendwann ist meine Geduld auch mal am Ende. Marie rollte wortlos hinter mir her, die Freundin ebenfalls. Dreihundert Meter weiter ist ein Supermarkt mit Fleischerei. Normalerweise kaufe ich Fleisch nicht in Supermärkten, aber schlimmer konnte es nicht mehr werden. Ohne irgendein Problem und ohne vorbestellt zu haben, bekam ich an der dortigen Fleischtheke die Menge Fonduefleisch, die ich haben wollte.
„Kann ich sonst noch etwas Gutes für Sie tun?“, fragte der junge Mann hinter der Theke. Zum ersten Mal wurde ich heute freundlich bedient. Vielleicht war es doch ein Fehler, den lokalen Einzelhandel unterstützen zu wollen. Zumindest könnte der sich in diesem Punkt von dem Lebensmittel liebenden Filialbetrieb noch eine Scheibe abschneiden.
Bald ist ein neues Jahr. Ich wünsche euch mehr Liebe, Freundschaft und Wahrheit. Weniger Missgunst, Hass und Lüge. Ich wünsche euch mehr Sonne für die Herzen, und für Zwischendurch einen Schirm, mit dem es sich im Regen tanzen lässt. Ich wünsche allen, die im Moment nur graue Wolken sehen, dass sie schon ganz bald einen Regenbogen finden, an dessen Ende die Einhörner Glitzerstaub verteilen.