Sebastian

Alle waren sie da. Alle Meinungen. So ist das, wenn man viele Menschen fragt. Da bekommt man viele Antworten. Von „steig noch heute mit ihm in die Kiste“ über „abwarten und Tee trinken“ bis „halte dich von ihm fern, er wird dich töten“ war alles dabei. Am Ende stellt sich heraus: Meine Entscheidung wird mir niemand abnehmen. Ich muss selbst Verantwortung übernehmen für das, was ich tue und lasse. Aber das wusste
ich auch vorher schon und die Erwartung, jemand könnte mir meine Entscheidungen abnehmen, habe ich nie gehabt. Allerdings sehen viele Augen mehr als meine zwei vielleicht geblendeten – und bringen damit vielleicht etwas mehr Licht in die Dunkelheit.

Sehr spannend finde ich, welche Eigenschaften sich aus ein paar Absätzen herauslesen lassen. Und sehr spannend fand ich auch ein Gespräch mit Maries Mutter zu dem Thema. Sie hat sehr viel Gewicht in zwei Sätze gelegt: „Wenn wir dabei Freunde bleiben können, kannst du das
bei mir auch haben.“ Und: „Es liegt jetzt an dir, ob du ab sofort nichts mehr mit mir zu tun haben willst.“

Sie findet das sehr dominant, nahezu manipulativ. „Er setzt dir einen, wie er selbst sagt, unmoralischen Wunsch vor, diktiert dabei gleich die künftigen Beziehungsverhältnisse – und falls du darauf nicht eingehen solltest, schiebt er dir gleich noch die Verantwortung dafür zu, wenn im Ergebnis die Freundschaft daran zerbricht. Und dann macht er
das nicht in den Stunden, in denen ihr auf Augenhöhe zusammen am Tisch sitzt und esst, sondern quasi mit dem Fuß in der Tür, nämlich während er
ohne Jacke im Schneegestöber friert, nachdem er dich sicher im Auto verstaut hat. Du musst dich also entscheiden, ob dein sofortiger Gesprächsbedarf wichtiger ist als seine Gesundheit. Und die einzige Nachfrage, die du wagst, nämlich die nach den Pornos, beantwortet er ausweichend.“ – „Du würdest mir also abraten?“, fragte ich.

Maries Mutter antwortete: „Nein, so pauschal nicht. Du musst dir aber
im Klaren sein, worauf du dich da einlässt. Auf einen Typen, der nicht genug Arsch in der Hose hat, um dich gerade heraus zu fragen, ob du mit ihm vögeln willst, der dich als Abenteuer, vielleicht sogar als Spielzeug sieht, mit dem er Spaß haben kann, und der seine Verantwortung
vermutlich auch künftig in erheblichen Teilen auf dich abwälzen wird. Das klingt erstmal negativ und nervig, und von einer Partnerschaft mit ihm würde ich dir in der Tat abraten – auch wenn ich glaube, dass Erfahrungen nützlicher sind als gute Ratschläge. Aber wenn du dich stark
genug fühlst, um hinter den Kulissen die Fäden zu ziehen für das, was er im Bett mit dir macht, dann kann das der beste Sex deines Lebens werden.“

„Du meinst…“ – „Genau. Das Spiel mit den gezinkten Karten ist nur so lange ungerecht, wie einer von dem Zink nichts weiß.“

Ich glaube, ich habe verstanden. Wie gesagt, sehr spannend. Ich kenne
ihn übrigens seit mehreren Jahren. Nicht aus der Behinderten-Szene. Woher, das verrate ich vielleicht später mal. Womit klar ist, dass es weiter geht. Wie, das weiß ich noch nicht. Und wo schon nach einem Namen
gefragt wurde: Sebastian.

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