Die erste Nacht im neuen Bett

Seit gestern ist mein neues Bett fertig! Marke Eigenbau, 140 x 200 cm groß, an der Seite eine große Schiebetür, um den Platz drunter nutzen
zu können, ansonsten kein großer Firlefanz. Ein stabiler Lattenrost, eine für Querschnittgelähmte ausreichend weiche, aber dennoch nicht zu weiche Matratze wurde bereits Freitag geliefert, direkt von einem Sanitätshaus und mit Zuschuss der Unfallkasse. Nee, mit Druckgeschwüren ist nicht zu spaßen, wie ich ja auch selbst schon erfahren durfte.

Gestern habe ich mir dann zusammen mit Frank in einem Bettengeschäft zwei Kopfkissen und zwei neue Steppdecken gekauft, dazu gleich vernünftige Bettwäsche und Spannbettlaken in der richtigen Größe. Das Bett steht jetzt in einer Ecke des Zimmers, das passt sehr gut.

Kaum war ich da, rief Cathleen mich auf dem Handy an. Ob ich am Wochenende schon etwas vor hätte, wollte sie wissen. Ich sagte ihr, dass
ich eine Nacht „Ausgang“ bekommen habe und zum ersten Mal in meinem neuen Zimmer in meinem Bett schlafen würde. Da fragte sie, ob ich das unbedingt alleine machen möchte oder ob sie mir Gesellschaft leisten darf.

Naja, nichts lieber als das. Dann bin ich in meiner ersten Nacht so völlig alleine in einer eigenen Wohnung (okay, in einem eigenen Zimmer) wenigstens nicht einsam. Abends haben wir dann noch mit Frank und Sofie zusammen im Gruppenraum gesessen und einfach nur erzählt. Einfach über alles mögliche gequatscht. Ich fand es toll.

Gegen 12 sind wir dann alle ins Bett gegangen. Meine erste Nacht, in der noch jemand anderes in meinem Bett liegt. Anfangs war es ein bißchen
ungewohnt, aber ich war plötzlich so müde, dass ich einfach einschlief.
Gegen 4 Uhr morgens wurde ich wach, weil Cathleen mit ihren Kopf auf meinem Unterarm lag und der Unterarm eingeschlafen war. Ich legte vorsichtig ihren Kopf zur Seite und streichelte ihr einmal über die Wange. Im tiefsten Schlaf lächelte sie einmal kurz.

Als wir heute morgen gegen 10 wach wurden, fühlte ich mich ausgeschlafen wie schon lange nicht mehr. Niemand klapperte auf dem Flur
mit dem Essenswagen, keine Krankenschwester kam ins Zimmer, niemand wollte von mir irgendetwas. Wir standen auf. „Erst duschen oder erst frühstücken?“ fragte Cathleen. Ich wollte es davon abhängig machen, wer draußen noch gerade frühstückt. Mich stören ungeduschte Freunde am Frühstückstisch nicht, anderen möchte ich das aber nicht zumuten.

Ich schaute um die Ecke. Sofie rollte gerade über den Flur. Wir verabredeten uns zum Frühstück. Und glücklicherweise störten die beiden sich auch nicht an ungeduschten Leuten am Frühstückstisch. „Es kommt immer drauf an, wer das ist“, meinte Sofie. Ich hatte gestern noch eingekauft, so hatten wir einen gut gedeckten Frühstückstisch. Es war richtig gemütlich. Gefräßiges Schweigen.

Bis … Cathleen plötzlich laut pupste. Sorry Cathleen, ich muss es erwähnen. Weil ich so froh darüber bin, dass es dir passiert ist und nicht mir. Ich habe eine sehr große Angst davor, dass es mir vor fremden
Leuten passiert. Vielleicht hängt es mit meinem Trauma aus dem Telekom-Shop am Donnerstag, den 12.02.09 zusammen, das ich zwar irgendwie verarbeitet, aber noch lange nicht vergessen habe. Vielleicht auch mit meinen Erfahrungen von zu Hause, wo ich rausgeflogen wäre, wenn
ich das beim Essen gemacht hätte. Ja, möglicherweise bin ich da etwas neurotisch.

Nicht gerade beruhigend, dass man bei einer Querschnittlähmung nichts
von alledem merkt. Mit viel Geduld bekommt man den Darm an bestimmte Entleerungszeiten gewöhnt. Das betrifft aber ausschließlich feste Ausscheidungen. Flüssige oder gasförmige nicht. Zu eklig? Zu viele Informationen? Tja, du liest es nur. Ich werde unfreiwillig damit konfrontiert. Wollen wir mal einen Tag tauschen? (Bitte nicht ernst nehmen.) Mit viel Glück ist der Querschnitt so inkomplett, dass man noch
Gefühl hat und zwei Sekunden vor den anderen merkt, was da gleich passiert.

Zurück zum Frühstückstisch: Cathleen verzog keine Miene, sondern sagte fast im selben Moment einmal laut: „Entschuldigung!“ Sofie, die gerade den Mund voller Cornflakes hatte, schluckte und murmelte: „Macht nix.“ Es schien sie echt nicht aus dem Rollstuhl zu werfen. Und Cathleen
futterte weiter, als würde sie nichts anderes erwarten. Selbst Frank brachte keinen Spruch. Okay, das möchte ich bitte auch für mich in Anspruch nehmen, wenn es mir zum ersten Mal vor versammelter Mannschaft passiert. Wahrscheinlich werde ich dann knallrot und verschwinde erstmal
für die nächsten 24 Stunden in meinem Zimmer. Am meisten Angst habe ich, dass das in der Schule in einer Klausur passiert. Oder wenn ich von
vorne ein Referat halte. Oder vergleichbares.

Nach dem Frühstück haben wir geduscht und uns mit Simone und Nadine verabredet. Zusammen waren wir dann noch auf einem Straßenfest, nur leider regnete es in einer Tour. Zurück im Krankenhaus vermisse ich bereits mein neues Zimmer. Keine 14 Tage mehr und ich bin endlich hier raus!

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