Wieviel Offenheit tut mir gut?

In ziemlicher Euphorie und mit sehr bewegten Gefühlen habe ich am Wochenende an meinem ersten nächtlichen Schnellfahrtraining teilgenommen und danach natürlich, aus dieser Stimmung heraus, hier darüber berichtet. Mit sehr vielen, teilweise auch intimen Einzelheiten.

Ich habe noch nie zuvor so viele Mails und Kommentare von Menschen bekommen, die ich noch nie persönlich gesehen habe. Viele sprachen mir Mut zu oder drückten Bewunderung oder Respekt aus. Aber für einige war mein letzter Eintrag auch Anlass, um mich zu warnen, nicht so offen mit meinen persönlichen und intimen Details aus meinem Leben umzugehen. Dabei war mein Beitrag vom nächtlichen Training nur ein aktueller Anlass, um darauf hinzuweisen, dass auch schon zu Zeiten, als ich noch stationär im Krankenhaus war, ich zu viele intime Details von mir preisgegeben hätte. Eine Leserin zog sich sogar komplett zurück.

Ich habe gestern und vorgestern sehr intensiv mit mehreren Leuten über dieses Thema gesprochen. Letztlich weiß ich, dass mir das Schreiben über meine neue Lebenssituation, über meine Behinderung, sehr dabei hilft, sie zu bewältigen. Es ist mir lieber, etwas unangenehmes und peinliches zu offenbaren, als diese ungewohnte oder unliebsame Situation „totzuschweigen“, wie es früher bei mir zu Hause üblich war. Früher oder später holt einen das ein und dann fällt man sehr tief, da man so plötzlich so belastende Situationen gar nicht richtig bewältigen kann.

Beispiel: Ich kann versuchen zu verschweigen, dass ich Darmwinde nicht kontrollieren kann. Damit umgehe ich eine Konfrontation mit diesem peinlichen Thema, bis plötzlich genau das vor anderen Leuten passiert. Wissen meine Freunde, dass das ein typisches Phänomen bei Querschnittlähmungen ist, gehen wir alle aufgeschlossener mit der Situation um. Damit wird das nicht weniger peinlich, es entfällt aber der zusätzliche Stress, sich erstmal zu orientieren und andere aufklären zu müssen.

Ich hoffe, ich habe das einigermaßen sachlich beschreiben können. Natürlich muss ich nicht mein tiefstes Inneres gleich jedem offenbaren. Aber die Probleme, die ich selbst nur schwer verarbeiten und akzeptieren kann, erscheinen mir kleiner, wenn ich mich vorher -zum passenden Zeitpunkt- bereits damit auseinander gesetzt habe.

Dabei hilft mir der Kontakt zu anderen Betroffenen ungemein. Nein, ich werde nicht dafür bezahlt, diese Dinge zu schreiben und ich will mich auch nirgendwo einschleimen. Es ist einfach etwas anderes, wenn man auf den ersten Metern seines neuen Lebens nicht auch noch um Verständnis bitten muss, sondern einem dieses schon entgegen gebracht wird, weil die eigenen Erfahrungen da sind.

Doch, ich bin sehr vorsichtig mit meinen persönlichen Daten im Internet. Die Straßenroute ist nicht jedes Mal dieselbe und ich werde so etwas natürlich niemals vorher ankündigen, meine private Adresse veröffentlichen oder andere Informationen, mit denen böse Menschen böse Dinge anfangen könnten. Aber die intimen Details, die jedes Jahr in Deutschland 1.500 neue Querschnittgelähmte betreffen, spreche ich offen an. Sie betreffen eben nicht nur mich alleine. Mir hilft es, mich nicht zu verschließen.

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