Für Rollis reserviert

Samstag abend, Schanzenviertel. Man schiebt sich noch nicht durch die Straßen (wie zur gleichen Zeit auf der Reeperbahn), aber dennoch sind etliche Leute unterwegs. Natürlich auch unsere WG: Wir wollten unser gemeinsames Abendessen in eine gemütliche Kneipe / Gaststätte in der Schanzenstraße verlegen.

Leider gibt es dort nur zwei Tische, die ebenerdig erreichbar sind. Alle anderen Tische sind nur über Stufen zu erreichen. Als wir durchs Fenster hinein schauten, war einer der Tische frei. Also: Nix wie rein. Alternativ wären wir ein paar Häuser weitergegangen, aber dieses hier war unsere persönliche erste Adresse. Zu behaupten, dass wir Stammgäste wären, wäre sicherlich zu weit gegriffen, aber ein paar Mal hat es uns dort schon sehr gut geschmeckt.

Als wir drinnen waren, setzte sich gerade ein Paar an den von uns anvisierten Tisch. Da acht Leute an dem Tisch sitzen können, fragten wir, ob wir uns dazu setzen dürfen. Der Typ antwortete: „Sucht euch bitte einen anderen Tisch, ja?!“ Wir staunten nicht schlecht. Nunja, Liam schaute bereits im oberen Bereich, ob dort noch Tische frei waren, um uns notfalls einzeln die sechs Stufen hochzuziehen. Aber so weit sollte es gar nicht kommen. Die Kellnerin, die das mitbekommen hatte, sprach das Paar an: „Entschuldigung, dürfte ich Sie bitten, sich an einen anderen Tisch zu setzen?“

Wieder sagte der Typ: „Nein, dürfen Sie nicht. Wir waren zuerst hier und wir wollen ungestört essen. Die da“, er zeigte auf uns, „können ja warten, bis wir oder die Herrschaften gegenüber fertig sind.“ Lina sagte
bereits: „Komm, wir gehen woanders hin.“ Die Kellnerin bat uns jedoch, einen Moment zu warten. Sie kam mit dem Inhaber wieder, der das Paar bat, an einem anderen Tisch Platz zu nehmen. Im oberen Bereich seien noch etliche Tische frei. Die großen Tische bräuchte er für Gruppen.“ Daraufhin sagte der Typ: „Heute kommen keine Gruppen mehr.“

„Der Tisch ist reserviert, ich bitte Sie, sich an einen anderen Tisch
zu setzen.“ – „Da steht aber gar nicht dran, dass der reserviert ist.“ –
„Okay. Raus!“ Der Inhaber hielt dem Paar die Tür auf, aber nun ging die
Diskussion richtig los. „Schonmal was davon gehört, dass in unserem Land alle Menschen gleich sind? Ich sehe behinderte Menschen als gleich an. Aber sie sind eben nicht gleicher. Wenn der Platz weg ist, ist er weg.“ – „Raus!“ – „Ich habe das Recht, eine Mahlzeit zu mir zu nehmen. Ich bin Diabetiker und habe mir schon Insulin gespritzt. Wenn ich nichts
zu essen kriege…“ – „Raus!“

Jetzt bewegte er sich. „Komm, Mausi, wir sind hier unerwünscht.“ Als sie draußen waren, applaudierten die Gäste am anderen Tisch. Ich hätte mich vor lauter Scham und Peinlichkeit am liebsten in Luft aufgelöst. Ich mag solches Aufsehen um mich und meine Behinderung nicht. Aber das Essen war genial.

Was Mausi wohl gedacht hat.

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