Es macht ihm Spaß, mich zu necken. Seit Wochen schon. Er ist Single und eher schüchtern und still. Aber er hat es faustdick hinter den Ohren. Und er hat es eindeutig auf mich abgesehen, das fällt auch schon den anderen auf. Und das finde ich schön. Nicht so sehr, dass es den anderen auffällt, sondern dass er es auf mich abgesehen hat! Wenn er da ist, habe ich eine ganze Horde wilder Schmetterlinge in meinem Bauch. Ein aufregendes und schönes Gefühl, von dem ich oft nur gelesen habe und es mir nicht vorstellen konnte. Jetzt darf ich es mal so richtig intensiv kennen lernen und finde, dass die Beschreibung dafür sehr gut passt.
Ich war mir lange Zeit nicht sicher, ob er meinen Blog kennt. Erzählt habe ich ihm davon noch nicht. Ich habe meine Freundinnen und Freunde gebeten, es ihm nicht zu stecken. Vielleicht liest er es ja irgendwann trotzdem mal. Aber bitte, bitte: Keinen Hinweis geben. Kommt, Leute, echt nicht.
Der Typ macht mich irre. Meistens sehen wir uns beim Schwimmtraining. Er knuddelt mich zur Begrüßung. Oder überrascht mich von hinten und piekst mir in die Seite. Was ich sonst überhaupt gar nicht mag, aber bei ihm freue ich mich über die Aufmerksamkeit, die er mir schenkt. Er ärgert mich, wo er kann. Fährt hinter mir her und drängt mich plötzlich ab. In Richtung Pfeiler, Wand oder Schwimmbecken. Wenn er im Wasser an mir vorbei will, sucht er demonstrativ Körperkontakt. Immer mit der Ausrede: „Entschuldigen Sie, ich müsste da mal vorbei.“ Leider immer viel zu kurz. Am liebsten würde ich ihn dabei einfach festhalten und fest an mich ranziehen. Das traue ich mich natürlich nicht.
Ich bin mir noch nicht sicher, ob er wirklich was von mir will. Und ich traue mich nicht, ihn das zu fragen.
Heute war eigentlich auch Schwimmtraining. Und zwar in der Ausweich-Schwimmhalle bei mir um die Ecke. Die Schwimmhalle ist etwa 1.500 Meter von meiner Wohnung entfernt. Und inzwischen habe ich mir angewöhnt, nur noch das nötigste mitzunehmen. Das heißt: Ich ziehe mir meine Badesachen schon zu Hause drunter, nur noch einfache Sportkleidung drüber – so unkompliziert wie möglich. Cathleen macht es genauso, nur sie wollte wegen einer (abklingenden) Erkältung noch nicht wieder mit.
Als ich in der Schwimmhalle ankam, wartete Jan dort. Huch? Wieso wartet er und zieht sich nicht schon um? „Schwimmen fällt aus.“ Ich knuddelte ihn zur Begrüßung und hielt das erstmal für einen seiner Scherzchen, aber es war Ernst: Genau in dem Moment bekam ich eine SMS von Tatjana, dass das Training abgesagt wird, weil fast alle krank sind. Na super. Eine halbe Stunde früher und ich hätte mir das alles sparen können.
Aber dann hätte ich Jan nicht gesehen! Vielleicht sollte das so sein? Ich überlegte nicht lange: Stinkesocke, das ist deine Chance! Nutze sie richtig! Jan ist zwar rund sieben Jahre älter aber … lecker. Ich musste rausfinden, ob er jetzt sofort wieder nach Hause wollte. „Und nu?“ fragte ich beiläufig. „Keine Ahnung!“ antwortete er. Das war die beste Antwort, die er geben konnte. Ich tat so, als wenn ich einen Moment überlegte und dann sagte ich: „Ich bekomme vom Schwimmen immer so Hunger. Ich hätte vielleicht Lust, da hinten ist so ein Croque-Laden…“
„Wir sind doch gar nicht geschwommen!“ antwortete er und grinste. Ich sagte: „Wir können ja auch ohne Tatjana schwimmen gehen. Ich habe zufällig meine Badesachen drunter.“ Ich zog den Reißverschluss von meinem Fleecepulli soweit runter, dass er mir von oben reinschauen und meinen Badeanzug sehen konnte. Er überlegte einen Moment und sagte dann: „Croque?“ Angebissen! „Croque!“ bestätigte ich. Abfahrt.
Der Inhaber empfing uns mit den Worten: „Na ihr beiden Hübschen, was darf ich euch denn Gutes tun?“ *LOL* Okay. Er ist schon etwas älter, manchmal ein wenig sonderbar, aber er ist nett. Wir mampften zusammen unsere Croques, es war sehr ungezwungen, wir haben viel geredet, viel gelacht, es war schön. Er kann sehr toll erzählen, sehr fesselnd erzählen, hat seinen Humor genau auf meiner Wellenlänge und er ist irgendwie cool und vor allem nicht eingebildet oder arrogant.
Immerhin haben wir uns fast zwei Stunden unterhalten. Ich habe die Zeit völlig vergessen. Als ich ihn zum Abschied umarmt habe (nachdem wir zur Schwimmhalle zurückgefahren sind und er dort in sein Auto wollte), habe ich drei Momente lang gezögert und überlegt, ob ich ihm einen flüchtigen Mini-Kuss auf die Wange gebe und danach einfach schnell wegdüse und warte, was als nächstes von ihm kommt. Irgendwie müsste er ja darauf reagieren. Hauptsache nur, es wird nicht peinlich und zerstört nicht alles. (Ich weiß, was sollte es zerstören?! Aber das sagt sich so
einfach.)
Aber ich habe es mich nicht getraut. Ich habe ihn umarmt, gedrückt, tschau gesagt und bin zurück nach Hause gefahren. Kurz bevor ich zu Hause ankam, bemerkte ich einen gewissen Harndrang. Klar, die Fritz-Brause zum Croque machte sich bemerkbar. Im allerletzten Moment fiel mir ein, dass ich ja gar keine Pampers anhatte! Argh!! Panik! Ich war zu Hause auf Klo, hatte mir meine Badesachen angezogen und dann … kam alles anders und spannender als geplant.
Ich stand an einer roten Ampel und fasste mir unauffällig wohin: Zum Glück bisher alles trocken. Gewisse Erleichterung. Und erst jetzt kam mir nach und nach in den Sinn, was das für eine peinliche Situation hätte geben können, wenn das ausgerechnet bei meinem ersten Date sprichwörtlich in die Hose gegangen wäre! Das wäre nicht nur peinlich gewesen, das hätte irgendwie alles versaut. Besser gar nicht erst drüber nachdenken. Oh Mann, der Typ hat mich derart abgelenkt – ich merke erst so langsam, wie verknallt ich eigentlich bin.
Ich muss dringend was unternehmen: Ran an Jan!