Gen-Müll und grüne Schlümpfe

Ich bin mehrmals gewarnt worden. Aber ich bin jemand, der seine eigenen Erfahrungen machen muss. Daher bin ich heute ziemlich auf die Schnauze gefallen, als ich mir einen Vortrag über Sexualität bei Körperbehinderungen angehört habe. Eingeladen hatte eine Gruppe, die sich in erster Linie auf angeborene Querschnittlähmungen spezialisiert hat (Spina bifida, kaudales Regressionssyndrom etc.), und referiert hatte die Geschäftsführerin einer Selbsthilfegruppe. Cathleen kannte diese Geschäftsführerin, eine diplomierte Sozialwissenschaftlerin, über ihre Mutter (und in diesem Zusammenhang auch schon einen ihrer Vorträge, wenn auch nicht den über Sexualität). Auf jeden Fall warnte sie mich, als ich den Flyer bei ihr fand und ich sie fragte, ob wir nicht zusammen
dorthin wollten.

Der Vortrag war nicht saumäßig schlecht, es war unterirdisch. Geradezu unerträglich. Ich wunderte mich zu Beginn schon, warum außer mir keine jungen Leute da waren. Sondern nur irgendwelche Eltern, Pfleger, Lehrer, Ergotherapeuten etc. Es waren wohl so 70 Leute in dem Raum. Mir war von vornherein klar, dass das keine Aufklärungsveranstaltung wird, sondern eher etwas wissenschaftliches. Aber ich dachte mir, auch das könnte interessant werden und was für angeborene Querschnitte gilt, muss für erworbene Querschnitte nicht sinnlos sein.

Es wurde aber sinnlos. Und zwar auf der ganzen Linie. Die Referentin vertrat doch allen Ernstes die Meinung, dass bei angeborenen körperlichen Behinderungen die Geschlechtsorgane oft empfindungsgestört sind, weil die Natur eine Fortpflanzung von Menschen verhindern will, die möglicherweise ihren Gen-Müll (das Wort kam mindestens 20 Mal vor) an ihre Kinder oder Enkelkinder weitergeben. Das schlimme ist: Niemand, auch keiner der Fachkräfte, hat zu diesem Schwachsinn irgendwas gesagt.

Bei angeborenen Querschnittlähmungen sind fast immer äußere Einflüsse während der Schwangerschaft die Ursache. Die Gene sind völlig normal. Die Natur hätte die Möglichkeit eines natürlichen Aborts gehabt. Ich habe mich nur nicht fit genug gefühlt, um mit einem Funkmikro vor dem Gesicht mit der Dame vor etlichen Fachkräften zu diskutieren. Jetzt bereue ich es, dass ich nicht wenigstens diese Fragen gestellt habe.

Aber es wurde auch gesagt, dass Jugendliche mit solchen angeborenen Fehlbildungen auffällig selten masturbieren. Dieses Phänomen sei noch nicht so richtig untersucht worden, aber man vermute, dass das auch einen tieferen Sinn haben soll. Ich philosophiere: Bei Behindis reicht Masturbation, um mutierte Schlümpfe mit grünen Mützen zu zeugen. Und wer braucht schon grüne Schlümpfe?!

Dass auffallend selten „Normalos“ mit „Behindis“ ins Bett klettern, sei … richtig: Auch ein natürlicher Schutzinstinkt der Natur! In diesem Fall gebe es ja einen, der normale Empfindungen im Geschlechtsbereich habe, aber der werde durch die Fehlbildungen bei angeborenen Behinderungen abgeschreckt. (Oft sind bei Menschen, die seit Geburt nie laufen, die Beine kürzer und weniger muskulös.)

Ich dachte die ganze Zeit, es kommt noch etwas gehaltvolles. Kam aber nicht. So ein Blödsinn. Als ich zu Hause wieder ankam und Cathleen erzählte, was dort abgesondert wurde, sagte sie: „Dass es schlimm werden
würde, hatte ich vermutet. Dass es aber so schlimm werden würde, habe ich nicht für möglich gehalten.“

Die Moral von der Geschichte: Der Unfallquerschnitt mit Empfindungsstörungen im Genitalbereich rollt jetzt nochmal kurz nach nebenan, um dem angeborenen Querschnitt mit zu kurzen Beinen einen Gute-Nacht-Kuss zu geben und sich noch einmal zu knuddeln.

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