Kaum beginnt der beknackte Schnee draußen zu tauen, bin ich auf dem besten Weg zu neuem Glatteis. Seit gut drei Wochen bin ich inzwischen mit Jan zusammen, er kann gut küssen, er fasst sich gut an, wenn wir im Whirlpool eng aneinander ein paar Zärtlichkeiten austauschen, er schmeckt lecker, er riecht gut … ich will mehr!
Doch ich verzweifel im Moment an einer sehr schwierigen Entscheidung: Soll ich mit ihm vorher darüber sprechen, dass und warum ich außerhalb meiner vier Wände Pampers trage – oder findet er das am besten selbst raus? Dass einige Rollstuhlfahrer und vor allem Rollstuhlfahrerinnen so die nicht ganz so gesellschaftsfähigen Folgen ihrer Undichtigkeit diskret neutralisieren, wird ihm sicherlich bekannt sein. Aber wird es ihn schocken? Wird er damit umgehen können oder wird er hoffen oder gar davon ausgehen, dass ich zu den modernen Kathetermäuschen gehöre, die sich – durch blasenlähmende Medikamente oder regelmäßige Botoxspritzen in die Blasenwand – untenrum komplett dicht machen lassen?
Ich weiß von zwei guten Freundinnen, dass genau dieses Problem alles auf einen Schlag beenden könnte. „Ich melde mich dann mal wieder…“ Ich habe Angst, dass Jan sich die Frage stellen könnte, warum ich das noch vor dem ersten Fummeln anspreche, wenn es doch eigentlich gar keine Probleme damit gibt – und vermuten könnte, dass ich mich als Katze im Sack verkaufen möchte.
Von vielen Leuten außerhalb der Rolliszene bekam ich zu fast 100% den Rat, es vorher anzusprechen und offen darüber zu reden. Aber so einfach ist das nicht. Nicht, weil ich nicht über das Thema reden kann. Sondern weil ich denke, etwas falsch zu machen und ihn entweder zu unterschätzen oder ihn zu überfordern. Ich kann ihn einfach nicht einschätzen. Letztlich wäre es mir am liebsten, ich würde beiläufig auf dieses Thema kommen. Oder jemand aus meinem Umfeld würde es erwähnen und ich könnte Jans Reaktion sehen und dann einhaken. Mir fehlt der Anlass, warum ich mit ihm darüber reden sollte. Es soll eben nicht so wirken, als wenn ich davon ausgehe, er habe Vorurteile oder als wenn ich damit Probleme hätte. Gleichzeitig muss ich noch erklären oder zumindest durchblicken lassen, warum ich das überhaupt anspreche.
Diejenige, die ich mir noch am besten vorstellen könnte, mir bei dem Gespräch zu helfen, rät mir davon ab, es überhaupt vorher anzusprechen. Ich wünschte echt, ich hätte es hinter mir.