Hörnchen und Hörner

Murmeltiere gehören bekanntlich zur Familie der Hörnchen. Mit Hörnchen verbinde ich zwar in erster Linie die eigenartig geformten Brötchen oder die rotbraunen knuffigen Nagetiere, die bei diesem Wetter bereits wieder in großer Zahl durch die Bäume turnen, aber nicht zuletzt
auch den Kinofilm, in dem ein Wettermoderator in einer Zeitschleife festhängt und täglich darüber berichten muss, wie ein paar fragwürdige Typen ein Murmeltier aus seinem Winterquartier holen und anhand seines Schattens das Wetter der nächsten Wochen bestimmen wollen.

Einen ganz anderen Schatten hat hier ganz offensichtlich jemand, der mit mir zusammen am Schulschwimmen teilnimmt. Und wenn das jetzt wöchentlich so weiter geht, bekomme ich nicht nur ein Hörnchen, sondern ein ausgewachsenes Horn. Im Moment komme ich mir noch vor, als wenn ich im falschen Film bin.

Letzte Woche war nach dem Schulschwimmen mein Schwimmanzug weg. Ich war mir zwar ziemlich sicher, dass ich ihn nicht verloren haben kann, aber wirklich ausschließen kann ich es auch nicht. Als Fundsache abgegeben hat ihn niemand und aus dem sonderbaren Verhalten eines Mitschülers kann man auch nicht wirklich schlau werden.

Also habe ich heute nach dem Schwimmen meinen (zweiten) Schwimmanzug sehr bewusst zusammen mit meinem Handtuch und dem Duschzeug in meiner Tasche verstaut und diese Tasche dann auch den ganzen Tag nicht mehr geöffnet. Selbstverständlich trage ich die nicht den ganzen Tag in der Schule mit mir herum, auch schließe ich keine nassen Sachen in meinem Fach ein, das beschlägt ja alles von innen und alles, was sonst noch drin liegt, ist am Ende auch nass. Das würde wohl auch keinen Sinn machen.

Jedenfalls kam ich zu Hause an und packte meine Tasche aus. Ich rollte das Handtuch auseinander – und was war nicht mehr drin? Mein Schwimmanzug. Weg. Nummer 2 in 7 Tagen. Ich wusste nicht, ob ich weinen,
lachen oder einfach nur einen Wutanfall kriegen sollte. Es war so eine Mischung aus allem. Ich kippte meine Tasche aus, der gesamte Inhalt verteilte sich auf dem Badezimmerfußboden. Dazwischen war ein schwarzer Schwimmanzug, genau so einen, wie er mir seit letzter Woche fehlt, allerdings mit Hygienestreifen im Schritt und Etikett am Träger. 30 Euro. Nagelneu.

Okay. Am ungefährlichsten wäre es sicherlich gewesen, die ganze Geschichte von letzter Woche einfach im Sande verlaufen zu lassen. Wenn dann doch jemand von seinem schlechten Gewissen so geplagt ist, dass er das irgendwie beruhigen muss, hätte er mir einfach das Ding wieder zurückgegeben. Gewaschen, anonym auf den Tisch gelegt oder vielleicht in
meine Tasche gepackt, so wie jetzt der neue.

Nun könnte es ja sein, dass das nicht geht, weil das vielleicht doch so eine Art „Trophäe“ ist, weil derjenige das Ding in der Zwischenzeit entsorgt hat (Wo versteckt man zu Hause einen nassen Badeanzug, ohne dass Muddi den findet oder es nach drei Tagen ganz tierisch modert? Ich hätte damit früher meine Probleme gehabt.), weil derjenige den auch weiterhin „besitzen“ möchte, weil er den vielleicht in den letzten 7 Tagen 35 Mal zum Onanieren benutzt hat, was weiß ich … dann ist es ja auch noch okay, wenn man mir stattdessen den gleichen in neu in die Tasche steckt. Es ist zumindest eine nette Geste und ich verstehe das so, als wenn jemand etwas wiedergutmachen möchte.

Aber warum um alles in der Welt ist denn nun der zweite Schwimmanzug,
den ich heute getragen hatte, auch wieder weg? Das ist jetzt langsam echt nicht mehr witzig. Auch wenn es wieder nur ein einfacher zu 20 bis 30 Euro war, auch wenn es mir finanziell nicht so weh tut – mit einigen Kleidungsstücken verbinde ich auch die eine oder andere Erinnerung. Und ich möchte einfach nicht, dass jemand in meinen Klamotten wühlt. Badesachen sind so etwas wie Unterwäsche, etwas intimes (vielleicht ist es deswegen ja auch so interessant?), und ich möchte nicht, dass jemand ungefragt die Sachen anfasst.

In dem Murmeltierfilm durchbricht der Hauptdarsteller die Zeitschleife, die ihn gefangen hält, indem er sein Leben ordnet und eine
Frau kennenlernt. Nächsten Montag ist Ostern, da ist keine Schule. Aber
sollte in der Woche danach wieder jemand an meiner Tasche gewühlt haben, werde ich Anzeige erstatten. Bis jetzt ist es eine Angelegenheit zwischen Schülern, bei der nächsten Aktion lasse ich es offiziell werden.

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