Seit gestern abend ist Lisa bei uns. Wir haben uns getroffen, um mit ihr gemeinsam über das Volksfest zu gehen. Sofie, Frank, Lina und Liam, Jana und zwei Freunde von Lina waren auch noch dabei, also sechs Rollifahrer und drei Fußgänger insgesamt. Die Leute glotzten natürlich wieder, als wäre eine Gruppe Behindis spannender als die ganzen Fress- und Fahrgeschäfte, aber das ist ja nichts neues. „Drei Betreuer für sechs Behinderte? Die sparen aber auch wo sie können“, regte sich ein älterer Herr auf und seine Frau stimmte ihm zu. So kurios das auch klingt, es ist nicht erfunden.
Die Frage, ob wir nur am Wochenende rausdürfen oder heute einen Ausflug machen, haben wir mal nicht gehört, den Spruch mit der 30-Zone dafür aber umso öfter. Lisa wollte in jedes dritte Karussell rein und die Schausteller sind allesamt sehr behindertenfreundlich. Überall wurde uns geholfen, man hatte fast das Gefühl, die kräftigen Jungs, die sonst Karten abreißen oder schauen, ob die Bügel richtig geschlossen sind, waren froh, mal ein paar sexy Mädels auf den Arm nehmen zu dürfen. Man muss dann echt ein dickes Fell haben, denn die umstehenden Leute gaffen in solchen Momenten, teilweise sogar mit offenen Mündern. Aber die Hauptsache ist, wir haben unseren Spaß, und den hatten wir bestimmt.
Anschließend fragte ich Lisa: „Und nun? Noch ne Runde über den Kiez?“ – Grinsen und eifriges Nicken. Jede Wette, dass sie dort noch nie gewesen ist. Wir gingen in den Ballamann, das ist ein Indoor-Beach-Club gleich am Anfang der Reeperbahn, und bestellten uns einen Eimer Sangria.
Und eine Fritz-Kola für unseren Nachwuchs… Sie wollte natürlich auch einen eigenen Strohhalm haben. „Ein winziger Schluck ist okay, hat mein Papa gesagt!“
Um kurz vor elf, als eigentlich noch gar nichts los war, zogen wir noch ein kleines Stück über die Reeperbahn. Lisa wollte unbedingt in einen der Sexshops. Ich habe mich ein bißchen dumm gestellt, mir das Schaufenster angesehen und dann gesagt: „Nö, da will ich nicht rein. Was haben die denn hier für komische Küchengeräte ausgestellt? Das ist ja öde.“ Lisa grinste: „Ich weiß, wofür die sind.“
„Nun sag bloß“, nahm Sofie sie auf den Arm. Sie merkte es nicht: „Na klar, ich bin nicht so naiv wie du denkst! Das sind Vibratoren. Eine Freundin von mir hat auch sowas. Aber die hat alles, das ist langweilig.“ – „Och du, so langweilig sind die nicht“, sagte ich. Sie guckte mich mit großen Augen an: „Hast du auch so einen?“ Ich grinste. Sie sagte: „Du verarschst mich. Sag mal wirklich: Hast du einen?“ Ich nickte.
„Jetzt kommt es raus“, sagte Frank. Lisa setzte noch einmal nach: „Nein, jetzt sag doch mal in echt. Hast du wirklich sowas?“ – „Ja! Wirklich.“ – „Schwörst du?“ – „Ich schwöre.“ – „Wahnsinn.“ – „Aber ohne Batterien.“ – „Das ist dann aber ein Dildo!“ Ich musste mich arg zusammenreißen. Sie war so süß. Und wollte natürlich alles andere als süß sein.
Als wir wieder zu Hause waren, stand zur Entscheidung, ob wir „früh“ ins Bett gehen oder noch die Aufzeichnung von DSDS schauen. Mich interessiert das nicht wirklich, aber Lisa war Feuer und Flamme. Also haben wir uns im Gruppenraum zu siebt auf das Sofa gepackt (ja, es ist groß genug), uns zugedeckt und uns angeschaut, wie sich Kim aus dem Viertelfinale gesungen hat. Es war noch nicht ganz vorbei, als zwischen uns jemand tief und fest schlief…