Überzeugt, überrascht, begeistert

Sehr gut. Nein wirklich. Ich bin überzeugt und begeistert. Hätte ich nicht gedacht, dass er mir so sehr gefallen würde. Nein, nein, ich werde es nicht übertreiben, ich weiß, er ist nur ein Gebrauchsgegenstand. Und irgendwann wird er seine erste Schramme bekommen, wenn er sie jetzt nicht sowieso schon hat, ohne dass ich davon
weiß oder es bemerkt hätte. Aber dass es einen solch großen Unterschied
gibt, den man so sehr merkt, davon bin ich wirklich überrascht.

Überzeugt, überrascht, begeistert – das Ding heißt Viano, hat viel zu
viele PS (224) und jede Menge Schnickschnack, den man -wie immer- eigentlich nicht braucht, den man aber gerne mitnimmt oder mitnehmen muss. Und der gerne sofort nach Ende der Garantie kaputt geht. Mal schauen.

Der Endpreis, den mir der Händler vor einigen Wochen ausgerechnet hatte, hat sich nur „moderat“ nach oben verändert. Durch einen Zuschuss meiner Unfallkasse, den ich zwar noch nicht ausgezahlt, aber bereits per
Fax zugesichert bekommen habe, muss ich am Ende noch knapp 31.000 € selbst abdrücken. Und mit Blick darauf, dass ich in den Zeiten, in denen
noch ein Vormund über mich bestimmen durfte, möglichst gar nichts hin- oder hergebucht habe, weil ich jedes Mal einen halben Roman in irgendwelche Formblätter malen und auf Genehmigung warten musste, konnte
ich das vom Girokonto bezahlen und musste meine Ersparnisse (also die fest angelegten Entschädigungszahlungen) überhaupt nicht anrühren. Wenn jetzt allerdings die Erstattung kommt, muss ich mein Girokonto dringend mal aufräumen. Meine Bank hat mich schon mindestens 5 Mal zu einem Gespräch eingeladen.

Eine ziemliche Frechheit fand ich, dass der Händer „vergessen“ hatte,
mich darauf hinzuweisen, dass mich sein Service knapp 950 € kostet, die
bei Fahrzeugübergabe zu zahlen sind. „Können Sie hier gleich mit EC-Karte zahlen“, meinte er. Es ging um den behindertengerechten Umbau, den es nicht ab Werk gibt, sondern der vom Händler in Auftrag gegeben wird. Also nicht die Überführungsgebühr, sondern eine zusätzliche Servicegebühr. Ich dachte mir: ‚Stinkesocke, du bist 18, du bist selbst für dich verantwortlich, lass dich nicht verarschen.‘ Wollte ich mich wirklich mit ihm um 1.000 € streiten, wo er so nett war, mir 20% zu geben?

Wollte ich. „Ähm, davon haben Sie mir ja noch gar nichts erzählt.“ – „Das ist immer so. Haben wir auch besprochen.“ – „Daran kann ich mich aber gar nicht erinnern.“ – „Sie wollen doch jetzt nicht ersthaft den Preis drücken, nachdem ich Ihnen schon 20% Rabatt eingeräumt habe, oder?“

Tatsächlich, diese Tour. Hatte ich einen Grund, nett zu ihm zu sein? Nein. Ich will das Auto, er will mein Geld. Darüber haben wir einen Vertrag. Im Moment hält er sich nicht dran. Denn im Vertrag steht nichts
von dieser Gebühr. Also in die Offensive: „Wieso Preis drücken? Sie fangen doch gerade nochmal an, den Preis neu zu verhandeln. Ich will ein
Auto, Sie wollen Geld. Welches Auto und wieviel Geld haben wir beide schriftlich vereinbart. Ich halte mich an den Vertrag und Sie sollten das auch tun.“

Jetzt musste man nur hoffen, dass die keine Hintertür haben, um die 20% wieder rausrechnen zu können. Aber Frank hatte sich den Vertrag angeschaut und gesagt, ich könnte ihn unterschreiben. Ganz so blauäugig gehe ich an solche Dinge ja nicht ran, wenn ich mich damit auch nicht auskenne. Drei, zwei, eins … „Bevor wir uns mit Ihnen streiten, schenken
wir Ihnen die Gebühr. Fühlen Sie sich eingeladen.“ Sollte ich jetzt dankbar sein? Kann ja wirklich sein, dass so etwas üblich ist und die vergessen haben, das in den Vertrag zu schreiben. Ist dann aber deren Problem, nicht meins. (Doch, es ist meins, wenn ich nämlich ein schlechtes Gewissen eingeredet bekomme.)

Anfangs hatte ich ernsthafte Bedenken, dass er viel zu groß sein würde und viel zu schwer, und ich muss zugeben, es ist kein Auto, mit dem ich zum Einkaufen fahren werde. Alleine das Ein- und Ausladen meines
Rollstuhls von der erhöhten Sitzposition aus ist eine ziemliche Anstrengung, da ich mich fast überkopf raushängen muss. Mir wurde schon empfohlen, mich dabei anzuschnallen, um nicht irgendwann mal aus Versehen den kompletten Abflug zu machen.

Aber dann! Man kann ihn mit meinem alten Golf IV überhaupt nicht vergleichen. Er schnurrt wie ein zahmes Kätzchen, vor allem drinnen würde man nicht denken, dass es sich um einen Dieselmotor handelt. Die Motorleistung ist viel zu groß, nur leider konnte ich in der Ausstattung, die ich behinderungs- und auflagenbedingt benötige, keine andere Motorisierung wählen. Drinnen riecht es noch sehr neu. Noch kein Staub, keine Pommes unter den Sitzen und kein Fettfilm an den Scheiben. Die Übersicht nach vorne ist atemberaubend, nach hinten dank Rückfahrkamera auch.

Die Rückfahrkamera ist genial. Wer damit noch Poller umfährt, muss blind sein. Man kann wirklich auf den Zentimeter genau einparken und sieht alles, auch weit über den rechten und linken Fahrzeugrand hinaus. Einen elektrisch verstellbaren Fahrersitz nimmt man gerne mal mit, wenn man ihn nicht selbst bezahlen muss, elektrische Schiebetüren auf beiden Seiten und eine Standheizung mit Fernbedienung auch. Nein, Leute, ich kann das Auto im Winter nicht freikratzen. Das klappt wirklich nicht. Auch nicht beim Golf.

Die beleuchteten Ausstiege sind Serie. Ein klarer Vorteil, wenn man im Dunkeln da unten einen Rollstuhl zusammenbauen soll. Nicht nur, dass man die Öffnung für die Steckachse findet, sondern der vorbeifahrende Verkehr bekommt den dort unten liegenden Rollstuhl und die geöffnete Tür
noch genial angestrahlt. Getönte Scheiben hinten und elektrische Fensterheber sowie elektrische Ausstellfenster hinten gehören ebenso zum
Standard wie der Licht- und Regensensor.

Was ich selbst bezahlen musste: Sitzheizung, Gepäcknetz, Teppichboden, Klimaanlage, Radio, Alarmanlage und Tempomat.

Auf jeden Fall fährt er, alles funktioniert, er passt in die Garage und ich komme zurecht. Was will man mehr?

Und der Platz ist mehr als gut. Wenn man im hinteren Bereich alles ausbaut, passt tatsächlich eine 140 x 200 cm große Matratze hinein. Ich bin wegen meines langen Klinik-Aufenthalts nicht fit genug. Aber Cathleen und Simone wollen am Wochenende an einem Triathlon teilnehmen. Ich denke, ich werde sie spontan begleiten und im Auto schlafen. Mal schauen.

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