Viele Wege führen zur ambulanten Therapie ins Krankenhaus. Einer mit öffentlichen Verkehrsmitteln führt über einen der vielen Knotenpunkte in Hamburg, an dem sich eine U-Bahn-Linie und ganz viele Buslinien kreuzen. Ich sage bewusst nicht, welcher Knotenpunkt es ist, denn ich möchte von einer Situation berichten, die sich -zur Zeit noch- immer wieder provozieren ließe. Aber der Reihe nach.
Ich verließ am letzten Freitag den U-Bahnhof über die Rolltreppe und wollte zu meinem Bus, der in vier Minuten fahren sollte, war also etwas in Eile. Über die Rolltreppe gelangte ich direkt auf eine Art große Insel, an der ringsherum die Busse „anlegten“. Mitten auf dieser überdachten Insel waren mehrere Geschäfte angesiedelt, ein türkischer Pizzabäcker, ein Bonbon-Laden, ein Kiosk und, was ich noch nie gesehen hatte, eine Behindertentoilette. Ich wusste, dass ein Stockwerk tiefer eine WC-Anlage ist und dachte immer, dort sei auch ein Behinderten-WC – nein, falsch, das Behinderten-WC ist mittig auf dem Busbahnhof.
Ich rollte also über diese besagte Insel zu dem Punkt, an dem mein Bus abfahren sollte, und bemerkte in dem ganzen Getümmel des freitäglichen Berufsverkehrs eine Traube von Jugendlichen vor einer geöffneten Stahltür stehen, allesamt laut schnatternd und ihre Handys in
die Luft haltend. Hätte ich nicht dort vorbeifahren müssen, um zu meinem Bus zu gelangen, hätte ich die überhaupt nicht weiter beachtet. Was interessiert mich, woran die da Spaß haben?
So musste ich aber direkt daran vorbei und sah über der Tür ein Schild „WC“ und das Rollstuhlfahrersymbol. Bis dahin wusste ich, wie gesagt, noch nicht einmal, dass sich dort ein solches WC befindet.
Beim Vorbeifahren konnte ich für einen kurzen Moment zwischen den Jugendlichen hindurch in den Raum hinein sehen. Drinnen stand ein Rollstuhl, mit dem Rücken zum Eingang, und ich konnte sehen, dass jemand
mit heruntergelassener Hose auf einem Klo saß. Wie alt, wie derjenige aussah, konnte ich nicht erkennen. Wieso war die Tür überhaupt offen? Und was sollte der Zirkus hier?
In dem Moment kam wohl der Bus dieser Jugendlichen und sie verschwanden von dieser Tür. Die Tür fiel zu. Während ich auf den Bus wartete, kam irgendwann eine junge Frau in einem Elektro-Rollstuhl aus dem Raum und stellte sich neben mich. Sie wollte anscheinend mit demselben Bus fahren. Ich sprach sie an: „Was war denn da eben vor der Tür los bei dir?“ Sie antwortete: „Ach, ich musste dringend auf die Toilette, sonst hätte ich diese hier gar nicht genommen. Man kann sie nicht abschließen und wenn von draußen ein zweiter Rollifahrer den Schlüsselschalter betätigt, geht die Tür auf und bleibt eine halbe Minute lang offen stehen. Und in der Zeit kamen halt die Jugendlichen vorbei und haben mich gefilmt. Vermutlich steht das morgen bei Youtube drinnen.“ – „Na super.“
„Ja, normalerweise benutze ich das nicht, weil es mir eben zu riskant
ist. Es sei denn, ich muss ganz dringend. Ist ja das einzige WC hier weit und breit. Ich hatte mich schonmal an den Betreiber gewandt, aber der meinte, Behinderten-WCs dürfe man nicht von innen absperren können, damit im Notfall jeder Hilfe leisten könne.“
Was für ein Schwachsinn! Warum kann man nicht wenigstens ein Schloss einbauen, dass man im Notfall von außen mit einer Münze öffnen kann, das
aber verhindert, dass jemand versehentlich die Tür öffnet, weil er denkt, es sei frei? Ich werde es nicht begreifen.
Den gleichen Blödsinn gibt es neuerdings in den Hamburger Schwimmbädern. Dort dürfen Umkleiden, Duschen und WCs für Behinderte auch nicht mehr verriegelt werden. Gar nicht. Das heißt konkret: Ständig
kann jemand reinkommen, der denkt, der Raum sei frei. Man kann die Tür auch nicht von innen verkeilen oder ähnliches, weil es sich meistens um Schiebetüren handelt. Das sei, so ein Schwimmmeister kürzlich, eine neue
Not- und Gefahrenvorschrift.
Solange man zu zweit schwimmen geht, kann einer vor der Tür stehen bleiben und aufpassen. Wenn nicht, muss man hoffen, dass niemand zur gleichen Zeit das WC oder die Dusche benutzen will. Was im Festland in der Holstenstraße beispielsweise recht vergeblich ist, denn das Behinderten-WC benutzen regelmäßig auch andere Leute, weil es sich um das einzige WC im gesamten Umkleidebereich handelt. Das nächste, normale
WC ist erst in der Schleuse zwischen Umkleiden und Schwimmbecken. Was wiederum zur Folge hat, dass ich vor dem Schwimmen dort gar nicht mehr und danach nur noch „angezogen“ dusche. Schließlich geht in den 10 Minuten im Durchschnitt 3 Mal die Tür auf und nach einem kurzen gemurmelten „Entschuldigung“ wieder zu.