Ein gebrauchtes Wochenende

Was gibt es bloß für Idioten auf dieser Welt? Ich kaufe in einem Elektronik-Warenhaus einen original verschlossenen und vom Hersteller versiegelten Karton, in dem sich Toner für meinen Laserdrucker befinden soll, mache den zu Hause auf und drinnen ist nur Müll. Offenbar hatte den Karton vorher jemand von unten aufgefummelt, das Orinalteil herausgenommen, eine mit Sand gefüllte Milchtüte, abgelaufen am 31.03.11, hinein gepackt, den Karton sauber erst mit Flüssigkleber, anschließend mit durchsichtigem Klebeband wieder zugeklebt und dann den Kram zurückgebracht – vermutlich unter der Behauptung, den falschen Toner erwischt (oder gar ausgehändigt bekommen) zu haben. Und anschließend mit Bargeld, einem Warengutschein oder dem Toner für seinen
Firmendrucker in der Hand das Warenhaus verlassen…

Und Stinkesocke hat 170 Euro für einen Kombisparpack mit vier bunten Kartuschen abgedrückt und damit irgendeiner Schweinebacke seinen Kram finanziert. Nur wenn ich da jetzt wieder hinfahre und die Story zum Besten gebe, glaubt mir das sowieso niemand. Am Ende unterstellt man mir
noch den Betrugsversuch. Folglich habe ich ordentlich Leer- ähm… Lehrgeld bezahlt und weiß nun, dass man auch versiegelte Kartons am besten gleich vor Ort auspackt, wenn man keine schonmal gebrauchte Ware erhalten möchte.

Schonmal gebraucht war am letzten Wochenende allerdings nicht nur der
Toner, sondern irgendwie alles. Das ganze Wochenende war aus der Second-Hand-Schublade. Morgens sollte Zeugnisausgabe sein. Ein Dutzend Leute haben sich gewundert, wieso unsere Schule die Zeugnisse eine Woche
vor den anderen Schulen ausgibt. Fünf Mal nachgefragt: Nö, hat alles seine Richtigkeit. Am letzten Freitag dann: „Wieso heute? Häh? Könnt ihr
nicht lesen?!“ – Egal. Jetzt gibt es sie doch erst am Dienstag. Hätte mich auch gewundert. Unterricht war aber auch nicht, weil keiner der Lehrer noch Bock hat.

Anschließend bin ich zum Hausarzt gefahren. Ich wollte nur die Verlängerung von zwei Dauerverordnungen rausholen und eine Überweisung zum Dermatologen: Ich habe am rechten Unterschenkel einen Leberfleck, der einmal pro Jahr angeschaut werden soll. Zwei andere wurden schonmal entfernt, allerdings mit harmlosem Befund. Meine Hausärztin hat allerdings Urlaub (was ich vorher nicht wusste) und in der Praxis wütete
wartete die Vertretung. „Ja, das ist ja viel Geldschneiderei, eigentlich müssen Sie das bezahlen, wo ist denn der Leberfleck?“ – „Was muss ich bezahlen?“ – „Naja, das Anschauen der Leberflecke, und da sich rumgesprochen hat, dass es bei einem konkreten Verdacht kostenlos ist, gehen uns alle Leute auf den Keks mit irgendwelchen Geschichten von sich
verändernden Leberflecken, nur damit sie eine Überweisung bekommen und die 30 Euro auf Privatrechnung nicht bezahlen müssen.“

Ich war drauf und dran, der ein paar passende Worte zu sagen. Würde der Dermatologe dann alle Leberflecke anschauen oder nur den einen? Bringt das dann was? Hat man dann was gespart? Habe ich das nötig? Also.
– „Dann müssen Sie sich noch einen Augenblick hinsetzen und warten“, sagte sie. Ich sitze schon, dachte ich. Aber dann warte ich eben.

Nach knapp 90 Minuten kam ich als letzte dran. Sie schaute sich mein Bein an, ich wollte eigentlich nur noch wieder los, als sie in einem vorwurfsvollen Ton sagte: „Was haben Sie da denn?!?“ – „Wieso, was hab ich da denn?“ – „Ziehen Sie mal die Hose aus. Und die Schuhe. Und die Socken. Und dann legen Sie sich mal hier hin.“ Dann fing sie an, an meiner Fußsohle zu kitzeln. „Merken Sie das?“ – „Äh, was? Ich habe eine Querschnittlähmung, ich merke da nichts.“ – „Fassen Sie mal an, das rechte Bein ist viel heißer als das linke!“ – „Ja, das habe ich manchmal.“ – „Wenn ich hier drauf rumdrücke, merken Sie nichts, oder?“ –
„Neihein!“ – „Und hier auch nicht, oder?“ – „Nein, und überhaupt an den
Beinen sowieso nichts. Was machen Sie da jetzt und was soll das werden?“ – „Der rechte Unterschenkel ist völlig überwärmt und der Fußknöchel auch. Und wenn ich hier reindrücke, drücke ich Wasser weg. Nehmen Sie Entwässerungsmittel? Und wieso tragen Sie keine Thrombosestrümpfe?“

„Das hat noch nie jemand für wichtig erachtet.“ – „Sie müssen sofort ins Krankenhaus.“ – „Was?“ – „Ja. Das ist absolut gefährlich. Da kann es
ernsthafte Komplikationen geben!“ – Ich bekam Angst. Was für Komplikationen? Was hatte ich da? Wieso hatte das noch nie jemand gemerkt? Sollte ich froh sein, dass die da so ein geschultes Auge hat und das sofort erkennt? – „Sie fahren jetzt mit dem RTW ins nächste Krankenhaus, das muss sofort untersucht werden.“

Na super. Lange keine Komplikation gehabt, lange keine Notaufnahme gesehen, lange nicht mit dem Rettungswagen gefahren. Ich wurde gegen meinen Wunsch in das nächst gelegene Krankenhaus gegurkt, und wie sich später herausstellte, lag der Beutel, in den ich alle meine persönlichen
Sachen packen sollte, und mein Rucksack noch in der Arztpraxis. Einschließlich Papiere, Schlüssel, Handy. Obwohl die Sanitäter gesagt haben, sie nehmen das mit. Nach vier Stunden (!) kam dann ein Arzt, der sagte, dass er sich nicht auskennt und mich wegen meiner Querschnittlähmung in ein anderes Krankenhaus verlegen möchte. Noch eine
Fahrt mit dem Krankenwagen, als ich da endlich im Untersuchungsraum angekommen war, wurde erst noch ein Arzt aus dem Bereitschaftsdienst von
zu Hause geholt und dann, so gegen 21.30 Uhr, stand fest, dass eine Kontrastmitteluntersuchung gemacht werden muss, die aber in dem Krankenhaus auch nicht gemacht werden konnte, weil es kein Notfall ist und zwischen meinem Kostenträger und dem Krankenhaus kein Vertrag besteht. Hätten die mich gleich in „mein“ Krankenhaus gebracht, wo ich von Anfang an hin wollte, wäre alles kein Problem gewesen.

Als ich in „meiner“ Klinik ankam, hatte ein Arzt Dienst, den ich schon aus meiner stationären Zeit kannte und der immer sehr cool und nett war. „Was soll da sein? Das ist Unsinn. Da machen wir jetzt ein vernünftiges Ultraschall, ich hole noch eine Kollegin dazu, die schaut sich das mit an und dann sehen wir weiter.“ – Ende vom Lied: Nichts los.
Absolut nichts. Nichts als heiße Luft. Keine Wassereinlagerungen, keine
Thrombose, Blut unauffällig, lediglich zurückgebildete Muskeln an den Beinen. Um halb zwei nachts bestellte man mir ein Taxi, stellte mir einen Beförderungsschein aus und ich durfte nach Hause.

Als ich heute in der Praxis anrief, um zu klären, wann ich meine Sachen abholen könnte, wurde mir dann noch erzählt, dass die noch am selben Abend per Kurier ins Krankenhaus geschickt wurden. Stundenlang habe ich bis eben damit verbracht, meine Sachen zusammen zu suchen. Das könnte ich jetzt noch über drei Seiten beschreiben, aber ich kürze es ab: Am Ende waren sie im ersten Krankenhaus bei den Fundsachen. Nun habe
ich endlich mein Handy wieder, mein Auto, mein Geld – Wahnsinn!!

Eigentlich wollte ich dieses Wochenende in ein Trainingslager. War vorher noch mit einer Freundin verabredet, die vergeblich durch die halbe Stadt geeiert ist und auf mich gewartet hat. Ich habe gerade mein I-am-fed-up-T-Shirt aus der Waschmaschine geholt. Ich glaube, das ziehe ich gleich nass an…

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