Nett, aber nutzlos

Mitleid ist meist nur oberflächlich betrachtet eine gute Emotion. Meist steckt dahinter eine besondere Form der Verachtung, das Urteil: „Nett, aber nutzlos.“

Eine deutliche Aussage der Sozialpsychologin und Princeton-Professorin Fiske, die sich mit der Entstehung von Vorurteilen
beschäftigt und dabei auf zwei grundsätzliche Dimensionen gestoßen ist:
Von der Wärme, die ein Mensch auf einen anderen ausstrahlt und von seiner Kompetenz hänge es ab, wie wir ihn einschätzen.

Im Rahmen verschiedener Studien hat sie etliche Menschen in einen Magnetresonanztomografen geschickt und die verschiedenen Aktivitäten im Hirn der Probanden gemessen. Dabei fiel auf, dass viele Menschen zum Beispiel Obdachlose oder Drogenabhängige als Objekte betrachten und nicht als menschliche Wesen. Ein unbewusster Vorgang als Ergebnis eines über den Lauf der menschlichen Evolution und Geschichte andauernden überlebenswichtigen Verhaltens, dem Vergleichen mit anderen zur Bestimmung des eigenen sozialen Status.

Man habe herausgefunden, dass die Bestimmung des eigenen sozialen Status auf zwei Ebenen geschehe, nämlich durch die Beurteilung von Wärme
und Kompetenz des Gegenübers. Ein erfolgreicher Aktienhändler gelte dabei eher als kühl, ein mittelständischer Handwerker als warm. Generell
werden Mitglieder der Gruppe, in der man sich selbst sieht, eher als warm angesehen, Menschen, die sozial über oder unter einem stehen eher als kalt. Zusammen mit der Kompetenz, die man einem Menschen zuschreibt (Alte, Behinderte, Arme, Sozialhilfeempfänger, Obdachlose haben dabei eher eine niedrige Kompetenz, während man sich selbst und Vorbildern, Experten, erfolgreichen Menschen, Reichen eine eher hohe Kompetenz zuschreibt), ergeben sich vier unbewusste Empfindungen.

In der eigenen Gruppe findet sich eine hohe Kompetenz zusammen mit starker Wärme, die Stolz
auslöst, in der Gruppe der erfolgreichen über sozial über einem selbst angesiedelten Menschen findet sich eine hohe Kompetenz bei schwacher Wärme. Diese lösen bei den meisten Probanden Neid aus.

Bei den Menschen, denen man eine niedrige Kompetenz zuschreibt, gibt es bei schwacher Wärme (Arme, Sozialhilfeempfänger, Obdachlose) regelmäßig Verachtung und Ekel, während bei starker Wärme (Alte, Behinderte) regelmäßig Mitleid entsteht.

Zusammengefasst behauptet Fiske also, behinderten Menschen begegnen wir instinktiv mit Mitleid, wir verknüpfen ihren Anblick unbewusst mit starker Wärme und wenig Kompetenz. Möchte man nun diesem Wärme-Kompetenz-Modell folgen, habe ich kaum eine Chance, dem Mitleid meiner Mitmenschen zu entkommen. Was sich in der Evolution und Geschichte in die Hirne der Menschen eingebrannt hat, werden wir in unserer kurzen Lebenszeit nicht ändern können. Shit.

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