„Noch deutlicher kann ich es nicht mehr formulieren“, schrieb ich in einem zugegebenermaßen provozierend als „Gebrauchsanleitung für Rollstuhlfahrer“ genannten Beitrag vor einigen Tagen. Nach einigen der zahlreichen Kommentare und wegen einiger unmissverständlicher Mails muss ich aber in einem Punkt noch einmal erklärend nachlegen, denn mein „Punkt 4“ war nicht so deutlich, wie ich es gehofft hätte: „Wer freundlich angebotene Hilfe freundlich ablehnt, weiß, was er tut.“
Ich habe absolut nichts dagegen, dass mir jemand Hilfe anbietet. Im Gegenteil, meistens finde ich es nett. Dass es manchmal nervt, wenn ich bei einer Stunde Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln dreißig Mal angesprochen werde, ist etwas, was ich wohl kompensieren muss. Und solange alles freundlich bleibt, ist es okay und dann bleibe ich auch freundlich. Eine ganz einfache Frage: „Kann ich Ihnen helfen?“
„Nein, vielen Dank“, wäre meine Standardantwort. Oder: „Nein danke, ich komme zurecht.“
Das war und ist nicht mein Problem. Mein Problem ist die „Bevormundung“, die ich empfinde, wenn jemand ohne zu fragen einfach hilft oder sich über meine Ablehnung hinwegsetzt und mich vielleicht dabei noch in Gefahr bringt. Ich bin mir dessen bewusst, dass viele Menschen sich nicht trauen, benötigte Hilfe zu erbitten. Aber selbst wenn das bei mir so wäre, wenn ich dann die angebotene Hilfe ablehne, dann denke ich mir doch etwas dabei. Es kann nicht sein, dass mein Wort weniger zählt als die Einschätzung meiner Mitmenschen.
Genau dasselbe passiert gerade bei Maria: Sie braucht, um innerhalb ihres Zimmer einmal von einer Ecke zur anderen zu fahren, locker zwei Minuten. Sobald der Boden uneben wird oder der Wind weht oder sonstige kleinste Hindernisse in die Quere kommen, ist sie aufgeschmissen. In ihrer früheren Einrichtung hat man sich bevormundend stets dagegen gesperrt, jetzt hat Maria einen Elektrorollstuhl für draußen bei ihrer Krankenkasse beantragt.
Ein Selbstgänger, sollte man meinen. Oder anders ausgedrückt: Die Entscheidung lässt sich in wenigen Minuten nach Aktenlage treffen. Aber nein … nach sechs Wochen Bearbeitungszeit lehnt eine große Ersatzkasse den ersten Elektrorollstuhl ihres Lebens ab. Begründung: „Nach gutachterlicher Feststellung sind Sie mit einem Aktivrollstuhl ausreichend und zweckmäßig versorgt.“
Okay, da hat jemand geschlafen. Oder war im falschen Film. Das Problem sollte sich fast am Telefon beheben lassen, sollte man meinen. Irrtum. Auf telefonische Nachfrage glaubt der Sachbearbeiter dem Gutachter mehr als Maria (oder Frank, der für sie dort angerufen hat): Wenn der Gutachter das so feststellt, seien der Kasse die Hände gebunden. Vielleicht, so der Sachbearbeiter, ließen sich mit regelmäßigem Training die so wichtigen Komponenten Kraft und Ausdauer noch erhöhen.
Ähm. Ja. Ohne Worte. Das ist schon so dumm, dazu fällt mir nichts mehr ein, was man hier ungestraft schreiben dürfte. Da Frank sie als Anwalt nicht vertreten darf, will Maria nun morgen mit dem Anwalt sprechen, der sie auch in der Sache mit ihrem Wohnplatz vertritt, und versuchen, über ihn beim zuständigen Sozialgericht einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen.