In der letzten Woche hatten wir es in unserem Studium erstmals mit einer Professorin zu tun, die sich als Anästhesistin lange Zeit darum gekümmert hat, dass Patienten bei einer OP gut schlafen, andererseits aber auch über Jahre als Notärztin unterwegs war. Sie stammt aus dem Rheinland und heißt mit Vornamen Lore, was jetzt erstmal nicht so spannend wäre, hätte sie nicht erzählt, dass ihre Kolleginnen und Kollegen sie damals immer „Rettungslore“ genannt haben.
Marie und ich schauten uns an, wussten, frevelhaft wie wir nunmal sind, nicht, ob wir darüber lachen oder weinen sollten, und hatten diese merkwürdige Vorstellung schon wieder vergessen, als wir vorgestern auf die U-Bahn warteten und plötzlich Marie auf dem sonst menschenleeren Bahnsteig schockiert nach meiner Hand griff. Ich dachte schon, irgendwo liegt einer blutverschmiert im Gleis oder die Rotte Glatzen, die uns oben auf der Straße bereits unangenehm bepöbelt hatte, käme gerade die Treppe hinunter, um mit uns zusammen Geburtstag zu feiern. Nein, nichts von alledem, Maries ausgestreckter Zeigefinger deutete auf ein Schild an der Wand.
Hinter der Wand war nicht etwa unsere Professorin eingesperrt, sondern es gibt einen Wagen, den man auf die Schienen stellt, von Hand schiebt und damit Verletzte aus einem Eisenbahntunnel bergen kann – eine
Rettungslore. Tja, Lore, tut uns leid, seit es die Mark nicht mehr gibt, kann auch kein Groschen mehr fallen. Ich bin vermutlich schon hunderte Male an diesem Schild vorbei gerollt, habe dem aber nie Beachtung geschenkt. Wer von meinen Leserinnen und Lesern zuerst errät, in welchem U-Bahnhof das Foto geschossen wurde, bekommt von mir ein virtuelles Lächeln.
Wenn ich den roten Faden meines Online-Tagebuchs nun gerade schonmal verlassen habe und meine Leser entgegen aller Gewohnheit direkt in einem Beitrag anspreche, bitte ich auch gleich darum, die letzten 10 Tage noch durchzuhalten und weiter abzustimmen. Bei den BOBs. Ursprünglich wollte ich nur nicht auf Platz 11 bleiben, im Moment stehe ich aber mit 40% vor Verfolger Sash (31%) auf Platz 1. Ich freue mich über soviel Zuspruch und sage: Vielen Dank!
Aber gerade habe ich auch gesehen, dass es in der nächsten Woche bis zu 30 Grad warmes Wetter geben soll – nur bei uns in Hamburg mal wieder nicht. Da wird es weiter regnerisch bei höchstens 15 Grad. Ähm … habe ich zu hohe Erwartungen, wenn ich nach gefühlten 10 Monaten endlich mal wieder einen Abend bis Mitternacht ohne Thermokleidung auf einer Terrasse sitzen möchte? Oder nachts draußen Sport machen, ohne hinterher sehnlichst eine heiße Dusche herbeizuwünschen, weil man nach drei Minuten Stillstand nicht mehr warm wird? Nur mal so als klitzekleinen Hinweis an denjenigen, der da oben die Geschicke lenkt.
Immerhin war ich gestern schon wieder draußen schwimmen. Ja, ich weiß, der liebevolle Aufbau eines Spannungsbogens funktioniert anders. Ich fange nochmal neu an: Ich war mit Marie zum Kochen verabredet, wir haben uns für einen leckeren Nudelauflauf entschieden und wollten anschließend für die Uni lernen. Wir saßen in ihrem Zimmer auf dem Bett, waren mit dem Lernen so gut wie fertig, als sie plötzlich sagte: „Sag mal, hättest du Lust, eine Runde schwimmen zu gehen?“
„Lust schon, aber wann und wo denn?“ – „Jetzt gleich, bei uns im Garten. Mein Papa hat vorgestern unseren Pool wieder gefüllt, es friert ja nachts nicht mehr und ich geh da eigentlich jeden Tag rein und plansche eine Runde.“ – „Ihr habt einen Pool im Garten? Was denn für einen?“ – „Naja, so glaube ich 1,50 tief und … keine Ahnung, wie breit, aber man kann richtig drin schwimmen.“ – „Also richtig sowas gefliestes oder so ein Plastikteil?“ – „Nein, richtig installiert und eingebuddelt und gefliest, da ist auch eine Sauna daneben und eine Dusche mit fließendem Wasser.“
„Sag nicht, in die Sauna kommt man mit dem Rolli rein.“ – „Ja denkst du, meine Eltern stellen sich hier ein Saunahäuschen hin, in das ich nicht reinkomme?“ – „Keine Ahnung, könnte ja sein, dass das nichts für dich ist!“ – „Ich liebe saunen, vor allem im Winter, wenn Schnee liegt. Absolut geil. Machen wir regelmäßig, nur den Pool lassen wir im Winter leer, das schafft die Heizung nicht.“
„Ach der ist beheizt?“ – „Ja. Im Sommer muss man das nicht unbedingt, aber jetzt zu dieser Jahreszeit wäre das ohne Heizung zu kalt.“ – „Und womit heizt ihr den?“ – „Sonnenlicht. Ausschließlich. Das war Bedingung, sonst hätte meine Mutter dem nicht zugestimmt.“ – „Und reicht das denn?“ – „Sobald es nachts nicht mehr unter 10 Grad abkühlt, kriegt man den nachmittags auf 25 bis 30 Grad. Mehr als 32 wollen wir nicht, weil sich sonst Bakterien zu schnell vermehren, dann muss man da so viel Chemie zugeben, das wollen wir auch nicht.“
„Darf ich denn mit in den Pool? Ich meine, was sagt deine Mutter dazu?“ – „Du wärest die erste Freundin von mir, die nicht reindürfte. Unsere Nachbarin planscht auch regelmäßig drin. Das ist schon in Ordnung.“ – „Okay, leihst du mir einen Badeanzug?“ – „Wieso Badeanzug, ich bade immer nackt. Das ist der Vorteil, wenn man so ein Ding auf dem eigenen Grundstück hat.“ – „Nackt?!“ – „Ja, da guckt schon keiner. Man kann das nicht einsehen von der Straße.“ – „Und wenn deine Eltern nach Hause kommen?“ – „Mein Papa kommt erst heute abend spät und meine Mutter sollte dich in ihrer Praxis mit Sicherheit schonmal nackt gesehen haben, oder?“ – „Das ist aber was anderes.“ – „Die kommt schon nicht dahin und guckt. Wir nehmen große Handtücher mit und dann geht das schon.“
„Ich weiß nicht, irgendwie hab ich so ein bißchen Angst, deine Mutter ist gleichzeitig meine Hausärztin und ich bade in ihrem Pool, das ist für mich irgendwie … nicht richtig. Ich weiß nicht.“ – „Ich rufe sie an und frage, ob wir das dürfen, okay?“ – „Wenn das so selbstverständlich ist, wie du das sagst, wirkt das doch auch doof.“ – „Ich frag einfach, ob der jetzt einsatzbereit ist und ob ich mit dir da heute rein darf.“
„Ist der eigentlich gechlort?“ – „So wie im Hallenbad nicht, das wäre viel zu gefährlich, wenn man sich hier so eine Giftgas-Anlage in den Garten stellen würde, meint mein Papa, aber irgendeine Chemie kommt da immer mit rein, allein schon weil ja doch mal irgendeine Ente da reinkackt oder auch wegen meiner Blase. Da muss man auch hin und wieder irgendeine Tablette nachwerfen. Aber darum müssen wir uns nicht kümmern, das macht alles mein Papa.“
Und was soll ich sagen? Tolle Sache. Wir waren eine Dreiviertelstunde im Wasser, es war herrlich. Maries Eltern haben einen riesigen Garten mit verschiedenen Ebenen und natürlich alles rolligerecht und: In der hintersten Ecke einen großen Pool, an den man mit dem Rolli direkt ranfahren kann, in den man wunderbar reinkommt, in dem man wunderbar schwimmen kann und der, trotz seiner nur 24 Grad, überhaupt nicht kalt war, vor allem dann nicht, wenn die Sonne hinter den Wolken hervor kam.
Marie meinte, wir müssten das dringend in den nächsten Tagen wiederholen. Und eine Poolparty bei ihr machen mit einigen Leuten. Gegen beides hätte ich nichts einzuwenden.