Vernetzt

Möchtest du mit uns ein neues Projekt aufbauen? Irgendetwas oder etwas konkretes im Bereich „Behinderung“? Möchtest du nicht mal teilnehmen an Kennenlerntreffen, Gedankenaustausch, Sitzungen, Seminaren, Workshops? Möchtest du dich vernetzen mit verschiedenen Organisationen, die es im Netz gibt? Möchtest du nicht lieber Teil eines ganzen, großen sein als alleine und verlassen in einer Ecke zu stehen?

Diese Fragen sind mir gestellt worden. In den letzten Wochen. Mehr als einmal, von mehr als einer Person. Und meine Antwort lautete stets: Nein! Möchte ich nicht. Ich schreibe hier einen Blog, ein Tagebuch, aus einer ganz bestimmten Motivation. Dieses Glas Motivation enthält zu zwei Dritteln Egoismus und zu einem Drittel Altruismus. Mehr passt nicht rein… Ist es nicht so bierernst zu nehmen, aber es soll heißen: Was ich für die Öffentlichkeit tun kann und tun will (ob gezielt oder als „Nebenprodukt“), das tue ich bereits. Ich lasse Menschen in meinem Tagebuch online mitlesen. Klingt hart, ist aber keineswegs böse gemeint.

Ich bin während der Voting-Phase für die BOBs von meinem ursprünglichen Stil abgewichen und habe meine Leser auch in Beiträgen direkt angesprochen. Das habe ich früher nie gemacht, allenfalls mal in Kommentaren geantwortet, und dieser Stilbruch ist nicht gut. Ich möchte keine Unterhaltungslektüre – ich möchte das Glas in der oben genannten Füllung. Dieses Tagebuch, das hier jeder mitlesen kann, hat für mich eine enorme Bedeutung und gibt mir unheimlich starken Halt. Für mich ist es neben den anderen Menschen im Rollstuhl, die mich in der ersten Phase begleitet haben, von denen ich mit einigen heute befreundet bin, von denen ich andere nie wieder gesehen habe, ein Grund, warum es mir heute so geht, wie es mir geht. Nämlich vergleichsweise sehr gut. Mein Tagebuch gibt mir die Kraft, die andere Menschen beispielsweise in ihrem Glauben finden. Und das soll so bleiben.

Daher wird es nicht „vermarktet“, deshalb gibt es keine Storys in der Presse und deswegen möchte ich auch nicht als Expertin in irgendwelche Projekte, Gremien oder sonstwas berufen werden. Ich möchte auch nix anderes pushen, mich nicht verkuppeln lassen oder verbünden – für mich wäre es auch okay, wenn übermorgen keiner mehr öffentlich mitliest. Es wäre ohne Frage schade, denn auch das Feedback meiner Leser bedeutet mir
sehr viel. Aber es wäre nicht so schlimm als wenn ich eines Tages in meinem Tagebuch nicht mehr zurückblättern mag, weil ich nicht mehr über mich und meine Gedanken, meine Gefühle lese, sondern über andere Themen –
oder über gar keine, weil ich vor lauter anderen Verpflichtungen die Zeit dafür nicht mehr finde.

Ich habe mich Anfang Mai zum zweiten Mal mit einigen sehr guten Freunden getroffen, darunter auch drei weitere Bloggerinnen und Blogger aus Hamburg, um uns zu vernetzen, uns gegenseitig beim Bloggen zu unterstützen. Ich bin gefragt worden, ich habe aus Überzeugung mitgemacht, ich werde sicherlich auch von diesem Zusammenschluss profitieren und meinen Teil dazu beitragen können.

Einige wollen von mir wesentlich mehr. Möchten, dass ich weiteren, größeren Organisationen und Verbünden beitrete, Foren und verschiedene Projekte, an denen viele Menschen gemeinsam arbeiten, unterstütze. Vielleicht wäre das gut. Vielleicht aber auch gerade nicht. Erbsen und Möhren sind schneller zusammen geworfen als getrennt. Und mancher mag eben nur Möhren. Oder muss von Erbsen zu viel pupsen. Ich bemühe gerne bildliche Vergleiche, sorry. Aber ich möchte eben nicht die Erbse sein, die sich plötzlich in einem großen Topf wiederfindet und später vor sich
hinbläht. Ein paar vergessene Karotten am Feldrand, mit denen sich die Hasen in einer ausgelassenen nächtlichen Party die Bäuche vollschlagen, sind mir im Moment lieber als moderne Agrarkultur, die müde und geschmacklos im Regal liegt und am Ende doch komplett im Müll landet. Weil ich dazwischen zu viel rumgebläht habe.

Damit meine ich jetzt keine anderen Blogs! Bewahre. Damit meine ich nicht die Blog Awards, auch keine anderen Zusammenschlüsse oder Interessengemeinschaften. Bitte nicht falsch verstehen. Damit meine ich vielmehr, dass ich kleine Möhre nur die vier Karotten um mich herum kenne und nicht den ganzen Acker. Und solange ich den nicht kenne, vertrete ich mit dem auch keine gemeinsamen Meinungen und entwickel auch keine gemeinsamen Projekte. Und solange ich nicht die Zeit habe, den Acker im Ganzen anzuschauen, bleibe ich lieber bis zum Hals im Sand. Und riskiere dabei auch nicht, auszutrocknen, sondern bleibe knackig und saftig. Okay?!

Ich denke, es ist okay, einem Netzwerk anzugehören und sich mit dem einen oder anderen auszutauschen. Dieses von mir erwähnte, von uns gegründete Hamburger Netzwerk ist eins von vielen dieser Art (oder?) und steht jeder Bloggerin und jedem Blogger offen. Wir sind ein paar Leute, die sich austauschen, gemeinsame Ziele finden und sie verfolgen, wir suchen Leute, die sich noch anschließen wollen (bei Interesse bitte melden), vielleicht nimmt dann in diesem Rahmen mal der eine oder andere an überregionalen Treffen teil und berichtet davon, wenn er wieder zurück ist oder tritt anderweitig als Multiplikator auf – aber das soll für mich erstmal reichen. Alles andere wäre nicht überschaubar und für mich eine Nummer zu groß. Meine Meinung ist: Wenn man sich vernetzt, sollte man auch aufpassen, dass man sich in dem Netz nicht selbst verfängt. Und wie eingangs gesagt: Ich bin nur eine einfache, bescheidene und nach wie vor schüchterne Bloggerin. Auch wenn es auf den einen oder anderen anders wirkt. Ich bewundere die Leute, die sich auf solchen großen Veranstaltungen zurechtfinden, die sogar noch auf eine Bühne klettern und von sich und ihren Zielen erzählen …


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