Seelentröster

Frauen können manchmal ja so gemein sein. Männer auch, ich weiß. Aber heute geht es eher um eine Frau. Eine ganz spezielle. Eine ganz speziell gemeine.

Ein Typ, ebenfalls Paratriathlet, allerdings nicht aus Hamburg, sondern aus dem Hamburger Umland, trainiert hin und wieder bei uns mit. Nicht in meiner Gruppe, aber wir rollen uns häufiger mal über den Weg. Er ist etwa 10 Jahre älter als wir, nicht unattraktiv, hat nach einer verpfuschten OP einen inkompletten Querschnitt, hat also in den Beinen noch Restfunktionen, die aber nicht zum Laufen reichen. Ich finde ihn sehr nett, ein toller Kumpel, der gut zuhören und vor allem gut motivieren kann. Auch die anderen Leute in meinem Alter mögen ihn, obwohl er sehr viel älter ist. Man kann mit ihm sehr gut herumschäkern, herumalbern, herumturteln – bis zum äußersten, ohne dass es die letzte Grenze überschreitet.

Manchmal hat er mir eine SMS geschrieben. Mich quasi angestupst. Er schreibt dann sowas wie: „Boing!“ – Etwas, was tierisch albern und kindisch ist, worüber man dann aber doch lachen muss. Und zurück schreibt: „Plopp.“ Oder ähnliches. Meistens kam danach dann: „Geht es dir gut? Kommst du heute abend auch zum Training? Haben lange nicht mehr gequatscht.“ – Zum Beispiel. Mit Cathleen hat er das auch regelmäßig gemacht, mit einigen anderen sicherlich auch.

Er arbeitet halbtags und ist seit sechs Jahren mit einer Fußgängerin zusammen. Nicht verheiratet, aber sie haben sich vor zwei Jahren zusammen ein Haus gekauft. Seine Frau tauchte früher immer mal beim Training auf, in letzter Zeit aber nur noch sehr selten.

Wie wir inzwischen wissen: Sie hat einen neuen. Schon seit mehreren Monaten. Sowas soll vorkommen. Allerdings hat sie wohl ein wenig zu lange gewartet, bis sie ihm das gesagt hat. Also nochmal schnell den gemeinsamen Urlaub mitgenommen, während von der anderen Seite schon ein Braten in der Röhre war.

Okay, sie sollen mich nicht weiter interessieren, die Beziehungsprobleme der anderen. Wäre ich da nicht unfreiwillig und überraschend verflochten verheddert worden. Angeblich, so die Exfrau, hätte ich ihr signalisiert, dass ich mich vor ihm fürchte und unbedingt möchte, dass er freiwillig einen Bogen um mich machen würde.

Eine Halbwahrheit. Vor etwa vier Wochen haben die beiden sich heftig gezofft, am Rande einer Trainingseinheit. Sie hat Streit gesucht, hat versucht, uns alle mit einzubeziehen (was ihr allerdings nicht geglückt ist), hat ihn so richtig derbe bis aufs Blut provoziert. Er wollte trainieren, wollte von ihr und ihren Provokationen in Ruhe gelassen werden, sie hat sich ihm permanent in den Weg gestellt, weil sie irgendeine angebliche Beleidigung durch ihn klären wollte. Ich habe das nur am Rande mitbekommen, allerdings hat er sie mindestens zehn Mal aufgefordert, ihn in Ruhe zu lassen, aus dem Weg zu gehen, das später zu klären, wenn sich seine Emotionen etwas gelegt hätten. Sie hat weiter permanent auf ihn eingeredet und ihm Beleidigungen an den Kopf geworfen (Schlappschwanz, was mit Blick darauf, dass die männliche Erektion aus dem bei ihm geschädigten Rückenmark gesteuert wird, absolut nicht nett ist) und irgendwann ist er geplatzt. Er hat sie im Rennbike sitzend zurückgestoßen, sie ist rückwärts über einen Bordstein gestolpert und hat sich unsanft auf den mit Schafskacke gedüngten und arg durchfeuchteten Rasen gesetzt. Dann ist er, ohne sich weiter um sie zu kümmern, abgerauscht.

Die Trainerin aus seiner Gruppe hat ihr dann gesagt, dass es vielleicht besser sei, wenn sie erstmal verduftet. Woraufhin sie dann erneut versuchte, uns alle in Gespräche zu verwickeln. Heulend. Mich fragte sie, ob ich das eben gesehen hätte und gewusst hätte, dass er so gewalttätig werden könnte. Daraufhin habe ich gesagt: „Nein, das wusste ich nicht und das finde ich auch nicht in Ordnung.“ – Gewalt finde ich nie in Ordnung. Wenngleich ich zugeben muss: Vor meinem inneren Auge lief der Comic ab, in dem sie am Kragen gepackt wird und links und rechts ein paar geklatscht bekommt. Und dagegen war die Schafskacke an ihrem Po recht harmlos.

Aus diesem Satz, dass ich das nicht wusste und auch nicht in Ordnung finde, hat sie nun gemacht, dass ich mich vor ihm fürchte und gerne größtmöglichen Abstand hätte. Hat ihm gleichzeitig die endgültige Trennung bekannt gegeben. Etwas später stellte sich dann raus, dass sie den Streit nur gesucht hatte, um sich von ihm einen Grund für die Trennung liefern zu lassen. Das ist nicht aufgegangen, sie musste sich dafür entschuldigen.

Auf jeden Fall bekam ich nun am letzten Wochenende plötzlich eine SMS: „Flupp!“ – Ich schrieb zurück: „Hicks?!“ – Woraufhin er schrieb: „Bäääh. :'(“ – „Alles in Ordnung bei dir?“ – „Nee. Können wir mal telefonieren?“

Naja, was soll ich sagen? Sie hat doch nun einen neuen Mann. Warum kann sie den alten dann nicht wenigstens in Ruhe lassen? Wenn man versucht, die gemeinsamen Freunde auf die eigene Seite zu bekommen, kann ich das zwar nicht verstehen, aber immernoch besser nachvollziehen, als wenn man versucht, seine Freunde zu vergraulen und davon zu überzeugen, dass er ein schlechter Mensch ist. Und das tut sie. Schnappt sich sein Handy und versendet Nachrichten an alle möglichen Leute. Anstrengend. Einfach anstrengend.

Am letzten Montag waren wir noch ein letztes Mal in diesem Jahr am Strand. Cathleen, Marie und ich – und spontan haben wir ihn mitgenommen.
Ihn gefragt, er war anfangs sehr zögerlich, was denn da für Sprüche kommen würden, er mit drei deutlich jüngeren Frauen, teilweise noch unter 20, aber dann hat er sich überreden lassen. Was für Sprüche sollten da kommen? Selbst wenn wir da am Strand spontan eine Swingerparty veranstaltet hätten, wen geht das was an?!

Haben wir nicht. Wir haben uns zu viert in der Ostsee auf eine Luftmatratze gestapelt. Und hatten jede Menge Spaß. Haben ihn zu dritt massiert. Ihn eingebuddelt. Ihn beim Baden mit nassem Sand beworfen. Uns
Ringkämpfe im Wasser mit ihm geliefert. Es war einfach toll und es hat ihm und uns viel Spaß gemacht. Und vor allem hat er, glaube ich, gemerkt, dass wir ihn nach wie vor sehr mögen.

Er hat sich, als wir alle wieder zu Hause waren, bedankt. Er sei sehr froh, dass sich das noch geklärt habe und das mit dem Abstand, den ich angeblich eingefordert hätte, nicht stimmt. Seit einer Woche versuche ich, seine Ex zu erreichen, möchte wissen, was das sollte. Immerhin könnte es ja auch eine Lüge von ihm sein, um sie ins schlechte Licht zu rücken. Ob ich ihm das zutrauen würde? Ich glaube nicht, aber in so einem Trennungskrieg sind ja viele Menschen plötzlich nicht mehr dieselben. Aber sie hat sich weder auf meine Rückrufbitten noch auf meine SMS gemeldet. Gestern lief sie mir zufällig über den Weg: Sie habe gerade keine Zeit. Stellte sich dann aber an eine Bushaltestelle. Für mich deutlich genug. Hoffentlich endet eine Beziehung bei mir niemals so.


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