Vor zwei Monaten bin ich mit meinem Auto über die Reeperbahn gefahren. Es durfte mitfahren, wer mitfahren wollte.
Ich habe in diesem Zusammenhang ziemlich häufig die Bitte bekommen, nach eins, zwei Monaten mal zu erzählen, ob mir das Auto immernoch so gut gefällt wie in den ersten Tagen und wie meine Erfahrungen sind. So handelt mein Online-Tagebuch heute mal von Autos. Wie langweilig. Vielleicht ist es ja so, dass ich in zwei Jahren von der Karre so genervt bin, dass ich mich frage, warum ich sie je gekauft habe, dann blätter ich hierhin zurück. Und um den einen spitzen Kommentar, den ich wieder gelöscht habe, aufzugreifen: Ja, auch wenn ich eine Frau bin, traue ich mir zu, über mehr als nur die Farbe zu schreiben.
Als erstes ist mir aufgefallen, dass in den werksseitig gelieferten Felgen die Strass-Steinchen fehlen. Auch dass ich weder die weißen Lederpolster noch die lila Lackierung bekommen konnte, setzt in mir mehr
Testosteron frei als mir eigentlich lieb ist. Wenigstens wird mein nervöser rechter Gasfuß hinter einer werksseitig eingebauten, aber abnehmbaren Pedalsperre zurückgehalten.
Ja, es handelt sich um einen „Behindertenumbau“, wie mein freundlicher Händler gestern beim jahreszeitbedingten Umsetzen der Räder
festhielt: „Du machst die Expresskundin klar.“ – WTF?! – „Sie möchte die Winterräder drauf haben. Das ist ein Behindertenumbau, musste mal gucken, ob die Pedale gesperrt sind. Wenn ja, die Abdeckung kann man abziehen. Du fährst mir nicht mit der Handbedienung auf die Bühne, verstanden?“ – „Ja Chef.“
Für ein typisches Frauenauto fehlen dem Truthahn eindeutig die niedlichen runden Scheinwerfer und der sexy Po. Zuerst dachte ich, die Schrankwand fährt müde und träge durch die Gegend oder verbraucht alternativ Unmengen Sprit, aber ich bin sehr angenehm überrascht: Beides
ist nicht der Fall.
Nun muss man allerdings sagen, dass ich bei der Motorisierung keine Kompromisse eingegangen bin und den 2-Liter-TDI genommen habe. Dessen 140 PS bringen das Auto locker und ohne irgendeine Diskussion auf Tempo 200. Damit meine ich: Es muss weder bergab gehen oder Rückenwind haben, bis zur 200er-Marke geht die Tachonadel einigermaßen zügig und ohne dass
man den Eindruck bekommt, der Motor ruft bereits seine letzten Reserven
ab. Auffallend ist auch, dass diese Geschwindigkeit bei etwa 3.800 Motorumdrehungen erreicht wird, also keineswegs kurz vor dem rot eingefärbten Bereich des Drehzahlmessers. Es ist kein Problem, den Tempomat auf 200 zu stellen, die Geschwindigkeit wird, zumindest hier im
einigermaßen flachen Land, in dem Steigungen und Gefälle im überschaubaren Rahmen bleiben, konstant gehalten. Ich hatte auf einer Fahrt nach Kassel die Möglichkeit, das auszuprobieren, als ich hinter Hannover die einzige auf einer dreispurigen neu ausgebauten Autobahn war.
Damit bin ich mehr als glücklich. Mehr brauche ich keinesfalls, mein normales Reisetempo auf der Autobahn liegt bei 130. Dank Tempomat kann man sehr entspannt fahren. Den Geräuschpegel im Fahrzeug würde ich als ungewöhnlich leise bezeichnen. Im Stand ist er natürlich lauter als ein Benziner, bei Tempo 130 kann man sich im Innenraum normal unterhalten.
Das DSG-Getriebe (Automatikgetriebe) ist ein Traum. Völlig ruckfreies
Schalten, kontinuierliche Beschleunigung, die Abstufung ist sehr ausgewogen. Insbesondere im Großstadtverkehr läuft der Motor extrem ruhig. Der Golf, den ich vorher hatte, hatte eine 4-Stufen-Automatik, und aus irgendeinem Grund wollte er bei Tacho 50 lieber im dritten als im vierten Gang fahren. Vor allem bei kaltem Motor, was natürlich extrem
nervt und dazu verleitet, 60 zu fahren. Beim Viano war das besser gelöst, aber einen Vergleich möchte ich hier nicht machen. Das DSG-Getriebe des Truthahn schaltet bei 50 in den 5. Gang und schnurrt bei 1.000 Umdrehungen friedlich vor sich hin. Selbst wenn man jetzt normal auf 70 beschleunigt, wird nicht zurückgeschaltet, der Motor hat genug Kraft, um das ohne Vibration oder Geruckel zu schaffen.
Bei 65 schaltet er bereits in den 6. Gang. So zeigt einem der Verbrauchscomputer bei eingeschaltetem Tempomat und ebener Straße einen Wert zwischen 2,5 und 2,8 Litern auf 100 Kilometern an. Womit wir beim nächsten Thema wären: Himmlisch. Mit einer Tankfüllung von knapp über 50
Litern fahre ich bis zu 1.200 Kilometern. Ich komme selbst bei überwiegendem Stadtverkehr nie über durchschnittlich 6 Liter Diesel. Und
ich fahre völlig normal, zwar ruhig, aber nicht bewusst sparsam, wie man auch auf dem oben erwähnten Video sehen kann.
Was ich auch klasse finde: Das DSG-Getriebe schaltet beim Bremsen mit
zurück, so dass man die Bremswirkung des Motors nutzen kann. Herkömmliche Automatikgetriebe kuppeln beim Bremsen ja aus, das ist hier
nicht der Fall. Es gibt eine Strecke, die ich regelmäßig fahre, die über zwei Kilometer bergab geht, 50 ist erlaubt, unten steht ein Blitzer. Oben einmal leicht bremsen, nach einigen Sekunden schaltet das DSG-Getriebe vom 6. in den 5. und, bei weiterem Bremsen, in den 4. Das behält das Getriebe bei, auch wenn man nicht mehr bremst, bis man wieder
Gas gibt. So kann man über Kilometer die Bremswirkung des Motors ausnutzen.
Zwei Dinge finde ich nicht so gut: Während das Beschleunigen aus dem Stand direkt und einwandfrei funktioniert, ist das Bescheunigen aus sehr
langsamer Fahrt nicht optimal. Den 1. Gang wählt das Getriebe in der Regel nur im Stand. Beim Ausrollen wird bei etwa 15 km/h bei eingelegtem
2. Gang ausgekuppelt. Rolle ich danach nur noch mit etwa 10 km/h und will wieder beschleunigen, wird im 2. Gang langsam eingekuppelt. Das ist
nicht schlimm, aber sehr auffallend, weil man sonst von der permanenten
und direkten Kraftübertragung verwöhnt ist.
Schlimm wird es allerdings, wenn man beispielsweise steil bergauf fährt und es dann zu dieser Situation kommt. Zum Beispiel hatte ich neulich einen Rückstau auf einer steilen Rampe in einer Parkgarage. Es war eine sehr breite, lange Auffahrt, die man locker mit 35 km/h hochfahren kann. Oben staute sich die Schlange vor einer Schranke zurück, so dass ich das Auto ausrollen ließ. Bevor das Auto zum Stehen kam, ging es jedoch schon weiter. Also gab ich wieder Gas, war aber schon so langsam, dass das Getriebe ausgekuppelt hatte und nun im 2. Gang wieder einkuppeln wollte. Um nicht stehen zu bleiben oder gar zurück zu rollen, musste ich natürlich mehr Gas geben. Und dann erkannte
irgendwann nach einigen Sekunden das Getriebe, dass es im 2. Gang nichts wird, das Auto also immer langsamer wird, und kuppelte den 1. Gang ein. Das allerdings ohne schleifende Kupplung, also so, als würde man vom Kupplungspedal abrutschen. Wenn man dann nicht aufpasst und sofort das Gas zurücknimmt, schießt das Auto los. Das ist nicht gut gelöst. Wenn man das weiß und darauf vorbereitet ist, kann man damit gut
leben – aber man muss es wissen.
Die zweite Sache: Die Fahrerin wird von einer sehr hohen Durchzugskraft verwöhnt. Dieseltypisch entfaltet die sich im unteren Drehzahlbereich. Fahre ich nun auf eine Autobahn ein, habe am Anfang des
Beschleunigungsstreifens etwa 65 km/h und möchte auf dem Streifen stark
beschleunigen, wozu er ja da ist, bin ich besser beraten, erst nur mäßig Gas zu geben, um ein Zurückschalten vom 6. in den 5. zu erreichen,
anschließend dann erst Vollgas zu geben. Gebe ich sofort Vollgas, schaltet er bis in den 4. zurück – damit läuft der Motor dann jedoch im hohen Drehzahlbereich, in dem der Dieselmotor bekanntlich nur wenig Duchzugskraft hat. Das finde ich auch nicht optimal. Damit kann ich aber
auch leben.
Zur steilen Rampe möchte ich noch den Berg-Anfahr-Assistenten erwähnen, der ebenfalls gewöhnungsbedürftig ist. Fährt man einen steilen
Hang hinauf und lässt dabei das Auto ausrollen, rollt es anschließend zurück. Fährt man einen steilen Hang hinauf und bremst das Auto beim Ausrollen ab und lässt danach die Fußbremse los, bleibt das Auto am Hang
stehen, weil dieser Assistent die Fußbremse so lange weiter betätigt, bis man genug Gas gibt, um vorwärts loszufahren. Es rollt also nicht zurück. Fährt man allerdings den steilen Hang hoch, lässt das Auto ausrollen und betätigt dabei die Fußbremse nur leicht, so dass es zwar eine Bremswirkung gibt, diese jedoch nicht ausreicht, um das Auto nach dem Stillstand vor dem Zurückrollen zu bewahren, dann dosiert dieser Assistent nach. In dem Moment, in dem das Auto unmittelbar vor dem Stillstand ist, wird das Bremspedal wie von Geisterhand weiter durchgedrückt. Ich war darauf beim ersten Mal nicht vorbereitet und hab ein bißchen doof aus der Wäsche geguckt.
Noch etwas negatives? Ja, der Regensensor. Der mag weder Dunkelheit noch Waschanlagen. Wenn ich in der Waschanlage war und mal wieder dieses
fiese Zeug auf die Scheibe gesprüht bekommen habe, das die netten Schlieren beim Wischen hinterlässt, ist auch der Regensensor sauer und schaltet trotz Getröpfel zwischen „Ich wische schnell“ und „Ich wische ganz schnell“ hin und her. Somit: Scheibe putzen nach der Waschanschlage
ist Pflicht. Für eine Rollifahrerin besonders einfach… Und zum Thema „Dunkelheit“: Fährt man im Dunkeln eine gut beleuchtete Straße mit vielen Bäumen, von denen die fetten Regentropfen hinunter prasseln, ist zwar die komplette Scheibe nass und müsste eigentlich gewischt werden, den Regensensor interessiert es aber nicht. Erst nach mehreren Sekunden fällt ihm sein Versäumnis auf, dann wird 5 Mal schnell gewischt, dann wieder viel zu lange gar nicht.
Ansonsten hoffe ich nur, dass die ganzen technischen Helferlein nicht
irgendwann alles lahm legen, sondern immer brav funktionieren. Aus meiner Sicht fehlt nichts. Im Gegenteil, ich fühle mich sehr verwöhnt. Noch ein letztes Wort zur Heizung: Bei 5 Grad Außentemperatur braucht der Motor etwa 15 Minuten, um warm zu werden. Fordert man allerdings einen warmen Innenraum, schaltet sich automatisch ein Zuheizer an, der den Kühlwasserkreislauf beheizt und damit innerhalb der ersten Minute nach dem Start für warme Luft sorgt. „Erste Minute“ meine ich ernst.
Alles in allem würde ich, bei einer Bewertung in Schulnoten, zu einem
„sehr gut“ tendieren. Die erwähnten negativen „Mängel“ sind für mich so
unerheblich im Vergleich zu den ansonsten ausschließlich positiven bis begeisternden Eigenschaften, dass ich nichtmal zu einer Einsminus kommen
würde. Aber der Vollständigkeit und der Abgrenzung wegen seien sie erwähnt. Kurzum: Alles gut, sehr zufrieden, bis auf eine handvoll sehr spezielle Eigenarten, die man aber suchen muss.