Herr Buse und das Blinklicht

Am Montag kam ich nach Hause und mein im Festnetztelefon integrierter Anrufbeantworter blinkte ganz aufgeregt. Ich drückte auf Wiedergabe und traute meinen Ohren nicht: „Speicher voll! Sechsundzwanzig neue Nachrichten. Nachricht eins: Heute, elf Uhr einunddreißig.“

Es folgte eine Minute lang: „Piep. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep.“

„Nachricht zwei: Heute, elf Uhr sechsunddreißig. Piep. Piep. Piep. Piep. Piep.“

Am coolsten ist, dass man die Nachrichten nicht löschen kann, bis man
nicht wenigstens fünf Sekunden von ihnen gehört hat. Sechsundzwanzig mal Gepiepe. Jeweils zehn Mal im Abstand von jeweils 5 Minuten, dann zwei Stunden Pause, dann wieder zehn mal fünf … und irgendwann war der Speicher voll.

In der Nacht zu Dienstag gegen halb vier ging das wieder los. Ich hatte das Telefon zwar lautlos gestellt, aber irgendwie war ich wohl gerade nicht im Tiefschlaf, so dass ich davon wach wurde, dass das Telefon im dunklen Zimmer zu leuchten begann. Wieder diese Nummer aus Bonn. Ich machte mir den Spaß, das Gespräch auf das Faxgerät umzuleiten.
Aber irgendwie schien das gegenüber kein Faxgerät zu sein, sondern irgendein anderes Datengerät, was versuchte, sich zu synchronisieren.

Nachdem sich das Spielchen noch mehrmals wiederholte, gab ich gestern
die angezeigte Telefonnummer in einer Suchmaschine ein und fand heraus,
dass der Anschluss eine Nebenstelle eines großen in Bonn ansässigen Unternehmens war. Also rief ich dort die Zentrale an und ließ mich mit der Abteilung verbinden, die dieser nervenden Nebenstelle zugeordnet war. Und da nahm die Posse endgültig ihren Lauf.

Die Mitarbeiterin, die an das Telefon ging, brauchte einige Zeit, um zu verstehen, was ich überhaupt von ihr wollte. Die Nebenstellennummer sagte ihr gar nichts. Irgendwann rief sie ihre Kollegin dazu: „Gerda, kannst du mal kommen, da ist eine Frau, die hat Ärger mit ihrem Telefon,
weil wir sie ständig anrufen. Da soll bei uns was falsch programmiert sein.“

Gerda erklärte ich das dann auch noch einmal. Sie meinte, dass das aus ihrer Abteilung keiner mache, das käme woanders aus dem Unternehmen.
Es gibt dafür extra einen Techniker, Herrn Buse. Ob ich dem mal eine Mail schreiben könnte, am besten wann das ist und welche Nummer da angezeigt wird und ob da gestöhnt wird oder nur gepiept.

So ein Scheiß. Aber andererseits nervte das so, dass ich mich breitschlagen ließ, dem Typen eine Mail zu schreiben. „Wie ist denn die Mailadresse von dem Herrn, der sich dann kümmern will?“

„Da nehmen Sie A Buse Ät … Punkt DE.“ – „A Buse mit Punkt oder Unterstrich oder in einem Wort?“ – „In einem Wort. Klein und zusammen.“ –
Ich würde mal denken, der Techniker heißt nicht Buse, sondern es gibt eine Missbrauchsadresse (abuse) in dem Unternehmen. Wie dem auch sei, Herr Buse oder ein anderer Techniker haben sich anscheinend recht schnell darum gekümmert, dass es bei mir nicht mehr piept…

Nicht Herr Buse, sondern eine Funkstreife stand in der letzten Woche nachts um halb zwei in unserer Wohngruppe. Zusammen mit der Feuerwehr. Grund: Eine blinkende Lampe. Ja, an Kuriosität kaum noch zu überbieten, wenngleich die Story gleichzeitig auch sehr rührend ist, wie ich finde.

Eine junge Frau, die im E-Rollstuhl sitzt und sich kaum alleine bewegen kann, lag im Bett und konnte nicht schlafen. Ihr war langweilig und so hat sie das Licht angemacht und die Decke angestarrt. Dann hat sie irgendwann gemerkt, dass man so erst recht nicht einschlafen kann, und das Licht wieder ausgemacht. Und da sah sie, so erzählte sie, an der
weißen Wand das Muster der Lampenabdeckung, in das sie auch eine Zeitlang gestarrt hatte. Das fand sie so faszinierend, dass sie, entspannt vor sich hin träumend, gefühlte zwanzig bis dreißig Mal das Licht eingeschaltet, einen Moment auf die Lampe gestarrt, das Licht wieder ausgeschaltet und gegen die weiße Wand gestarrt hat, um dort das so genannte Nachbild der Lampenabdeckung (als optische Täuschung) zu betrachten. Ihr war halt langweilig…

Im Haus gegenüber saß noch jemand am PC und wurde auf das Geblinke in
dem Zimmer aufmerksam. Und dachte sich: Da wohnen doch Menschen mit Behinderung. Was ist, wenn da jetzt jemand Hilfe braucht und nicht anders auf sich aufmerksam machen kann als durch das Blinken mit der Nachttischlampe? Wenn derjenige aus dem Bett gefallen ist, auf der Erde liegt und nicht alleine wieder hoch kommt? Voller Sorge rief der die Polizei. Und als niemand auf das Klingeln öffnete (weil die Türklingeln auch über die Telefone geschaltet sind und die meisten Telefone nachts aus sind), kam die Feuerwehr, die dann über den Feuerwehrzylinder bis in
die Flure vorrückte. Und dann waren natürlich alle wach.

Merke: Als Mensch mit Behinderung trägst du eine übermäßig hohe Verantwortung bei der Benutzung deiner Nachttischlampe!

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