Weil der Pool bei Maries Eltern im Garten im Winter, gerade bei Frost, meistens leer ist und die daneben stehende Sauna aus Kostengründen innen genauso kalt wie außen ist und das Ding damit seine Zweck verfehlt, Mädchen aber immer frieren, haben Marie, Jana (mit Schwester) und ich uns entschieden, bei einer kommerziellen Saunalandschaft im Hamburger Umland ein paar Euro zuzüglich Hochsaisonzuschlag in ein paar Liter Schweiß und einige Gigawatt Körperwärme zu verwandeln.
Nachdem ich von einem Bekannten, der meinen Blog kennt, einen großen Magneten geschenkt bekommen habe, mit den Worten: „Das ist kein Idiotenmagnet, stand zumindest nichts davon auf der Verpackung. Er soll dir helfen, auch noch andere Leute anzuziehen oder wenigstens das ander Magnetfeld so zu beeinflussen, dass die Idioten künftig an dir vorbei laufen.“
Wie niedlich. Also hatte ich einen bestimmt 500 Gramm schweres Metallstück, rot lackiert, in meiner Sporttasche. Nicht, weil ich jetzt abergläubisch geworden bin, sondern eher, um meine Leute zu verwirren. Während wir am Eingang in der Schlange standen, nahm ich ihn in die Hand. Maries Kommentar, als sie ihn sah: „Was schleppst du denn da alle mit dir rum?“ – „Das ist ein Magnet, sozusagen als Gegenpol zu dem fes in mir installierten Idiotenmagneten. Soll das Radar der Idioten stören, so dass sie mich nicht finden.“ – „Ah ja. Ich würde mal sagen: Pass lieber auf, dass das Ding nicht auf einen Schlag alle deine Karten entwertet oder so umpolt, dass mit jeder Zahlung automatisch dieselbe Summe nochmal irgendwohin gespendet wird.“
Während sie ihn in der Hand drei mal herum drehte und dann ausprobierte, ob ihr Rollstuhl magnetisch ist (nein, Alu ist nicht magnetisch), meinte sie: „Du nimmst ihn aber jetzt nicht mit ins Wasser oder?“ – „Ich hab mir extra so ein kleines Täschchen in meinen Badeanzug eingenäht“, blödelte ich. Marie tippte sich an die Stirn und gab das Metallstück an Jana weiter. Jana sagte: „Meine Oma hat eine ganze Matratze voll mit solchen Magneten. Hat sie auf irgendeiner Busfahrt geschossen und behauptet jetzt ständig, ihre Rückenschmerzen kommen davon oder gehen davon weg. Mit anderen Worten: Vorher war das Wetter Schuld, jetzt sind es die Magneten in ihrem Bett.“
„Die 500 Euro hätte ich sonst auch genommen“, blödelte Marie. Jana antwortete: „Ich möchte nicht wissen, was das Ding gekostet hat, aber ich vermute fast, das waren eher 1.500 Euro. Wir sind dran.“ – An der Kasse saß eine junge Auszubildende, völlig aufgeregt, eine ältere Dame saß neben ihr. Sie erklärte: „So, jetzt haben wir mal was besonderes. Wenn das schon so offensichtlich ist, dass die behindert sind, fragen Sie aktiv nach dem Behindertenausweis.“ – „Ob sie einen haben?“ – „Ob Sie den mal sehen dürfen.“
„Hallo, darf ich Ihre Behindertenausweise mal sehen?“ – Wir hatten sie schon auf dem Schoß liegen. Die junge Frau an der Kasse nahm einen in die Hand. Und wurde noch aufgeregter: „Was muss ich denn damit tun?“ „Gucken, ob der gültig ist, und ob eine Begleitperson eingetragen ist. Wenn ja, bekommt die bei uns freien Eintritt.“ – „Wo steht denn, ob der gültig ist?“ – „Nein, es steht, wie lange der gültig ist. Immer hier oben. ‚Unbefristet gültig‘ heißt, dass der nie abläuft. Bei anderen steht dann meinetwegen ’01/2013′, der wäre dann heute nicht mehr gültig.“ – „Heißt ‚unbefristet gültig‘, dass die nie wieder laufen können?“ – „Sowas dürfen Sie nicht fragen, das geht Sie nichts an. Sie prüfen nur, welche Voraussetzungen erfüllt sind.“ – „Aber das schockier mich gerade voll! Die sind kaum älter als ich und wieso müssen die so einen Ausweis haben, wo sowas drauf steht, warum kann man nicht einfach so hilfsbereit und nett zu denen sein?“
Och wie rührig. Die ältere Frau sagte: „Ich übernehme das mal eben. Wollen Sie mit Sauna oder ohne?“ – „Mit, bitte.“ – „Sie kennen sich bei uns aus?“ – „Ja, vielen Dank!“
Die Umkleide war für drei Leute etwas eng, aber das kann ja auch gan lustig sein. Immer, wenn jemand seinen Rollstuhl bewegen wollte, mussten die anderen auch ihre Position wechseln. „Wie bei Tetris“, meinte Marie. Dann gab es einen Raum mit Dusche und Klo und Automatiktür, über der jedoch das rote Licht brannte: „Besetzt.“ – Also standen wir zu viert in Badesachen vor dieser Tür und froren. Nach 10 Minuten versuchte Janas Schwester, durch die Milchglasscheibe etwas zu erkennen. „Ist da überhaupt einer drinnen? Nicht, dass der vom Klo gefallen ist und Hilfe braucht. Immerhin brannte das rote Licht schon, als wir mit dem Umziehen begonnen haben.“
Jana deutete auf das Schlüsselloch, in dem der Zylinder fehlte. Jana Schwester hockte sich davor und guckte durch. Und fiel fast rückwärts um, drehte sich weg mit unterdrücktem Lachen. Jana, Marie und ich guckten sie fragend an. „Da sitzt einer unter der Dusche und holt sich einen runter.“ – „Nein!“, riefen Jana und ich entsetzt wie aus einem Mund. Marie grinste verschmitzt und rollte in Richtung Tür, guckte auch kurz durchs Schlüsselloch. „Doch, stimmt wirklich“, meinte sie. „Typ mi einer blauen Badehose. Guck selbst!“ – „Ich will es nicht sehen“, meinte Jana. Janas Schwester wummerte gegen die Tür und rief: „So, abziehen, Hände waschen, rauskommen. Hier warten schon vier Leute.“ – „Bin gleich fertig!“, rief jemand aus dem Raum zurück. – „Nee, jetzt, Sie hatten Zeit genug“, antwortete Janas Schwester.
„Jetzt hast du ihm seinen Orgasmus ruiniert“, meinte Marie. Janas Schwester sagte: „Wenn das in einer halben Stunde nicht geklappt hat, wird das jetzt auch nichts mehr.“ – „Er war so kurz davor.“ – „Oah, könnt ihr mal das Thema wechseln? Ihr seid so widerlich.“
Im selben Moment ging die Tür auf. Ein Typ, geschätzt Mitte 50, natürlich ohne jede sichtbare Behinderung, kam aus der Behindertendusche. Und grinste ausgerechnet mich an. Ich guckte schnell woanders hin. Nach dem Duschen gingen wir in das Trainingsbecken, wir wollten vor dem ersten Saunagang unbedingt noch eine halbe Stunde schwimmen. Leider war es nur so voll und so unkoordiniert, dass es weni Spaß machte. Zwei Schwerzkekse mussten diagonal durch das Becken schwimmen und kamen ständig allen in die Quere, wurden zuerst zwei Mal von der Schwimmeisterin ermahnt, dann bat sie zwei Leute, je eine Leine mit auf die andere Seite zu nehmen. Aber selbst die abgetrennten Bahnen brachten keine Entspannung. Die Leute schwammen einfach irgendwie, kreu und quer durch die Bahn, linksherum gegen den Strom oder legten sich auf die Trennleine und machten mit ihren Beinen Fontänen.
Und dann war plötzlich der Typ aus dem Behindertenklo direkt neben mir in der Bahn und grinste mich schon wieder an. Wir vier entschieden uns kurzerhand, das Schwimmen zu beenden und mit dem ersten Saunagang z beginnen. Dort war es dann wesentlich entspannter: Es gab eine große 95-Grad-Sauna, in die man ebenerdig hinein gelangte und wo auch locker die Rollstühle an der Seite stehen bleiben konnten. Das war sehr schön, vor allem bei der draußen herrschenden Kälte samt Schneetreiben. Was ic ein wenig schräg fand, war, dass drei Leute mit Badeklamotten in der Sauna waren, zwei Frauen im Bikini und ein Mädchen im Badeanzug. Das Mädchen im Badeanzug sprang dann auch noch hinterher, wie von innen durch die Fenster sichtbar, ohne zu duschen in den kalten Pool. Ein Typ geschätzte 50 Jahre alt und mindestens 150 Kilogramm schwer, kam mit einem Wikingerhut in die Sauna und blieb mit den beiden Hörnern erstmal am Türrahmen hängen. Jetzt nur niemand anderen angucken, sonst hätte ic losgeprustet.
Anschließend legten wir uns in den Ruheraum. Ich wäre fast eingepennt, als Marie mich antickte und durch ein diskretes Nicken in Richtung Glastür deutete. „Dein Stalker“, meinte sie. Tatsächlich stand der Typ aus dem Klo schon wieder grinsend da und beobachtete uns. Wir einigten uns auf den nächsten Saunagang und verließen geschlossen den Ruheraum. Im Rausfahren sagte Marie zu dem Typen: „Hast du irgendein Problem?“ – Seine Antwort: „Problem nicht, nur einen großen Zauberstab!“
Da uns der Typ auf dem Weg zur Shitau-Meditationssauna nicht folgte, warteten wir noch einmal ab. Bei der nächsten Gelegenheit würden wir da Schwimmbadpersonal ansprechen. Aber, um es vorweg zu nehmen, die Gelegenheit kam nicht mehr. So entspannten wir uns bei Klimperklängen i der 75-Grad-Shitau-Sauna, ein riesiger Raum, der auf einem Hügel lag und von dem aus man über etliche verschneite Felder gucken konnte.
Beim dritten Saunagang nahmen wir noch eine Erlebnisaufguss-Serie mi Ananas-Minze-Aroma mit, in deren Pause, die man draußen verbringen musste, noch ein kostenloser Obstsalat serviert wurde. Der war sogar sehr lecker. Allerdings waren wir geschätzte 50 bis 60 Leute in dem dafür dann doch zu kleinen Raum. Alle konnten nur sitzen. Als wir die Schlange vor der Tür sahen, hatten wir uns unsere Teilnahme schon abgeschminkt, aber eine junge Frau mit blauen Haaren und jeder Menge Tatoos, die das Manöver leitete, hatte das voll im Griff. Eine Viertelstunde vor dem Aufguss wird die Sauna geräumt, alle müssen draußen vor der Tür warten. Damit wird verhindert, dass die Laute reihenweise kollabieren, weil sie sich aus Kapazitätsgründen schon eine halbe Stunde vorher in die Sauna setzen. Und dann meinte sie: „So. Als erstes lassen wir jetzt die drei Rollis in die Sauna. Und alle anderen warten bitte, bis die drei sich auf die Bank gesetzt haben und die Stühle sicher an der Seite verstaut sind.“ – So kamen wir doch noch in den Genuss des Aufgusses und konnten uns ohne dass zwei Dutzend Leute helfen wollen, im Weg stehen, über einen drüber klettern, während man sich umsetzt oder ähnliches, auf unsere Plätze setzen.
Ganz zum Schluss haben wir dann noch das 36 Grad warme Solebad ausprobiert, das so viel Salz enthielt, dass man sich ohne jede Bewegun auf das Wasser legen und entspannen konnte, bevor wir nach Hause gurkten und ins Bett fielen. Es war ein schöner Wintertag zum Entspannen, aber dennoch sehne ich mich nach dem ersten Strandausflug 2013. Und der metallische Gegenpol in meiner Sporttasche – hat er so viel gebracht? Ich muss es weiter beobachten.