Eine weitere anstrengende Woche liegt hinter mir. Ich bin froh, wenn endlich Semesterferien sind. Und ich bei diesem schönen Wetter an den Strand fahren kann.
Ich weiß. In Deutschland und auch in anderen Ländern gibt es gerade Menschen mit ganz anderen Problemen als Sehnsucht nach Strand und Meer. Einige Sportkollegen wohnen oberhalb der Geesthachter Staustufe und haben bereits alles hochgestellt und weggebracht, was irgendwie wertvol ist und vom Wasser gefährdet sein könnte. Ich kann sehr froh sein, das ich nicht im Erdgeschoss wohne und die Elbe in Hamburg gerade mal 40 Zentimeter höher steigen soll. Diese Flutwelle sei in diesem Bereich, w die Elbe sehr breit ist, ein Klacks im Vergleich zu einer Sturmflut, bei der der Wind die halbe Nordsee in die Elbe drücke. Ich wünschte mir sie sei weiter flussaufwärts auch nur so ein „Klacks“.
Gestern saß ich mit Marie auf dem Rasen auf dem Uni-Gelände. Wir aße ein Eis. Ich träumte vor mich hin, als Marie mich plötzlich antickte und sagte: „Hör mal!“
Nicht weit von uns entfernt, hinter einer Hausecke, saßen zwei Kommilitoninnen von uns. Normalerweise wäre ich jetzt zurück in den Rolli und hätte mich spontan zu ihnen gesetzt, aber bei ihrer Unterhaltung ging es gerade um Marie und mich. Nun bin ich eigentlich niemand, der gerne andere Leute belauscht und ohne den Hinweis von Mari hätte ich das wohl gar nicht mitbekommen, aber was ich da gerade hörte verschlug mir die Sprache. Eine der beiden meinte, Marie und ich würde stinken.
Eigentlich ist so ein Unsinn keiner Rede keines Beitrags wert Eigentlich. Uneigentlich wurmt mich das. Sie habe im Aufzug mal neben uns gestanden und wir hätten beide dermaßen pervers gerochen, dass ihr übel geworden sei. Sie dachte dann, das wäre eine einmalige Sache gewesen und habe aus einem inneren Bedürfnis heraus an den nächsten Tagen noch ein paar mal unauffällig geschnüffelt, wenn wir in ihrer Näh gewesen seien. Aber dabei habe sich das nur noch bestätigt.
Ganz offensichtlich wollte diese blöde Kuh über uns Gerüche … äh … Gerüchte in die Welt setzen, denn ich stinke nicht und Marie auch nicht Ich war kurz davor, mich zurück in den Stuhl zu setzen, zu ihr zu fahren und ihr eine Szene zu machen. Marie flüsterte in dem Moment: „Ih ist aber schon klar, was [die andere Kommilitonin] später über sie denkt, wenn sich diese Behauptung nicht bestätigen lässt?“ – „Das ist wieder so unnötig gerade…“
Die andere Kommilitonin reagierte allerdings recht gut, wie ich fand Sie sagte: „Das hab ich noch gar nicht gerochen. Marie war neulich mit mir in einer Arbeitsgruppe und da roch überhaupt nichts. Könnte das nicht sein, dass da irgendwas anderes gestunken hat?“
„Nein, das sind die beiden. Definitiv. Ich habe das jetzt schon paar Mal mitgekriegt. Ich meine, ich finde das ja nicht so schlimm, wenn man behindert ist, aber seit es eine Pflegeversicherung gibt, muss doch niemand mehr ungewaschen aus dem Haus, schon gar nicht zur Uni. Schließlich sollen die beiden ja später auch mal Vorbild für andere Menschen sein.“
Die andere Kommilitonin sagte: „Meinst du wirklich, dass die sich nicht waschen? Ich habe das wirklich so noch nicht wahrgenommen. Und di haben doch beide immer saubere Sachen an und fettige Haare haben sie auch nicht. Also irgendwo müssen sie doch Zugang zu Wasser und Seife haben.“
„Du, keine Ahnung, ich kann dir nur sagen, was ich jetzt schon mehrmals bemerkt habe.“
Die andere Kommilitonin antwortete: „Ich weiß nicht, ich finde das irgendwie nicht gut, dass du das allen erzählst. Willst du nicht lieber mal mit den beiden reden, dass dir das aufgefallen ist?“
„Hab ich schon. Jule hat mir nur den Mittelfinger gezeigt. Ist aber auch klar, sowas hört man ja auch nicht gerne, gerade wenn man sowieso schon behindert ist und damit eher eine Sonderrolle hat.“
Die andere Kommilitonin wechselte schlagartig das Thema. Marie meinte, das habe wohl nicht funktioniert. Aber wer weiß, wem sie das noch alles erzählt. Wir werden uns die blöde Kuh, die solchen Mist über uns erzählt, in Kürze mal zur Brust nehmen. Sicher weiß ich aber, dass sie nie mit mir gesprochen hat und ich ihr auch keinen Stinkefinger gezeigt habe.
Das erste, was Marie sagte, als sie nach Hause kam und ihre Mutter begrüßte: „Mama, stinke ich? Stinken meine Sachen oder meine Haare?“ – Ergebnis: „Du stinkst nicht. Und deine Haare riechen nach Shampoo.“ – „Und Jule?“ – „Bei Jule stinkt nur die Socke.“ – „Und ernsthaft?“ – „We erzählt solchen Mist?!“