Handbikes Auf Der Straße

War das jetzt der Sommer oder nur ein kurzer Vorgeschmack? Während am Dienstag das Thermometer in meinem Auto eine Außentemperatur von bis zu 37°C anzeigte, haben wir in der letzten Nacht beim Training schon wieder die langen Klamotten angezogen. Dann fing es auch noch zwei Mal an zu regnen … nee, das war nicht wirklich angenehm.

Ich hatte das zwar schon ein paar Mal berichtet, aber weil ich dazu regelmäßig E-Mails bekomme, erwähne ich das noch einmal: Wir trainieren nachts, weil wir nicht im fließenden Straßenverkehr trainieren wollen. Das ist uns zu gefährlich. Entsprechend greifen wir auf eine gesperrte Straße zurück, die wir uns mit einigen Rennradfahrern und Triathleten teilen. Weil man natürlich nicht einfach so Straßen sperren darf, muss man das genehmigen lassen und braucht eine Ausnahme- bzw. Sondernutzungsgenehmigung von der zuständigen Behörde. Diese wird uns aber kompromissweise nur für nachts und nur für bestimmte Tage erteilt. Für das Aufstellen der Straßensperren muss extra eine zertifizierte Firma beauftragt werden, die dann da ein paar Sperrgitter hinstellt und hinterher wieder wegnimmt – das alles ist ein ziemlicher Aufwand.

Früher sind wir auch häufiger auf Strecken quer durch Hamburg gefahren. Ebenfalls nachts. Diese Strecken waren nicht gesperrt, dafür fuhr aber hinter uns ein so genanntes Sicherungsfahrzeug. Auch dafür brauchten wir stets eine Genehmigung und das Fahrzeug (und der Fahrer) mussten bestimmte Auflagen erfüllen.

Vorgestern abend startete der österreichische Handbiker Manfred Putz zu einem Weltrekordversuch in Hamburg. Hauptsächlich über Landstraßen wollte er die rund 1.000 Kilometer bis nach München fahren – in rund 50 Stunden. Lediglich vier jeweils einstündige Verpflegungs- und Klopausen waren eingeplant. Begleitet wurde die Aktion von einem Technikteam und einem Kollegen aus dem Handbikesport. Er wollte mit diesem Weltrekord auf die Leistungsfähigkeit paralympischer Sportler aufmerksam machen, s schreibt er selbst auf seiner Internetseite.

Leider ist der Kollege nicht weit gekommen. Nachdem sich offenbar mehrere Autofahrer über das Verkehrshindernis auf den Landstraßen beschwert oder um seine Gesundheit gesorgt hatten, stoppte ein Streifenwagen den Handbiker bereits nach wenigen Kilometern in Niedersachsen. Da er die erforderliche Ausnahmegenehmigung nicht eingeholt hatte und auch kein ordnungsgemäßes Sicherungsfahrzeug dabei hatte, untersagten die Beamten die Weiterfahrt auf der Fahrbahn. Es stünde ihm frei, das Radwegenetz zu benutzen, aber auf Landstraßen, auf denen andere Verkehrsteilnehmer mit 100 km/h angeschossen kommen, werde nicht Handbike gefahren, wenn daneben (nicht ohne Grund) ein benutzungspflichtiger und zumutbarer Radweg vorhanden sei. Weltrekord hin oder her. Manfred Putz brach daraufhin die Veranstaltung ab: Bei Benutzung der Radwege sei das Ziel nicht zu schaffen.

Unabhängig davon, dass ein Handbikefahrer sehr schwer zu sehen ist, da er nahezu flach auf der Straße liegt und der höchste Punkt gerade mal rund 60 Zentimeter über dem Asphalt ist, besteht beim Handbiker die Gefahr des Überrolltwerdens durch einen Pkw, da der hinterste Punkt (die Hinterachse) des Handbikes unterhalb der Radnabe eines Pkw-Rads liegt. Darüber hinaus würde als erstes sein Kopf getroffen werden und nicht etwa die Beine und er könnte nicht seitlich wegkippen, wie es ein Fahrradfahrer bei einer Kollision tun könnte. Sicherlich ist jeder in erster Linie für sich selbst verantwortlich. Das gilt auch für Menschen mit Behinderungen. Nur würde die Polizei auch Menschen ohne Behinderungen von der Fahrbahn schicken, wenn daneben ein Radweg ist.

Mehrere Tageszeitungen und Nachrichtenmagazine zitierten den 43jährigen dahin gehend, er fühle sich als behinderter Mensch zurückgestoßen. „Das ist Inklusion live“, schrieb der Sportler laut dem Nachrichtenmagazin Focus auf der Facebookseite seines Projektes. Dazu möchte ich sagen: „Lieber Manfred, schade, dass du es nicht geschafft hast. Aber du hast es versäumt, dich vorher um die nötigen Ausnahmegenehmigungen zu kümmern. Handbikes gehören nicht auf die Landstraße. Du hast Vorbildfunktion. Starte einen zweiten Anlauf, lass dein Team vorher die nötigen Papiere zusammensammeln. Jetzt die Verantwortung dafür dem Polizisten in die Schuhe zu schieben und ihm behindertenfeindliche Motive zu unterstellen, wäre nicht nur schwach, sondern auch alles andere als förderlich für die von dir gewünschte inklusive Gesellschaft. Inklusion heißt nämlich miteinander.“

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