Cellulite, Dixiklo und Blumenstrauß

Endlich mal wieder ein Triathlon. Entsprechend aufgeregt war ich, als wir an dem vom Ausrichter reservierten Hotel ankamen. Das Hotel war eigentlich eine Jugendherberge, was nicht schlimm ist, nur frage ich mich, warum man dann in der Anmeldebestätigung ausdrücklich „Hotel“ schreibt. Die Adresse stimmte jedenfalls und ein Zimmer bekamen wir auch.

Dass das Zweibettzimmer nur ein Etagenbett hatte, fiel der jungen Dame an der Schlüsselausgabe zwar auf, machen konnte sie da aber nichts und der Herbergsleiter war nicht da. Zum Abendessen gab es Natriumglutamat mit Nudeln in Bolognese-Soße, dazu Instantbrause und einen gemischten Salat. Unsere Konkurrentin aus Great Britain, die bei uns mit am Tisch saß, beschrieb seinen Geschmack mit: „That’s not me and that’s not you. But I do hardly taste a hint of lemon!“

Nach dem Abendessen kam Tatjana zu uns auf das Zimmer. Der obere Teil des Bettes war senkrecht an die Wand geklappt und sollte mit einem Schlüssel in die waagerechte Lage gebracht werden. Außerdem hätte noch ein Gitter installiert werden müssen, damit man nachts nicht rausfällt, das war aber nirgendwo zu finden und die überforderte junge Dame vom Empfang konnte uns da auch nicht helfen. „Ich würde sagen, wir klappen das wieder nach oben und ihr schmust heute nacht ein bißchen, oder?“ – Auf jeden Fall.

Zuerst dachte ich, es wäre Aufregung, inzwischen hatte ich aber diese komische Mahlzeit im Verdacht. Wer gerade frühstückt, liest besser nicht weiter. Zwei Stunden nach dem Abendessen wurde mir zuerst ziemlich übel, nach einer halben Stunde an der frischen Luft war das aber schlagartig vorbei. Dafür hatte ich dann aber ein anderes Problem, nämlich einen heftigen Blähbauch, der nicht wenig weh tat. Ich legte mich früh hin, mit angewinkelten Beinen auf der Seite war es erträglich. Ich bat Marie, im Haus nach einer Wärmflasche zu fragen. Süß, wie sie immer ist, ist sie, nachdem im Haus niemand eine hatte, zum Bahnhof gefahren und hat dort eine für mich gekauft. Der Aufwand wäre gar nicht nötig gewesen, aber sie hat nicht mal gefragt.

„Ist das denn überhaupt okay, wenn ich mich noch zu dir ins Bett lege? So groß ist das Bett ja nicht.“ – „Natürlich, solange du dich nicht auf meinen Bauch legst, ist alles gut.“ – „Ich mach mich ganz klein und leg mich hinter dich.“ – „Hoffentlich pups ich dich dann nicht an.“ – „Wenn dadurch deine Bauchschmerzen weg gehen, machst du das bitte! Nimm jetzt hier bloß nicht noch falsche Rücksicht.“

Wir haben sogar geschlafen und am nächsten Morgen fühlten wir uns beide fit. Während ich noch überlegte, ob es warm genug werden würde, um nur im Schwimmanzug (Badeanzug) zu radeln und zu rennen, hatte Lisa sich schon für den kurzen Einteiler entschieden. „Dann sieht man meine Cellulite nicht so“, meinte sie und posierte barfuß, sich an der Tür festhaltend und dabei wackelig stehend. Vermutlich nicht wissend, was das ist, hatte sie das irgendwo aufgeschnappt und trug damit außerordentlich zur allgemeinen Erheiterung bei. Vermutlich wusste sie auch nicht, warum wir so amüsiert waren, aber das ist eben Lisa: Sie lacht dann einfach mit und freut sich, einen Witz gemacht zu haben.

Ein halbes Brötchen, einen Tee, mehr bekam ich nicht runter. Marie und ich hatten uns für Schwimmanzug plus Neo entschieden, den Neo deshalb, weil er außer der Wärme ja noch viele andere Vorteile bietet. So viele, dass das Ausziehen nach dem Schwimmen nicht ins Gewicht fällt. Im Paratriathlon darf fast immer mit Neo geschwommen werden.

Der Weg zum Start war nicht weit, Tatjana durfte mit dem Bus bis direkt in die Startzone fahren, musste ihn aber sofort wieder wegbringen. Uns half das sehr. Als sie vom Parkplatz wieder da war, begann der übliche kontrollierte Abfüll-Marathon, damit alle ausreichend hydriert sind und genug Energiereserven haben. Was nicht so klasse war, waren die Anzahl der rollstuhlgerechten Toiletten. Es gab ohnehin nur Dixiklos und für Rollifahrer gerade mal zwei. Das hätte normalerweise gereicht, nur war eins mit einem Vorhängeschloss, zu dem niemand den Schlüssel hatte, gesichert und das zweite wurde auch von allen anderen (sprich: Fußgängern) benutzt (schließlich ist es schön groß) und war bereits zwei Stunden vor unserem Start vollgekotzt.

Was zur Folge hatte, dass die meisten Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer es sich auf dem Rasen bequem gemacht hatten. Ja, bitte keine Verurteilung. Immerhin waren genug Flaschen da, um bei Bedarf mit Seewasser nachspülen zu können. Dann endlich konnten wir uns kurz einfahren, anschließend Neo anziehen und ab auf den Steg. Während die Fußgänger vom Strand aus starteten, hatten wir einen Schwimmponton für uns alleine. Noch bevor Marie ihre üblichen Witze über die Zombies im See machen konnte, ging es los.

Die Planung war etwas ungünstig, da wir mit Fußgängern einer anderen Distanz zusammen starteten und uns die Fußgänger beim Schwimmen einmal überholen mussten, während wir am Ende die Fußgänger mit unseren Bikes nochmal passierten. Üblich ist das nicht. Jedenfalls bekamen sowohl Marie als auch ich bei diesem Überholmanöver im Wasser einige Füße ins Gesicht gekickt. Was beim Fußgängertriathlon wohl üblich ist, fand ich befremdlich, da man ohne Beinschlag ja doch etwas instabiler im Wasser liegt. Aber außer dass es unangenehm war, ist nichts passiert.

Der erste Transfer einschließlich Entkleiden klappte gut, unter den für mich magischen 70 Sekunden, die mit dem Rennbike zurückzulegende Strecke war auch relativ entspannt. Es waren insgesamt drei Runden zu fahren, was sehr gut war, da mein Getränkevorrat bei der Wärme ständig leer war und ich so die Chance hatte, ihn auffüllen zu lassen. Das kostete zwar ein paar Sekunden, aber trotzdem besser als zu dehydrieren.

Die Strecke mit dem Rennrolli war nicht ganz so klasse, weil man sich einmal über einen Bordstein helfen lassen musste und der Helfer das vorher anscheinend noch nie probiert hatte. Später wusste er, wie das ging, aber die erste, und das war bis dahin noch ich, hatte ihre liebe Not mit ihm. „Wo kann ich anfassen? Wie soll ich das machen?“

Am Ende hatte ich 34 Sekunden Vorsprung vor Marie, war aber leider langsamer als die Britin, die sich am Abend noch über den Salat beschwert hatte. Alle anderen, gegen die wir direkt angetreten waren, belegten die Plätze 4 bis 8, einmal DNF (nicht angekommen). Das soll aber nicht darüber täuschen, dass ich für die offiziellen Zeiten viel zu langsam bin. Hätte die Elite-Konkurrenz teilgenommen, wäre ich wohl auf Platz 12 von 18 gelandet. Aber so gab es wenigstens einen Blumenstrauß.


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