Dieses Mal bin ich ohne Krankenhausaufenthalt und ohne größeres Theater durch einen Magen-Darm-Infekt gekommen. Man lernt ja dazu. Ich tippe auf eine Algenbelastung in einem Badesee, in dem Marie, Cathleen und ich am Montag schwimmen waren. In dem wir sonst nie schwimmen, der laut Hinweisschild aber zum Baden freigegeben war („Wasserqualität: Ausgezeichnet“), der mir aber im Nachhinein nicht geheuer war. Auf jede Fall lagen wir danach alle drei flach. Wer eklige Details nicht lesen möchte, beschränkt sich nur noch auf diesen Satz: Mir geht es wieder gut!
Ich war an dem Abend wieder zu Hause, hatte gerade etwas gegessen un saß vor meinem PC. Als ich mich zum dritten Mal innerhalb von fünf Minuten über einen lauten Pups erschrak und feststellen musste, dass außer mir niemand im Raum ist, den ich dafür verantwortlich machen könnte, rollte ich vorsichtshalber schonmal in Richtung Klo. Während ic mich umsetzte, ging das los, was ich gerne im Klo gehabt hätte, weil e in der Hose einfach eklig ist; erst recht, wenn es oben aus dem Hosenbund quillt. Leider kam ich nur nicht mehr dazu, meine Hosen runterzuziehen.
Bevor mir erst wieder schlecht wird und mein Kreislauf verrückt spielt oder die ganze Situation unkontrollierbar wird, rief ich eine Etage tiefer im Dienstzimmer an und hoffte, irgendjemand wäre da, der mir helfen könnte. Und möglichst jemand, der es nicht noch unerträglicher macht. Ich hoffte auf eine ganz bestimmte Person … und die ging tatsächlich dran. Eine Assistentin, die eigentlich hauptsächlich Maria betreut. „Ich komme sofort“, meinte sie.
Als sie mit ihrem Schlüssel in mein Zimmer kam, hatte ich einen dicken Kloß im Hals. Ich versuchte, mich zusammenzureißen und kämpfte mit den Tränen. Sie klopfte an die halb geöffnete Badtür und kam rein. Es muss ein seltsames Bild gewesen sein, wie ich wie ein Häufchen Elend voll bekleidet auf dem Klo sitze und sie anstarre, in den Augen die Wörter geschrieben: „Bitte sag“ links, und rechts „jetzt nichts!“
Ihre erste Frage: „Hi, was ist los bei dir? Eingekackt?“ – Ich nickt kaum sichtbar. Und sagte dann: „Das krieg ich auch alleine wieder sauber. Ich habe nur die letzten Male, als das so los ging, ziemlich schnell Kreislaufprobleme bekommen und musste dann auch jedes Mal in di Klinik.“ – „Okay, dann pack ich dich ins Bett und mach dich dort sauber?“
„Mir wäre es am liebsten, wenn wir erstmal bei meiner Hausärztin anrufen könnten. Ich denke, dass ich wieder eine Infusion brauche und vermutlich auch was, was den Darm ruhig stellt. Das ist bei mir immer sehr heftig, wenn mein Darm verrückt spielt. Und dann können wir das auch in der Dusche versuchen, solange du mich halten kannst, wenn mir schwindelig wird.“
„Gut, dann rufst du bei deiner Hausärztin an und ich hol mir schnell Handschuhe und ein paar Sachen und dann duschen wir? Ich bin sofort wieder da.“
Maries Mutter wollte vorbei kommen. Marias Assistentin kam wieder, hatte einen fahrbaren Lifter dabei, zog sich nackt aus, zog sich einen noch halbnassen Badeanzug an, Einmalhandschuhe und Mundschutz dazu. „Wa machst du denn?“, fragte ich sie erstaunt. Sie antwortete: „Ich komm mit duschen. Das mache ich mit Maria auch immer so. Jeden Morgen. Dann kann ich sie am besten festhalten. Es sei denn, es stört dich.“ – „Mich? Du weißt schon, wie eklig ich gerade bin, oder?“ – „Eklig? Na komm. Da diskutier ich jetzt nicht. Ich ekel mich nicht vor dir. Ich muss nur aufpassen, dass ich mich nicht anstecke, deshalb der Mundschutz und die Handschuhe. Entspricht zwar nicht den Hygienevorschriften, aber du muss es ja keinem erzählen.“ – „Ich schreibe das in meinen Blog.“ – „Okay, ich werde es immer dementieren.“
Sie hob mich vom Klo auf den Duschsitz und fing an, mich auszuziehen „Du hältst dich nur fest, ich mach den Rest“, befahl sie mir. Während sie mir am Bauch herumfummelte, um mit den Handschuhen den Knopf meiner Jeans aufzubekommen, fühlte sich meine Blase auch noch angesprochen und machte die Sauerei komplett. Marias Assistentin zog blitzschnell ihren Fuß weg und fing an zu lachen. „Mach erstmal fertig“, meinte sie. „Und lach mal drüber. Oder hast du Bauchweh?“ – „Ich kann darüber nicht lachen, ich mag dieses Unkontrollierbare nicht.“ – „Jule, nimm es einfach mit Humor. Du brauchst dich vor mir nicht zu schämen. Und ich verpetz dich auch nicht.“
„Darum geht es gar nicht. Es ist mir einfach unangenehm, wenn mich andere Leute so schwach sehen, ich auf ihre Hilfe angewiesen bin und nichts dagegen tun kann.“ – „Du bist nicht schwach. Du hast nur einen Querschnitt. Und einen gelähmten Darm. Das hat nichts mit Schwäche zu tun. Das sind körperliche Gegebenheiten, mit denen unsere Gesellschaft schlecht umgehen kann. Als wir noch in den Bäumen von Ast zu Ast geschwungen sind, hätte sich niemand drüber aufgeregt, wenn du dabei wa verloren hättest. Heute, wo wir meistens nicht mehr nackt sind und alles steril und geordnet ist, fallen die auf, die ihren Mist nicht kontrolliert in ein Abwasserrohr plumpsen lassen.“ – „Im Wald würde ich gar nicht mehr leben.“ – „Im Wald hätte dich kein Auto angefahren.“ – „Dann wäre ich eben vom Baum gefallen. Es ist doch eine sehr weit hergeholte Argumentation. Wir sind keine Affen im Baum.“ – „Wir alle wollen dich unter uns haben. Dich gibt es aber nur ganz oder gar nicht. Also müssen wir auch eine gemeinsame Lösung finden, wenn du einen gelähmten Darm hast. Mein Vorschlag dazu war: Wir duschen zusammen und ich mach dich sauber. So einfach ist das.“
Sie hatte mich gerade so sauber, dass sie mich abtrocknen wollte, al es wieder losging. Ich war lediglich froh, mich nicht auch noch übergeben zu müssen. Sie sagte: „Am besten ist wahrscheinlich, wenn du hier sitzen bleibst, bis deine Ärztin dir was gegeben hat und das aufhört, oder? Ich spül dich jetzt nochmal sauber, tupf dich trocken un heb dich aufs Klo.“ – Ich wurde bereits zittrig.
Maries Mutter kam 20 Minuten später. Die Assistentin hatte bereits Desinfektionsmittel in die Dusche gekippt und die Fliesen mit einem Schrubber bearbeitet und sich wieder angezogen. Sie hatte sich eine Papierschürze umgebunden und nahm aus meiner verdreckten Hose eine Stuhlprobe für Maries Mutter, bevor sie den ganzen Schweinkram auswusch und die Sachen mit zur Waschmaschine nahm. Ich bekam 30 Tropfen Opiumtinktur in ein Schnapsglas mit Wasser aufgefüllt, pfui Teufel. Abe das wirkt wenigstens. Maries Mutter legte mir einen Zugang in die Vene stöpselte einen Tropf dran und bat Marias Assistentin, alle halbe Stunde nach mir zu sehen. Dann bekam ich eine Pampers angezogen, einen Schlafanzug … Decke drüber, gute Nacht. Wer nach 30 Tropfen Opiumtinktu noch länger als 20 Minuten die Augen offen hält, kriegt von mir einen Keks. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Zu meinem gestrigen 21. Geburtstag habe ich mich zum ersten Mal wieder länger als 10 Minuten aus meinem Bett rausgetraut und mir von Marie die Nadel ziehen lassen. Es scheint wieder alles gut zu sein.