Ich habe es versprochen: Ich schreibe über meine Zeit in der Klinik.
Also. Als ich kackend im Bett lag, …
Achso. Niveau? Sorry. Ist verbrannt. Lag bei mir sowieso immer nur knapp unter der Haut. Appetit? Wird ohnehin zu hoch bewertet, verursach nur Gefäßkrankheiten. Und Alterszucker. Ich habe drei Kilo abgenommen. In zwei Wochen. Wehe dem, der mir dazu gratuliert. Aber ich habe mir vorhin mit Marie eine Tafel Schoki gerecht geteilt. Sie zwei Stücke, ich den Rest.
Ich schweife vom Thema ab. Wir waren beim Kacken. Ja, ich kann es mir nicht verkneifen, denn dann könnte ich das mit Abstand krasseste Erlebnis aus den zwei Wochen nicht erzählen. Und ich möchte doch meine auffällige Zurückhaltung beim Schreiben der letzten Wochen durch einen Paukenschlag wettmachen. Jetzt.
Also, ich lag kackend im Bett.
Warum? Nun, ich durfte nicht aufstehen. Und wer einen Querschnitt auf eine Blechpfanne setzt, möchte allenfalls eine weitere Fallpauschale auslösen. Ich fass mich kurz: Nackt ausziehen, Decke weg, auf die Seite rollen, die Schwester ein halbes Dutzend Zellstoffunterlagen im Bett verteilen lassen, zurückrollen, kerzengerade auf die Seite legen, Miniklistier in den Po geben lassen, Zellstoff drüber, Decke drüber, Fenster auf, 20 Minuten warten, Knie seitlich liegend unter das Kinn ziehen und sich wünschen, dass man pressen könnte. Nach 30 bis 40 Minuten die Schwester nicht um ihren Job beneiden und hoffen, dass alle das raus ist, was nicht mehr drin sein soll.
Diese Minuten können lang sein. Vor allem, weil ich mir jede Minute wünsche, niemand möge reinkommen. Irgendwelche Kommilitonen vielleicht: „Hey Jule, lass dich knuddeln!“
Mitten in diesen langen Minuten ertönen vom Balkon vor dem Fenster Geräusche. Der Balkon ist durchgängig, man kann also vom Zimmer 1 bis zum Zimmer 13 entlang laufen. Oder auch rollen. Ich glaube, so würde man heute nicht mehr bauen, aber das Haus steht nun einmal. Die Geräusche, die vom Balkon durch das weit geöffnete Fenster drangen, erinnerten mich an ein pupsendes Pferd. Oder an ein Kleinkind, das versucht, ebensolche Geräusche mittels auf den Unterarm aufgesetzten Mund zu kreieren. Galt das mir? Falls ja, konnte das eigentlich nur die Schwester sein. Und der hatte ich eigentlich mehr Niveau zugerechnet als mir.
Nein, es war ein Pflegeschüler, der mich wohl toll fand. Und der auf diesem Weg wohl versucht hatte, mir näher zu kommen. Er stand plötzlich grinsend im Fenster. Und sagte dann lachend: „Na? Machste Kacki?“
Ich konnte mich ja kaum bewegen, aber für einen Stinkefinger reichte es. Das musste sein und es tut mir auch nicht Leid. Wäre ich besser drauf gewesen, hätte ich vielleicht noch eine passende Bemerkung herausgeben können, aber so wünschte ich mir nur, er möge einfach verschwinden. Nachdem ich ihm keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt habe, fügte er eine zweite Frage an: „Oder Pischi? Oder beides?“
Ich machte ihn an: „Mensch verpiss dich! Ich komm doch auch nicht gaffen, wenn du auf Klo sitzt!“
Woraufhin er lachend sagte: „Sitzen? Also Kacki? Hey komm, war nur ein Spaß. Ich wollte dich aufmuntern. Der Versuch ist wohl in die Hose gegangen. Oder doch ins Bett? Komm, Frieden?“
„Kannst du jetzt bitte gehen? Oder muss ich dich noch drei Mal bitten?“, sagte ich. Seine Antwort: „Du bist schlecht drauf, oder?“
Nachdem ich ihn einen Moment ignoriert hatte, verschwand er leise murmelnd. Für immer. Ich habe ihn danach kein einziges Mal mehr gesehen. Ich vermute, es war sein letzter Tag auf der Station. Oder er musste zurück in den Kindergarten.